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Serlin , ö . September 1 - L -
VIII . Jahrgang * Ar . 36
Einzelnummer 20 Pfennig
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2,50 RM . ( zuzügl . Bestellgeld )
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Lei - und Sorgen im Heiligen Land .
I » Palästina , auf das sich die Hoffnung so vieler bedrängter uud verfolgter Juden aus alle »
Ländern richtet , wüten Pogrome : Weit über hundert jüdische Menschenleben sind schon vernichtet
worden , und noch immer ist das Ende der Freveltaten schwer abznsehen . Tiefstes Mitgefühl ergreift
nicht nur jeden Inden , sondern jeden gerecht Denkenden Menschen , der die Nachricht über diese - >
Tötung friedlicher und arbeitsamer Menschen vernimmt . Wir bedauern auch diejenigen Araber ,
die , von verantwortungslosen Führern ausgehetzt , Opfer ihres fanatischen Vorgehens geworden
sind . Unsere Religion kennt nicht Hast und nicht Rache . Wir fühlen mit allen , die unglücklich und
elend sind und beklagen es darum änfs tiefste , dast es nicht gelungen ist , sachliche Streitigkeiten
friedlich zu klären . Man mag zu der Politik der Zionisten stehen , wie man will : an diesem
Blute find sie unschuldig . Denn immer haben sie , bis ans ganz wenige Kreise ,
den Frieden und die Freundschaft mit den Arabern gewünscht . — Die gebildete Welt
ist entsetzt über die Untaten , die geschehen sind ! Wir hofsen zuversichtlich , dast bald den
Inden überall aus der Welt und auch in Palästina der Frieden werden möge , den die
Gesamtjndenheit stets als Ziel ihrer letzten Wünsche betrachtet hat . I » . H .
Zur Lage .
Von Kammergerichtsrat Dr . I . Stern ( Berlin ) .
In Palästina sind Araberunruhen von sol¬
chem Umfange ausgebrochen , daß man von einem '
A u f st a n d e sprechen kann . Auch aus den an¬
grenzenden Ländern , wie Transjordanien und
Syrien , erhält er Zuzug . Die Zahl der Toten
und Verwundeten geht in die Hunderte . Unter
ihnen - sind Juden , Mohammedaner , Christen .
Wie stets bei solchen Ereignissen : sie machen nicht
halt bei denen , gegen die sie zunächst gerichtet
waren . Ein Gefühl der Trauer und der Em¬
pörung geht durch die Welt . Es ergreift nicht
nur die Juden aller Richtungen , sondern jeden
Kulturmenschen . Tenn Palästina ist die Heimat
der Religionen und der Sitz uralter Kultur , mit
der die Entwicklung Vorderasiens , Europas und
Amerikas verknüpft ist .
Als ich im Herbst 1924 Palästina bereiste
und unter sachkundiger Führung die jüdischen
Siedlungen in allen Teilen des Landes besuchte ,
war die Erinnerung an die blutigen Unruhen
des Jahres 1920 noch wach , und mancher sprach
von dem als Held gefeierten Trumpeldor , der
damals mit vielen anderen bei den Kämpfen
in Galiläa gefallen war . Man sprach auch
von der Möglichkeit der Wiederkehr solcher Er¬
eignisse , vom Selbstschutz namentlich in den ver¬
einzelt liegenden Siedlungen , von den englischen
Fliegergeschwadern , deren Bomben Araber - und
Beduinenschwärme bei ihren Angriffen aus
Kolonien zersprengt , znm Teil geradezu ver¬
nichtet hätten . Was sich aber jetzt ereignet hat ,
übertrisft alle Befürchtungen .
Wie konnte es zu diesen beklagenswerten
Ereignissen kommen , die sich Zunächst unmittel¬
bar zwischen Juden und Arabern abspielten ?
Tie Vorgänge an der Klagemauer , dem Rest
des Tempels Salomos , einer hochheiligen Stätte
des Judentums , in unmittelbarer Nähe der
mohammedanischen Heiligtümer auf dem einsti¬
gen Tempelplatz , sind nur der äußere Anlaß .
Tie behördliche Entfernung der spanischen Wand
an der Klagemauer anläßlich des vorjährigen
Versöhnungstages auf Verlangen des Groß -
Musti von Jerusalem , die mohammedanischen
Neubauten dicht an der Klagemauer , die
Störung des jüdischen Zuges zur Klagemauer
am diesjährigen Gedächtnistage der Zerstörung
Jerusalems durch demonstrierende Araber haben
dazu beigetragen , die bestehende Spannung
zwischen Juden und Arabern zu verschärfen .
Tie englische Polizei blieb vielfach passiv oder
wandte sich , wie beim Leichenzuge des ersten
Ln dieser Nummer
finden Sie :
Seite 478 . Artur Schweriner :
„ Araber und . Juden “ . —
Seite 479 . Dr . Ludwig Hollän¬
der : „ Prozess in Oranien¬
burg “ . — - Seite 482 . Dr . Gertrud
Bäumer : „ Ein Politiker des
Gedankens “ . — Seite 482 .
Robert Neumann : „ Felix
Salten — sechzig Jahre alt “
u . a , in *
jüdischen Todesopfers dieses Jahres , gegen die
Inden .
Erst in den letzten Tagen , als der volle Ernst
der Lage durch den allerorten in Palästina aus¬
lodernden Aufstand sichtbar wurde , begann Eng¬
land seine großen militärischen Machtmittel
einzusetzen . England wird des Aufstandes in
Palästina Herr werden . Englands „ Kolonial¬
geschichte " ist reich an Beispielen — man denke
an den Riesenaufstand in Indien vom Jahre
1957 — , die zeigen , daß der „ Herr über Asien "
regelmäßig erst spät , wenn schwere Verluste an
Leben und Eigentum eingetreten sind , auf dem
Plan erscheint und die Ausstände in Blut —
heute wohl auch in Giftgas — erstickt . Tie
Opfer sind schließlich die verhetzten , irregeleite¬
ten Massen . Tie im Hintergrund planmäßig
arbeitenden Erreger der Unruhen wissen sich
fast immer in Sicherheit zu bringen . So wird
es anch bei diesem Araberausstand gehen .
An sich ist der Araber kein Feind des Juden .
Im Verlauf ihrer langen , ruhmreichen Ge¬
schichte sind die Araber oftmals mit den Juden
in freundschaftliche Berührung gekommen . In
Palästina fühlen sie . sich vielfach durch die Zio¬
nisten in ihrem Landbesitz gefährdet , aber auch
in religiöser Beziehung bedroht , z . B . durch
völlig unwahre Gerüchte . Das Märchen von der
geplanten Umwandlung der den Mohammedanern
heiligen OmarBNoschee auf dem Tempelplatz in
eine jüdische Gebetsstätte . , eine der denkbar
plumpesten Erfindungen , hat unendlich viel zur
Erregung der Gärung unter den Arabern
beigetragen : dabei müssen wir immer die
Zahlenverhältnisse der Bevölkerung Palä¬
stinas vor Augen hüben . Nach der letzten .