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prallen nn dem jungen Menschen ab: Juda ist unser Tod­feind!

Geheimrat Tr. Johannes legt in einem mehr als zwei- stündigen Gutachten klar, das; der Talmud kein Gesetzbuch, sondern ein literarisches Sammelwerk ist. Tie Schwierigkeit der Materie sei so groß, daß selbst jüdische Gelehrte sich oft schwer nur zurechtfinden können. Es sei also selbstverständlich, daß jeder, der ohne genauestes Studium leichtfertig einen Latz herausgreift und^ihn übersetzt, Miß­verständnissen Tor und Tür öffnen muß. Ter sachverständige zeugt diese Leichtfertigkeit der Uebersetzung des Angeklagten an einigen Bei­spielen und kommt zu dem Schlüsse, daß im Talmud bei sinngemäßer Uebersetzung oft das Gegenteil von dem gesagt werde, was in miß­brauchten, aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten zum Ausdruck komme. Auch nach talmudischer Anpassung ist jede unsittliche Handlung an einer nichtjüdischen Frau sündhaft und strafbar.

Der Angeklagte richtet an den Sachverständigen eine Reihe von Fragen, darunter die, ob mosaisches Gesetz und Talmud dasselbe

E en. Der sachverständige verneint diese Frage entschieden. Es ndelt sich beim Talmud um Traditionelles. Genau so wie bei der christlichen, griechischen und heidnischen Tradition nicht alles richtig

! el so sei es auch bei der jüdischen. Selbst -bei den Kirchenvätern ände man Stellen, die anstößig ausgelegt werden könnten. Ter Talmud sei eben das Werk seiner Zeit, von Menschen erschossen, von Aienschenverstand ausgedacht. Ein Irrtum sei also nicht aus- geschlopen.

Der Angeklagte fragt zwei bis drei Stunden weiter.. Mit sel­tener Ruhe und Geduld antwortet der Sachverständige:D a müssen Sie eben tiefer in die Materie hinein- steigen." Und der Angeklagte schweigt um eine neue Frage zu stellen.

Rechtsanwalt Levinger greift oft geschickt ein. Das macht die Verteidiger des Angeklagten nervös. Es kommt zu erregten Zusammenstößen:Herr Kollege Levinger spielt hier die Rolle des Staatsanwalts, das kann sich der Verteidiger des Angeklagten nicht gefallen lassen!"

In der Nachmittagssitzung setzte der Angeklagte die Verlesung von Zitaten fort. Sachverständiger Tr. Johannes erklärt wiederholt, daß das Wort Hillels:Was du nicht willst, daß man dir tu, das füg' auch keinem anderen zu!" Grundlage der jüdischen Sittcn- gesetzgebung ist.

Nach mehr als sechsstündiger Verhandlung stellt die Verteidigung des Angeklagten den Antrag, als weitere Gutachter den Privat- gelehrten E. Vischoff (Leipzig) und Profesior Stratmann (Erlangen) zu bestellen. Das Gericht lehnt den Antrag ab.

Ter Staatsanwalt beantragte 1000 Mark Geldstrafe an Stelle einer verwirkten Gefängnisstrafe von 80 Tagen. Die Verhandlung habe ergeben, daß der Angeklagte nicht ausklären, sondern hetzen wollte.

Rechtsanwalt Levinger arbeitete in einedrucksvollem Plaidoyer heraus, daß auch der § 186 N^tGB. (üble Nachrede) zur Anwen­dung wmnren müffe, unterstreicht die leichtfertige und gewissenlose Art derartiger Angriffe und beantragt Freiheitsstrafe.

Ungefähr um 8 Uhr abends sind die Plaidoyers beendet, der Gerichtshof zieht sich zurück. Nach eirrstündiger Beratung wird folgendes

Urteil

verkündet:

Möller ist zweier Vergehen gegen § 166 StGB. (Be­schimpfung einer Religionsgcscll schuft) in Tateinheit mit einem Vergehen der Beleidigung und der üblen Nach­rede gem. §8 185, 186 StGB, schuldig. An Stelle einer verwirkten Gefarrgnrsstrafe von 26 bzrrr. 30 Tagen Ge­fängnis wird er zu 200 und 300 Reichsmark Geldstrafe und zu den Kosten des Verfahrens eittschlicstlich der dem Nebenkläger erwachsenen 'Auslagen verurteilt. Ferner wird auf Einziehung der betreffenden Ieitnngsnummer und Ver­nichtung der Platten erkannt. In der Urteilsbegründung weist der Vorsitzende ausdrücklich darauf hin, daß keine Be­stimmungen i mTa l mud und Schulchan Aruch vor­handen seien, aus denen hervorgehe, daß die Schän­dung nicht jüdisch er Frauen erlaubt oder gar zu p Pf l i ch t g e m ach t w e r d e. Es sei kein Wort, darüber zu ver­lieren, daß der Angeklagte mit seinen Behauptungen die jüdische Religionsgesellschaft treffen wollte. Der gute Glaube müsse ihm abgesprochen werden, auch genügt der Vorsatz und das Bewußtsein des beschimpfenden Charakters und seiner Aeußernngen. Im Falle der Beleidigung des Rabbiners Ksinski sei der Be­weis von der Wahrheit der über diesen ausgestellten Behauptun- gen in keiner Weise erbracht worden. Dem Angeklagten sei ledig­lich zugute zu halten, das; er noch nicht vorbestraft sei. Daher, habe man es an Stelle einer verwirkten Gefängnisstrafe bei einer Geld­strafe bewenden lasten.

Zu neuen Taten reizte es die Freunde des Angeklagten. Auf der Straße wurde Rechtsanwalt Levinger von einen; Dutzend jugendlicher. Burschen angepöbelt. Als die Polizei erschien, ver­schwanden d i e H c l d e n, in Bamberg ebenso feige wie in Berlin.

Sckilöa m Derlin.

Dev Kampf um Max LLelrermarrn.

In der Berliner S t a d t v e^r o r d n e t e n v e r s a m m l u n g har die deutsch nationale ^-tadtverocdmttensraktion, _ als der Magistrat beantragte, Max L i e b e r m a n n^aus Anlaß .seines 80. Geburtstages zum Ehrenbürger der L t a d t Berlin zu ernennen, der öffentlichen Verhandlung widersprechen und vertrau­liche Beratung verlangt. Auf Grund von Nachrichten, die aus diesen Beratungen an die Oefsentlichkeit gedrungen sind, ist von seiten der deutschnationalen Herren der Widerspruch gegen die Ernennung Max Liebermanns lediglich mit Erwägungen juden feind, licher Art begründet worden.

Es entspricht ständiger Uebung gewisser politischer Kreise, daß ihre p o l i t i s ch e W e i sh e i t aufhört dort mitzusprechen, wo ihre j u d e n f e i n d l ich e Gesinnung Anlaß zur Betätigung zu finden glaubt. Bei den meiften Fällen dieser Art geht man, so lange kein unmittelbares Unheil dadurch verübt wird, zur Tages­ordnung über. Es ist deshalb außerordentlich wertvoll, an einem besonderen Beispiel feststellen zu müssen, welet^eu Grad der Kritiklosigkeit und der Fähigkeit, sich selbst zu beschämen, die Judenfeindlichkeit hervorzurusen geeignet ist.

Tie Stadt Berlin erfüllte die selbstverständliä)e Ehrenpflicht Ehre für die Stadt, wie Ehre für den Meister, den u ube­st r i t t e n a n g e s c h e n st e n Maler Deutschlands der Gegenwart aus Anlaß seines 80. Geburtstages zum Ehren­bürger zu ernennen. Was bedeuten jedoch den Herrschaften mit dein Schädelzirkel und dein Llutreagenzglas Liebermanns Leistungen? Er Jude und deshalb der Ehrung durch eine deutsche Stadt un­würdig. Was berührt ihr primitives Empfinden die Tatsache, daß ein so deutscher Dichter wie Dehmel von Liebermann sagt, daß er nicht bloß ein wertvoller Maler, sondern Airgleich, auch wenn er Jude ist und in Paris auf die Schule ging, einer der reinsten deutschen Künstler sei, die sich je in der Nationalgalerie aufhängen ließen", und daß keiner wie er die norddeutsche Landschaft zu erfassen und darzustellen vermocht habe. Beim Geburtsschein hörte für die deutschnationalen Stadtväter der Kunstverstand aus und sie dekre­tierten: Liebermann verdiene nicht, Ehrenbürger z n w e r d e n.

Die Bürger von Schilda hatten den Beschluß gefaßt, daß die Sonne auch im Sommer pünktlich um sechs Uhr unteraehen solle. Aber sie schien doch!

Der schwarze Mann.

Landbund und Dr. Wolfgramm.

Im Po mm er sch en Landbunde geht es seit einiger^ Zeit etwas unruhig zu. Ein Tr. Wolsgramm leckt gegen den Stachel und hält zahlreiche Versammlungen in Pommern ab, in denen er die Bauernschaft zum Widerstand gegen den Landbnnd aufsordert und zu organisieren sucht. Bedarf es überhaupt einer Erwähnung, daß Juden und Judentum mit diesen Vorgängen so wenig zu tun haben wie etwa ein Würmlein mit Kants philosophischen Schritten? Aber wäre der Jude nicht da, müßte er erfunden werden. Und so veröffentlicht der Landbnnd in seinem Organ und mit ihm die geistesverwandteKösliner Zeitung" (Nr. 141 vom 20. Juni) aus der Feder eines Bauernhosbesitzers Voesch (^chübben) einen in seiner Logik wahrhafterschütternden" Aufsatz. Danach haben die Juden die Absicht,verkrachte Güter und Bauernhöfe zu über­nehmen". Dnnn muß derJude" auch Leute haben, die etwas von dem Kram verstehen. Und deshalb (man höre und staune!) lernen etwa 1000 jüdische junge Menschen die Landwirt- schüft. Vielleicht verrät uns Herr Voesch, an welchem Orte in Deutschland dies vor sich geht? Aber noch weiter: Im Hintergründe (des Wolfgrammschen Vorgehens) steht, dies weiß Herr Voesch ge­nau, der Jude und freut sich, das; cs ihm wieder einmal gelungen ist, durch seine vorgeschobenen Leute, zu denen Tr. W. auch zu gehören scheint (scheint" ist köstlich. Tie ^christleitung), den überaus gefürchteten Widersacher, den Landbnnd, ins Wanken zu bringen."

Wankt der L a n d b u n i> wirklich schon? Das Zetergeschrei und dieser plumpe Angriff ausgerechnet aus das Judentum lassen cs fast meinen. Wenn die Anhänger des Landbnndes durch solche würde- lose Kampscsweise ihrer Freunde an ihren; Bunde irre werden, haben die Juden wirklich keine schuld.

Die Wahlen in Mecklenburg-Strelitz.

Schwere Verluste Der Völkischen.

Am 3. Juli 1927 fanden in M e ck l c n b u r g - S t r e l i tz und dein dazugehörigen Ratzeburg die N e u w a h len für den L a n d - t a g statt. 60 bis 70 Prozent der Wahlbeteiligten gaben ihre stimme ab. Die Völkischen (Teutschvölkische Freiheitsbewegung, Richtung GrafeWolle) verloren die Hälfte ihrer früheren Stimmen und damit zwei Sitze. Tie Kommunisten konnten nur etwa ein Drittel der früheren Stimmen anfbriugen und büßten infolgedessen vier Sitze ein. Auch die D e u t s ch n a t i o u a l e n erlitten beträchtlichen Stimmenverlust, gewannen aber infolge des eigenartigen Ver­teilungsschlüssels für die Maudatsverteilung einen Sitz. Ten größten Zuwachs erfuhr die Sozialdemokratie mit säst 4000