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Blätter für ^eutfektum und Jiitoitmn,

BierteliahrSabonnemeut 2,50 RM. (zuzügl. Bsstellgew).

Berlin, ii.Jutt 1-3- IX. Jahrgang * Nr. 2-

Einzelnummer 2- Pfennig

-ryan des tentralVereinsdeutfekex^ Ltaaksdüryer Mdifcken ölaubens e.v.

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.Emvmdungen Andersdenkender dürfen nicht verletzt »erden" (Artikel 148, Matz 2 der Reichsverfafjnnch.

In der großen Eisenacher Kundgebung und in den drei Berliner Kundgebungen des C. V. gegen die Uebergriffe des thüringischen Innenministers Dr. Frick wurde eine Ent­schließung angenommen, in der es u. a. heißt:

Die Anwesenden legen Protest ein gegen die Verfassungsverletzung, die sich der thüringische Innenminister Dr. Frick mit seinen Verordnungen, insbesondere der über Deutsches Schulgebet", hat zuschulden kommen lassen. Wir erwarten von den Hütern der Reichsversassung, dem Herrn Reichspräsidenten, dem Reichskabinett und dem ver­antwortlichen Herrn Reichsinnenminister, daß sie diese Verfassungsverletzung ahnden, den verfassungsmäßig gesicherten Anspruch der thüringischen und deutschen Juden aus Gleich­berechtigung Gewähr leisten und ihn gegenüber der widerstrebenden Länderinstanz durchsetzen."

Diese Entschließung wurde dem Wunsch der Versammlungen gemäß dem Herrn Reichspräsidenten und dem Herrn Reichsinnenminister sofort zugeleitet. Der Herr Reichs­präsident hat mitgeteilt, daß er unsere Beschwerde an den Reichsinnenministr weiter­geleitet habe.

Der Herr Reichsinnenminister hat folgenvermatzen geantwortet:

Reichsminister des Innern Berlin NW 40, 3. Juli 1930.

Nr. III 3250/19. 6. a u. b.

An den Eentralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens e. V.,

Berlin SW 68.

Betrifft: D i e Thüringischen Schulgebete.

Aus das an das Bureau des Reichspräsidenten gerichtete, an mich zur zuständigen Erledigung abgegebene Schreiben vom 19. Juni 1930 sowie aus das Schreiben an mich vom gleichen Datum.

Auf die vorstehend näher bezeichneten Schreiben beehre ich mich ergebenst mitzuteilen, daß ich bereits unter dem 26. Mai 1930 bei dem Herrn Vorsitzenden des. Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich den Antrag gestellt habe, der Staatsgerichtshof wolle entscheiden, daß die im amtlichen Teile des Amtsblatts des Thüringischen Ministeriums für Volksbildung vom 22. April 1930, S. 39 und 40, veröffentlichte Empfehlung von Schulgebeten, foweit sie sich aus die Gebete Nr. 2, 3 und 4 bezieht, mit Artikel 148, Abs. 2, der Reichsverfassung nicht vereinbar ist.

gez. Dr. Wirth.

Wir nehmen aus der Antwort des Herrn Reichsinnenministers mit Genugtuung davon Kenntnis, daß, wie vorauszusehen war, der Herr Reichsinnenminister die Reichsversassung in ihrem Artikel 148, Absatz 2, durch den Hinweis des Herrn Ministers Frick ausdie art- und volksfremden Kräfte", gegen die die Schulgebete gerichtet seien, als verletzt ansteht. Der Artikel 148, Absatz 2, lautet:Beim Unterricht in öffentlichen Schulen ist Bedacht zu nehmen, daß die Empfindungen Andersdenkender nicht verletzt werden." Nachdem Minister Frick wiederholt im Haushaltsausschuß des Thüringischen Landtags, im Thüringischen Landtag selbst und im Reichstag erklärt hat, daß die Juden diese art- und volksfremden Elemente darstellen und daß sie zersetzend im deutschen Volke wirken, kann für jeden Rechtlichdenkenden es keinem Zweifel unterliegen, daß die Einführung zu den Schulgebeten, die durch das Thüringische Verwaltungsblatt bekanntgegeben worden ist, eine grobe Verfassungsverletzung darstellt. Wir hoffen zuversichtlich, daß der Staatsgerichtshof,. vor dem am 11. Juli Ver­handlung in Sachen der Schulgebete änsteht, Herrn Minister Dr. Frick die nötige Belehrung über den unverrückbaren Wortlaut der Reichsversassung geben und -zum mindesten die Ein­führungsverordnung zu den Schulgebeten als versassungsverletzend ansprechen wird.

Aationaljnden

und Sbwehrkamps.

Bon Rechtsanwalt Karl LöwensteLrr (Aachen).

Der Antisemitismus ist nicht erst in den letzten Jahren und Monaten entstanden. Er ist aber sichtbarer geworden. Wirtschastsnot und Arbeitslosigkeit sowie der mangelnde Erfolg der Regierung, diese schwierige Lage zu meistern, haben der Bewegung einen solchen Auftrieb ge­geben, daß niemand mehr ihre Gefahren übersehen kann. Die Leser derC. V.-Zeitung" wissen, daß die Notwendigkeit der Bekämpfung des Judenhasses schon längst bestanden hat; sie sind durch die Ereignisse, so schwer sie uns alle treffen, nicht überrascht. Von zionistischer Seite hat man dagegen den Abwehrkampf immer bagatellisiert, als etwas Belangloses oder gar Minderwertiges hingestellt. Der Antisemitis­mus werde so las inan in zionistischen Zei­tungen von selbst aufhören, wenn das jüdische Lebennormalisiert" sei, wenn also dasjüdische Volk", derNorm" entsprechend, wie andere Völker eine Heimat in Palästina habe und es den anderen Völkern als gleich­berechtigt gegenübertrete. Sei das Ziel des Zionismus erreicht, dieNormalisierung" er­folgt, so sei die Judennot beseitigt.

Heute sehen auch die Zionisten ein, daß wir auf die zionistische Lösung, die durch die Ver­hältnisse in Palästina in nebelhafte Ferne ge­rückt ist, nicht warten können.

So führt dieJüdische Rundschau" vom 20. Juni d. I. aus, daß der Zionismus auf die unerquickliche Situation des Antisemitismus eine Antwort gebe, deren Verwirklichung lange Zeitläufte" beansprucht.Man mag", so fährt sie fort,die zionistische Lösung als unzureichend oder als ungenügend ansehen, sicher ist, daß keine bessere vorhanden ist. In der praktischen Arbeit aber, zum Zweck der Milderung der schlimmsten Begleit­erscheinungen des Judenhasses, können diese letzten Ziele ausgeschaltet werde n."

Wir können uns über die Erkenntnis, die sich nunmehr in Zionistischen Kreisen anbahnt, nur freuen; denn uns kommt es in der Haupt­sache aus die praktische Arbeit im Ab­wehrkampf an und nicht auf utopische Theorien und nebelhafte Ziele.

Sobald aber die Zionisten im Abwehrkamps an die praktische Arbeit gehen wollen, geraten sie in Verlegenheit, weil sie infolge der jahr­zehntelangen Untätigkeit und Abstinenz vom Abwehrkampf keine Organisation besitzen, welche den Kampf übernehmen könnte. Weder die zionistische Organisation noch ihre Ge­meindeorganisation, die Jüdische Volkspartei, haben bisher irgend etwas gegen den Anti­semitismus getan; begreiflich, daß sie jetzt der neuen Aufgabe hilflos gegenüberstehen.

Weil ihnen eine eigene Abwehrorganisation fehlt, wäre es für die Zionisten, welche die Ab­wehr wollen, wohl das gegebene, die berufene