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Von Dr. Gertrud Bäumcr.
Man hat sich gewöhnt, das Schicksal Friedrich Naumanns als Politiker mit dem Worte „tragisch" zu bezeichnen. Für alle diejenigen, die seine Mitarbeiter gewesen sind, nicht nur in optimistischen, vielleicht sogar illusionsseligen Anfangszeiten, sondern auch in dem Jahrzehnt vor seinem Tode, enthält diese Charakteristik neben ihrer besonderen Wahrheit doch einen Zug von Sentimentalität, der nicht zu ihm paßte.
Tragisch ist sein Leben insofern, als das deutsche Schicksal selbst tragisch war und diese Tragik alle diejenigen besonders trifft, die besondere Verantwortung getragen haben. Als persönliches Schicksal war es nur für den tragisch, der das Leben und Werk des Politikers nach dem sofortigen Erfolg beurteilt.
Ein solcher Erfolg war Friedrich Naumann allerdings nicht beschieden, es sei denn, daß man seine große Vertrauensstellung während des Krieges und als Verfasser des Buches über Mitteleuropa als einen Erfolg ansieht. Dieser Erfolg aber brach mit dem Kriegsende zusammen. Die „Vision Mitteleuropa" hatte mit einem anderen Kriegsausgang gerechnet. Aber Mitteleuropa war in dem politischen Werk Naumanns nur sozusagen eine Gelegenheitsarbeit. Es mußte jemand den Phantasten und Annexionisten ein vernünftiges, durchdachtes Kriegsziel gegenüberstellen. Es mußte der Sinn des mitteleuropäischen Bündnisses im Weltkrieg gedeutet werden. Die „Generalidee" in Naumanns politischem Leben war dennoch eine andere. Innerhalb ihrer war die Außenpolitik und die äußere Macht Deutschlands zwar Bedingung, aber der Kern war doch die innere Umgestaltung des Klasseustaates zur Demokratie.
Gegen Naumanns Vision von der deutschen Demokratie kann der übliche und beliebte Einwand von der Nachahmung „westlicher formaldemokratischer Ideen" nicht geltend gemacht werden. Sie entstand nicht aus Enthusiasmus des politischen Theoretikers für bestimmte Nechtsideen, sondern aus einem lebendigen vielumsassenden Volksbewußtsein.
In diesem Volksbewußtsein verband sich in einzigartiger Weise die große Intuition für das seelische Leben in all seinen verschiedenen Aeußerungeu und Ausdruckssormen und eine wissenschaftlich geschulte lebendige Anschauung der sozialen und wirtschaftlichen Wirklichkeit. Diese Verbindung einer umfassenden Intuition mit einem strengen Tatsachensinn kennzeichnet den Politiker Naumann vor allen anderen Figuren, die in Deutschland-über den politischen Schauplatz gegangen sind.
Er fühlte den inneren Rhythmus des Maschinenzeikalters, sah seine seelischen Wirkungen, seine Arbeit an den Weltanschauungen, ahnte seine künstlerischen Ausdrucksformen und versuchte zugleich mit äußerster statistischer Gewissenhaftigkeit seine wirtschaftlichen und sozialen Wirkungen sich gegenwärtig zu halten.
Politik aber konnte in der Vorkriegszeit für alle, die nicht durch Geburt und Überzeugungen zu einer Machtstellung in der Regierung gelangen konnten, nur Parteipolitik in der wesentlich kritischen und negativen Rolle des früheren Reichstages sein. Bei solcher Einengung mußte das, was Friedrich Naumann vertrat und wollte, naturgemäß begrenzt und verschoben erscheinen. Seine Wirkung konnte
sich nicht in der begrenzten Rolle eines Partei- ofsiziers ausleben und erschöpfen. So. wie ein Freund zu seinem Gedächtnis gesagt hat, daß seine Gestalt als evangelischer Christ nicht in die Geschichte der protestantischen Theologie, aber in die Geschichte der deutschen Frömmigkeit hineingehört, so kann man sagen, daß seine Gestalt als Politiker nicht in die Parteigeschichte, sondern in die Geschichte des politischen Willens und des politischen Volksbewußtseins in Deutschland hineingehört. So liegt seine Wirkung nicht in der Sphäre der beweisbaren praktischen Erfolge, sondern in der Sphäre der fruchtbaren Gedanken, der neuen Maßstäbe, der großen schöpferischen Anschauungen.
Seine Vision des deutschen Volkes, seiner Bestimmung und seiner Kraft war vollkommen frei von jeder „völkischen" Enge. Davor' bewahrte ihn nicht nur sein Gerechtigkeitssinn, sondern viel mehr noch seine weltpolitische Einstellung und sein Verständnis für den Eigenwert der mannigfaltigen zur deutschen Nation gehörigen Kräfte und Gruppen. Sein religiös begründeter sittlicher Idealismus hat ihn mit manchen jüdischen Trägern des gleichen Idealismus in herzlicher Freundschaft zusammengeführt. Er hat für fein Werk in den verschiedenen Phasen feiner rein sozialen und späteren politischen Entwicklung viele Hilfe von solchen Freunden gewonnen. Sie haben zum engsten Mitarbeiterkreis der „Naumanngemeinde" und der „Hilfe" gehört.
Aus solcher Verbundenheit der Arbeit und Gesinnung heraus ist er stets und ganz besonders während des Weltkrieges ein entschiedener Kämpfer gegen den Antisemitismus gewesen. Er hat insbesondere wieder und wieder, auch in seinem Buch „Mitteleuropa", aus die Bewährung der jüdischen Volksgenossen im Kriege hingewiesen, und es war für ihn selbstverständlich, daß diese Bewährung ihre Verpflichtungen seitens der Nation in sich schloß.
Das alles brauchte vielleicht gar nicht erwähnt zu werden, wenn nicht das von Naumann für seine politische Idee erstmalig ge-
SCHOKOLADEN UND | ERFRISCHUNGSWAFFELN
ZARTE BISKUITS
lEIBNIZ-
Keks
Enthält nur feinste Molkereibutter
SCHOKOLADEN UND |
prägte Wort „national-sozial" in der Folge n diese antisemitische Verengung erfahren hätte. @ Naumann war vollkommen frei von ihr. Es jj hat keine Etappe seines politischen Weges ans dem christlich-sozialen in den demokratischen 8 Kreis gegeben, in der er seine Ausgabe in 11 diesem engen Sinne als „völkisch" ausgesaßt hätte.
Die Fruchtbarkeit und Lies begründete geschichtliche Sicherheit seiner G e d a n k e n enthüllt sich h e u t e auf nt a nch e n Gebieten. Vielleicht wird die E n t wi cklun g a uch dahin k o m ui e n, daß das Wort „n a t i o n a l - s o z i a l" seinen weiten u n d freien Sinn w i e d e r g e w i n n t.
Stils Lallen - sechzig Sichre alt ?
Felix Salten nehme das Fragezeichen an sich schon als eine Gratulation. Tenn gibt es Jubilanten, deren fast schon wieder vergessenen Erdeuwandels man sich daun erst in leiser Beschämung erinnert, wenn sie —zig Jahre alt werden (und das müssen manchmal nicht mehr als fünfzig sein) — es gibt andere, denen man weissagen kann, daß man obiges Fragezeichen gleich ungläubig auch noch hinter die Feststellung ihres achtzigsten Geburtstages setzen wird. Sc ist nun also tatsächlich auch Felix Salten ein Sechziger, lieber das, was er geschaffen hat, wird eben jetzt in der Tagespresse so viel zu lesen sein, daß wir uns durch den Hinweis aus sie von einer literarisch-kritisch-hymnischen Würdigung seines Werkes als enthoben erachten.
Uns interessiert hier der Mann, uns interessiert der Typus. Wie er literarisch in die Nähe Arthur Schnitzlers zu reihen ist, so wurzelt auch seine Person in Schnitzlers Sphäre: er ist die glückliche Inkarnation jenes österreichischen Judentums, das, in liberaler Aera blühend, einen kleinen literarischen Staat und eine Aristokratie neben der Aristokratie des alten Reiches gebildet hat. Aber diesen Zirkel verwurzelten, verfeinerten, kultiviert patriotischen und aufrecht zu seiner Abstammung sich, bekennenden Großbürgertums gibt cs heute nicht mehr: politischer Vorkriegs-Antisemitismus hat in ihn Bresche gelegt, Krieg hat ihn gesprengt, Inflation hat seinen Wohlstand zerrieben — geblieben sind Einzelgänger, spärliche, immer spärlicher werdende, die ihren gedämpften Protest gegen den Lärm der Zeit nur darin zum Ausdruck bringen, daß sie sich von eben diesem Lärm in ihrer guten Haltung nicht beirren lassen. Sie sind (wie Juden oft) die eigentlichen Konservativen: sie bekämpfen nicht Geräusch mit Geräusch.
Uns interessiert hier der Typus. Sein Bild wäre nicht zu Ende gezeichnet, gedächte man nicht einer für diesen Typus charakteristischen, in seinem Besten, im Ideellen verwurzelten und den Realitäten ein wenig abholden Eutflamm- barkeit — einer Entflammbarkeit, die einen Manu wie Salten geradezu zwangläufig dazu führen mußte, der zionistischen Idee einer friedlichen Eroberung Palästinas trotz ihrer real- politischen Aussichtslosigkeit, ja vielleicht gerade wegen ihrer 'realpolitischen Aussichtslosigkeit die volle Bewunderung eines begeisterungsfähigen und jung gebliebenen' Menschen zu widmen, j Trotz und wegen ihrer Aussichtslosigkeit: denn j die "erst stempelt dem ästhetisch, dem geistig | Wertenden die Bemühung zum Heroismus. | Und es ermangelt nicht eines gewissen Humors. | daß die Zionisten Felix Salten eben aus diesen! ] Mißverständnis und weil sie seine Sozial- 1 Ideologie mit realpolitischem Bekenntnis ver- | wechselten — daß sie, sage ich, Felix Salten lange Jahre lang als einen der Ihren auszugeben beflissen sein konnten. So lange, bis Salten vor kurzem anläßlich einer Gedenkfeier für Theodor Herzl vor einen: zionistischen Auditorium in einer freimütigen Rede sehr eindeutig sich als Nicht-Zionist erklärte, als Deutsch-Oesterreicher, §