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Mannes so groß macht, das ist das ununterbrochene Ringen mit sich selbst? Das war ja das einzige in der jugendlichen Art dieses Mannes, daß er immer von -neuem den Problemen, unerbittlich auch gegen sich selbst, sich gegenüberstellte. In der Klarlegung dieser Probleme liegt das große Verdienst von Eugen Fuchs, das ihm neben Maximilian Horwitz in der Geschichte der deutschen Juden des 19. und 20. Jahrhunderts ewig eine überragende Rolle Zuweisen wird. Er begann den Kamps aus einem Rechts ge f ü h L, wie es guten Juden 'kraft ihres Jahrhunderte alten Kampfes eigen ist, einem Rechtsgesüht, wie es jeder kulturell verankerten Minderheit eigen sein muß, einem Rechtsgesühl, das getragen ist von dem Gefühl der Verantwortlichkeit jedes einzelnen für alle Glieder der Minderheit, das die höchsten sittlichen Anforderungen an die eigene Minderheit stellt, und das -deshalb auch jede Rechtsverletzung. empfinden muß als die Störung einer großen, der Zukunft dienenden Kulturarbeit.
Als der Eentral-Verem unter Führung von Eugen Fuchs vor etwa dreißig Jahren gegründet wurde, da lebten die Geister noch im wesentlichen unter der rationalistischen Einstellung, welche die Signatur des größten Teiles der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist. Die Bewegung war deshalb zunächst auf den Rechts- aedauken eingestellt. Der Kamps wurde im wesentlichen geführt gestützt auf die Paragraphen der Verfassung. Das seelische Moment'kam im wesentlichen nur in dem Gedanken zur Geltung, daß es nichts Heiligeres gibt, als für das Rocht zu kämpfen, und daß es nichts Männlicheres gibt, als diesen Kampf nicht noch so gut 'genullten Männern außerhalb unserer Gemomschast zu überlassen, sondern den Kampf selbst zu führen im Lichte der Oeffentlichkeit. Tie Männer mit Fuchs waren es, die den deutschen Juden zu dem offenen Bekenntnis seines Judentums, zu der stolzen Betonung der Kulturmissiou verhalfeu, die dem deutschen Juden beschieden ist. Das ist ja das große Geheimnis der Erhaltung des Juden in der Diaspora, daß es ihm nie an Männern gefehlt hat, die ihr Leben unter E w i g k e i t s g e s ich t s p u n k t e n eingestellt haben. Das entspricht unserer historischen Entwicklung. Bei unseren Bätern wurde nie ein Loben als vollwertig betrachtet, das nicht über des Lebens Notdurft hinaus geistigen Gütern geweiht war. Wir sind stolz darauf, daß unsere Väter, in den ärmlichsten Verhältnissen lebend, sich nicht zermürben ließen durch die Not des Tages/ sondern ihr Leben geadelt fühlten dadurch, daß sie sich in mühsam abgerungenen Stunden der heiligen Lehre widmeten. Ganz in diesem Geiste entwickelte sich das Leben von Eugen Fuchs. Wer mit Dankbarkeit zurückblickt in die Zeit unserer nächsten Voreltern, der mußte in Eugen Fuchs den schönen Typus finden, der die Vorzüge der modernen Kultur mit den Segnungen unserer ehrsurchtgebietenden Tradition vereinte. Wessen Leben noch erfüllt ist von Erinnerungen unserer Väter und Großväter., der empfand rein äußerlich schon in dem Bilde unseres Eugen Fuchs die -glückliche Fortentwicklung aus unserer Väter Zeiten. Welch erlesene Fronde war e?, nicht nur in großen Versammlungen Eugen Fuchs zu lauschen, sondern in kleinem Kreise mit ihm zusammen git arbeiten. Dieser jugendliche Feuerkopf mit der charakteristischen Gebärde unserer Väter auch rein äußerlich das eindrucksvolle Bild des mit seiner ganzen Persönlichkeit sich einsetzenden und den Problemen auf den Grund gehenden Mannes. So weiterte sich in diesem dauernden Ringen seine Arbeit von Tag zu Tag in immer wieder vertiefter Erfassung des Gesamtproblems, in der Erfassung der ganz eigenartigen Stellung des deutschen Juden. War noch am Anfänge unserer Bewegung der Gedanke mächtig, und schien gerade in dem Rechtskampfe, den wir führten, der Gedanke entscheidend zu sein, daß wir uns. von unseren christlichen Mitbürgern nur durch unser Glaubensbekenntnis unterscheiden, so hat Eugen Fuchs in seiner Jugendfrische sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt und wir mit ihm. Große Kulturkämpfe können nicht rein gedanklich geführt werden. Sie müssen erwachsen aus der historischen Entwicklung und treu der historischen Entwicklung weitergeleitet werden. Wer die Reden von Eugen Fuchs, wie sie int vorbildlichen Werke „H m Deutschtu m ü n d I u d e n t u m" niedergelegt sind, verständnisvoll verfolgt, der sieht, wie eine große 9t e ch r s bewegnng sich zu -einer großen K u 1 1 u x bewegung entwickelt. Keinch Assimilation um jeden Preis, feste Bodenständigkeit, die die Wurzeln ihrer Kraft erkennt, und die die natürliche Entwicklung des deutschen Juden aus diesen Wurzeln heraus ermöglicht! Es gab' wenige Deutsche, „die die Heintat liebten wie Du" und doch voll erfüllt waren von dem Stolz auf ihre jüdische Vergangenheit. So hatte Eugen Fuchs aus deutschen Boden und, nach dem von ihm geprägten Worte, „unlösbar verbunden mit dem deutschen Vaterlands" das sichere Gefühl der Bodenständigkeit wie nur ein deutscher Bauer auf seiner Scholle. Bezwingend, mußte dieser Manu wirken. ' Ein weises Wort, eine hinreißende Rede zu hören, hat man immerhin des öfteren Gelegenheit. Aber nie — und ich meistere mein Wort, denn an dieser Bahre darf kein übertreibendes Wort ertönen — niemals hat Engen Fuchs ein Wort gesprochen, das nicht der Ausfluß seiner ganzen Persönlichkeit war, und für das er nicht mit seiner ganzen Persönlichkeit -einstand. „Leben nur kann Leben geben." Der deutsche Jude Eugen-Fuchs war die Lebensbejahung in Person für sich und sein deutsches Judentum.
, So ist Eugen Fuchs uns allen ein Symbol geworden. Wenn /nach der ganzen Einstellung des deutschen Juden'jedes Leben eine ' moralische. Aufgabe darstellt, so bekennen wir freudig an dieser ' Bahre, daß dieser Mann seine Aufgabe gelöst hat. So neigen wir uns dankbar gegen ein gütiges Schicksal, das diesen Mann zu
einem der unseren gemacht hat, vor unserem Meister und Freund im Gefühl tiefster Dankbarkeit, nicht in dem erdrückenden Gefühl des Abschiednehmens, sondern in der stolzen Freude, daß ein großer Geist, der das Zeitliche abgeschüttelt hat, von Gott ab-- berufen ist in die große Geisteswelt unserer Väter. So stehen wir hier in einem Gefühl unendlichen Dankes, einem Gefühl, das auch dem Kreise seiner nächsten Angehörigen Frieden und Lebensbejahung gewähren muß. Mit ihnen rufen wir im vollen Bewußtsein der großen Verantwortung, die dieser Ruf uns auferlegt, hier an dieser Bahre Dir zu: Eu g en Fuch s, Du lebst!"
Die Gruppe der drei chargierten Spreven trat näher zur Bahre. .Das umflorte gelb-weiß-schwarze Fahnentuch senkte sich Dr. Ludwig Holländer spricht für d e n K. C.:
„An der Bahre unseres geliebten Eugen Fuchs nehmen die Verbindungen deutscher Studenten jüdischen Glaubens, der K. C. und insbesondere die Verbindung im K. C. Sprevia zu Berlin, deren Ehrenmitglied der in Gott Ruhende gewesen ist, von ihrem väterlichen Freunde Abschied und prüfen nach alter, guter, jüdischer Art an der heiligen Stelle sich selbst, was sie tun Wunen, um all die Liebe zu erwidern, die ihnen der vor dem Throne Gottes stehende Freund im Leben erwiesen- hat. So fragen sie sich zunächst: Warum nennen wir Eirgen Fuchs unseren geliebten Freund? Und sie denken an ein Wort Karl Hauptmanns, der das Wort „geliebt" also erklärt hat: Wir sind alle auf der Suche nach dem Gott in der eigenen Seele, und wer uns den enthüllt, den neunen wir geliebt.
Unserer studierenden Jugend hat Eugen Fuchs in seinem Lebenswerk den Gott in der eigenen Seele enthüllt: denn er hat ihr gezeigt^ daß sie die dunkel und mehr instinktiv empfundene Notwendigkeit eitter Znsautmenf-assuug zwischen Deutschtum und Judentum, in ihrem eigenen Leben zur. Vollendung bringen könne. Eugen Fuchs hat ihr gezeigt, wie man in tiefer Religiosität auch ohne zu den Positiv gebundenen Naturen zu gehören, die im glücklichem Seelenfrieden die religiösen Vorschriften bis in die letzte Ausstrahlung des Zeremonialgefetzes befolgen, als spekulativ betrachtender Mensch mit freiheitlicher Gedankenführung ein guter und treuer Jude sein kann. Er hat diesen- ringenden Menschen gezeigt, daß das Judentum für die Jugend besonders auch eine charakter-bildende Eigenschaft ist, und daß der Wahlspruch unserer Sprevia „Furchtlos und t r e u" bei denen, die das gelb- werß-schwarze Band um ihre Brust tragen, mehr bedeutet als das Panier eines Stammtisches oder eines Kegelklubs: Es schafft Bindungen für das Leben, es bedeutet Entsagungen, es heischt Opfer, wenn inan wirklich furchtlos als jüdischer Deutscher durch das Leben wandern will. Eugen Fuchs hätte, wenn er diese Furchtlosigkeit nicht immer gezeigt Hütte, mehr an äußeren Ehren in seinem irdischen Dasein erreichen können. Das aber machte ihn gerade zu unserem Führer, weil er durch sein Wirken seine Lehre verkörperte, daß, wie er sich ausdrückte, man als Anwalt des Rechtes ebenso ein Künder des Rechtes werden kann wie der höchste irdische Richter.
Und Eugen Fuchs war die Treue selbst, die er gegen jeden übte, der in seinen Lebenskreis trat, die er vor allem gegen sich selbst wahrte. Und diese Treue bis in den Tod hinein, die er einer Leben sau fsafsung hielt, die unA dazu genötigt hat und nötigen konnte, in ihm den Begriff des Geliebten zu sehen-, sie lehrt uns. was ihn sein Leben gelehrt hat und was zu erkennen wir seinem Andenken schuldig sind: daß Glück im Leben uns gut macht, daß uns aber vor allen Dingen der Schmerz, den wir jetzt so reichlich erleben, tief zu machen habe. Die Vertiefung' der Dinge, sie ist es, die Eugen Fuchs' Manen von der akademischen Jugend, den zukünftigen Führern der Deutschen jüdischen Glaubens, verlangen.
Das Wort des Propheten drängt sich uns auf: „W achter, w a s i st' s v o n d e r Nacht?" Und die Antwort des Propheten: „Es kommt der Morgen und kommt auch die Nacht." Was bedeutet für uns dieses „Es kommt der Morgen?" Der Morgen kommt, wenn wir unserem Judentum und unserem Vaterland so treu sind, wie es Eugen Fuchs war; und die Nacht kommt, den Morgen zu verdrängen, in dem Augenblicke, wo wir nicht das Letzte für die Treue in unserer Erkenntnis hergeben.
Wir Juden waren niemals engherzig. Wie jene alten Nabinen des Talmud, die man nicht als sonderlich freisinnig wird bezeichnen können, ergriffen von der Schönheit der griechischen Sprache, die gesetzliche Bestimmung trafen, daß die öffentliche Vorlesung der heiligen Schrift in den Gemeinden ebensowohl in griechischer als in hebräischer Sprache stattfinden durste, so nur können wir das durchführen, voas uns unser verewigter Frerrnd Eugen Fuchs gelehrt hat: Deutsch und jüdisch zu gleicher Zeit zu sein. Die freudige Anerkennung des griechischen Geistes, welche sich auf prägnante Weise ausdrückt in der rabbimschen Deutung des Segens Noah, daß die Schönheit des Griechen wohnen soll in dem Herzen von Sem, sie klingt noch nach in der heutigen Zeit und sie ist verkörpert in der Persönlichkeit von Eugen Fuchs, der uns den innigen Zusammenhang von Deutschtum und Judentum gelehrt hat, der von dem Gedanken der Treue und dem Gedanken der Furchtlosigkeit getragen gewesen ist. . .. .
So werden wir das Andenken unseres Führers ehren, so werden wir seinem Geiste gerecht werden, und so werden wir die Losung erfüllen, die'in Emarmel Geibels Worte ansklingen. soll:
„Ob sie dich durchbohren, trutze drum und ficht,
Gib dich selbst verloren, doch dein Banner nicht.
Andere werdetsis schwingen, wenn man dich begrübt
.. Und das Heil erringen, das dir vorgeschwebt."