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So, geliebter Freund, bleiben wir ewig, bei dir, der du in Frieden ruhen wrrst. Die Gebete einer Jugend werden dich begleiten, die dein Lebenswerk vollenden will."
Tief auf die Bahre senken sich Fahne und Schläger, als Dr. Holländer das Sprevenband auf den blumenbedeckten Sarg legte.
In kurzen, Lrauererfüllten Worten sagte Rechtsanwalt Dr. H e P > n e r dem Toten den Dank der Schüler und engeren Kollegen. Dann wurde, wahrend Oberkantor N e u st a d t das „Herr voller Erbarmen" sang, der Sarg zur Gruft in der Ehrenreihe des Friedhofs getragen.
Eugen Juchs als Jurist.
Von Geheimrat Dr. O b e r n e ck (Berlin).
Eugen Fuchs studierte von Ostern 1874 bis 1877 die Rechte in Heidelberg, Leipzig und Berlin, bestand Ende 1877 sein Neferendar- examen, Promovierte in Leipzig magna cum laude und machte Anfang 1882 sein Assessorexamen mit dem Prädikate. Seine Neigung zu belehren und durch Lehren zu lernen hätte einen- geeigneten Nährboden in der akademischen Laufbahn gefunden. Seine Versuche zur Erlangung dieses Zieles scheiterten an den a n t i s e m i t i> s ch e n S t r ö m u n g e n in de r Negier u n g uni) in Prosessorenkreisen. Die Bescheide, die er auf Anfragen und persönliche Vorstellungen erhielt, ließen durchblicken, daß, fa ll s er f ich nicht t ait f en> ließe, er über etwaige Zurücksetzungen in der akamcdischen Karriere keine Beschwerde erheben dürfe. Dagegen empörte sich sein starkes Empfinden als Jude und vor allem sein Rechtssinn. So mußte er auf deu akademischen Weg, der ihn zur Höhe hätte führen sollen, verzichten.
Die Hochflut des Antisemitismus in den achtziger Jahren zwang ihn, wegen der Aussichtslosigkeit, eine Richterstelle zu erlangen, nach fünfjähriger Tätigkeit als Gerichtsassessor sich 1889 als Anwalt beim K a m nt erger i ch t niederzulassen, ein Schritt, der dem rechtssuchenden Publikum und dem Anwaltsstande, insbesondere den Berliner Anwälten, zu groß e m Segen gereichte und die tief e m p f nndene D a n k b a r k e i t seiner Kollegen über sein Grab hinaus ausgelöst hat. Seine umfassenden Kenntnisse, sein durchdringender Verstand, sein großer Scharfsinn, sein ernstes Eindringen in den dem Rechtsstreit unterliegenden Tatbestand, seine erschöpfende Darlegung desselben in deu Schriftsätzen, seine außerordentliche Gewandtheit im An greifen und Verteidigen, seine tief schürfende forensische Beredsamkeit machten ihn zu einem der hervorragendsten Anwälte beim Kammergericht. Aber alle diese vortrefflichen Eigenschaften hätten ihm nicht den Einfluß seiner mündlichen Ausführungen und die hohe Wertschätzung, deren er sich bei den Senatsmitgliedern erfreute, verschafft, wenn sein häupg leidenschaftliches Eintreten für die Wahrnehmung der Interessen seiner Klientel nicht von dem sittlichen Ernst und von der Ueberzeugung eines seinem Mandanten in Wahrheit zustehenden Anspruchs oder der Abwehr einer ungerechten Forderung des Gegners getragen worden wäre.
Bei so hohen Vorzügen war Eugen Fuchs ein die größte Beachtung gebietender Gegner, dessen tief durchdachte Ausführungen, die bei durchsichtiger Darstellung des Tatbestandes den juristischen Kern in vollendeter Weise herauszuschülen verstanden, den Senat in ihren Bann zogen und dem Gegenanwalt das . höchste Maß von geistiger Spannkraft auszwangen. Dennoch war er nicht das, was man „e inen gefürchteten Gegner" nennt, weil sein kräftiger Sinn für Recht und Unrecht glatte, schlaue Advokateukmsse ablehnte; er wollte nicht aus schwarz weiß machen oder aus weiß schwarz; jede Spiegelsechterei, jede Persönliche Herabsetzung der Gegenpartei, um Stimmung beim Gericht zu machen, waren ihm fremd. Er wollte überzeugen: nicht nur den Richter, sondern auch den Gegner. Aus dem Gebiete, das Fuchs und ich wissenschaftlich bearbeitet haben, waren wir häufiger Gegner, nicht nur in theoretischen Fragen, sondern auch in Prozessen; wir haben vielfach die Klinge in foro gekreuzt. Aber bei all seiner Schärfe, bei all seinem starken Temperament wahrte er den Adel der ihm innewohnenden Vornehmheit, und deshalb war es mir stets eine besondere Genugtuung, gerade wenn es sich um prinzipielle Streitfragen handelte, ihn zum Gegner zu haben. Seine Rechtsansichten vertrat er mit Feuer und großer Hartnäckigkeit. Wenn das Kammergericht oder das Reichsgericht seiner Rechtsausfassung nicht beigetreten war, so beruhigte er sich nicht dabei, sondern griff die Entscheidungsgründe in selbständigen Aussätzen, die er namentlich in der „Juristischen Wochenschrift" veröffentlichte, von neuem an, um auf wissenschaftlichem Wege Anhänger für seine Rechtsansicht zu gewinnen. Er war einer der gesuchtesten Anwälte, der in großen Prozessen, in denen es sich um g r u n d s ä tz l i ch e F r a g e n handelte, fast regelmäßig hinzugezogen wurde. Hochgeschätzt wegen seiner Objektivität, erwarb er sich eine umfangreiche Gutachter- und Schiedsgerichtspraxis.
Von hohen Idealen für den Anwaltsberuf und den Anwaltsstand erfüllt, eröffnete sich ihm ein weites Arbeitsfeld, als das Vertrauen
seiner Kollegen ihn bereits 1896 in den Vorstand der Berliner A n w a l t s k a m m e r, 1901 in den Ausschuß der Kammergerichtsanwälte, 1909 in den B o r st a n d des deutschen Anwaltsvereins berief. Dem Vorstand der Anwaltskammer und dem Ausschuß gehörte er bis zum Jahre 1912, dem Vorstand des deutschen Anwaltvereins bis zu seinem Tode, in den letzten Jahren als stellvertretender Vorsitzender, an. Der Raunt verbietet es, aus diese seine bedeutsame Tätigkeit des näheren an dieser Stelle einzugehen. Wo immer er stand, hat er neben den hervorragendsten Vertretern des Anwaltvereins einen ersten Platz behauptet und eine für das allgemeine Wohl der deutschen Anwälte fruchtbringende und dankenswerte Tätigkeit entfaltet. Es sei nur erinnert an sein mannhaftes Eintreten auf dem Würzburger Anwaltstage im Jahre 1911 für die Erhaltung der frei e n Advokatur in D e ut s chland durch Ablehnung einer geschlossenen Zahl von Anwälten.
Seine starke Neigung zur Theorie u n b Rechts- w >i ssenschaft war, wie bereits oben hervorgehoben ist, erkennbar in der ursprünglichen Absicht, die akademische Laufbahn zu beschreiteu. Sein wissenschaftlicher Sinn und seine rechtsschöpserische Kraft fanden in einer Reihe hervorragender rechtswissenschast- licher Arbeiten ihre Betätigung, die seine Meisterschaft in der juristischen Methode erweisen und für seine stets in den Vordergrund gerückte Auffassung zeugen, daß Theorie und Praxis nicht verschieden sein dürfen, sondern eine natürliche Einheit bilden müssen. Seine erste wissenschaftliche Arbeit im Jahre 1889 schöpfte ihren Gegenstand aus seiner praktischen Tätigkeit als Gerichtsassessor. Der Titel lautet: „Das Wesen der Dinglichkeit. Ein Beitrag zur a l l g e m einen Rechtslehre u n d z u r, Kritik des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für • b a § deutsch e Rer ch." Diese Erstlingsarbeit erregte in Wissenschaft und Praxis und in der Gesetz- gebmrgskommission berechtigtes Aussehen und ist nicht ohne Ei n - s l u ß aus die U m -g e st a l t u n g des e r ft e n Entwurfs gewesen. Mit dieser Arbeit war sein wissenschaftlicher Ruf begründet. Es folgte sein groß angelegter „K o m m entar z u den g r und- rechtlichen .Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (G r u n d b u ch r e ch t)", der von 1899 ab in Lieferungen erschien und 1902 vollendet war, ein Werk, das nach Form und Inhalt deu höchsten wissenscha,Wichen Anforderungen entspricht, durch die souveräne Beherrschung des Stoffes und durch die Fülle der Gedanken die Wissenschaft des materiellen Grundbuchrechts bereichert und eine Fülle von Anregungen für Theorie und Praxis geboten, freilich auch in einigen seiner grundlegenden Anschauungen sowohl in der Wisseuschast wie auch in der Praxis erheblichen Widerspruch erfahren hat. Gerade dieser Umstand veranlagte ihn immer von neuem, die von ihm vorgetragene Lehre nachzuprüfen und von neuem zu bearbeiten. So entstand sein Aussatz über „Die Probleme des Sachenrechts" und „Zur Frage von der Dinglichkeit der Miete und Pacht" (G r u ch o t s Beiträge Band 4 6. 5 4 9, 840), feine Abhandlung in der Leipziger Zeitschrift 1914 ,,Z u r Lehre von d e r Vor m e r k u n g" und 1917 seine 178 Seiten umfassende Schrift über die „G r u n d b e g r i s f e des Sachenrecht s". Diese ist seine letzte große wissenschaftliche Arbeit gewesen, in der er noch einmal die von ihm schon in seinem Erstlingswerk, in seinem „Grundbuchrecht", und späteren Arbeiten ausgestellten Leitsätze des Sachenrechts mit vollem wissenschaftlichen Rüstzeug, in klarer Darstellung und schöner Sprache entwickelt mit dem Ziele: „Das S h st e m d e s S a ch e n r e ch t s und d e s f e n G r u n d b e g r i s s e seien so zu entwickeln, daß schu tzb ed ü rf t i ge und s ch ü tz e n s w e r t e Interessen nicht, ohne daß das Gesetz dazu zwingt, u n g e s ch ü tz t bleibe n." Auch in dieser Abhandlung verbindet sich das Gelehrte mit dem Praktischen, indem er mit Recht hervorhebt: „Dabei handelt es sich nicht etwa um unfruchtbare Konstruktionen, um bloße Doktorsrageu, sondern um Be- griffe, die zwar theoretisch begründet sein sollen, die aber in Fragen von eminent praktischer Tragweite ausklingen."
Seit einer Reihe von Jahren war er auch M i t h e r a u s g e b e r der „I u r i st i s ch e n W o ch e n s ch r i f t", für die er sehr beachtenswerte Kritiken der Entscheidungen des Reichsgerichts verfaßte und Einzelsragen aus der Praxis erörterte.
Diese seine wertvollen wissenschaftlichen Arbeiten begründeten mit Recht seinen Ruf als Autorität aus dem Gebiete des Grundbuchr-echts. Deshalb veranlaßte ihn auch die Deputation des Juristischen Tages im Jahre 1910 auf der Tagung in Danzig, das Referat über eine diesem Gebiete ungehörige Frage zu erstatten.
Die Preußische Justizverwaltung ließ sich eine solch hervorragende Kraft schließlich nicht entgehen. Freilich, bei der Verleihung des Notariats wurde auch er als Jude übergangen und erhielt es erst 24 Jahre nach bestandenem Assefsor- examen im Jahre 1906, doch wurde er in demselben Jahre dadurch geehrt, daß er als erster und einziger Jude. in die g r o ß e E x a m in a t i o n s p r ü s un g s k o m m i s s i o n s ü r d a 3