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Trauer um Ludwig Haas
Mit Ludwig Haas hat - das Deutschtum und
gleichzeitig das Judentum einen seiner allerbesten
Repräsentanten verloren . In kaum einem anderen
war die Synthese von deutsch und jüdisch so echt
und so vollkommen . Und nichts war natürlicher ,
als daß Ludwig Haas bei Ausbruch des Welt¬
krieges freiwillig zu den Fahnen eilte . Genau
wie ein anderer Jude , der bis dahin ihm im
politischen Kampf gegenüberstand , wie Ludwig
Frank . Das Schicksal der beiden sollte so ver¬
schieden aussallen ! Frank fiel in den ersten Tagen
bei Baccarat von einem sinnlosen Schuß in den
Kopf getroffen . Haas kam heil durch die stür¬
mischen Tage von Flandern . Was man wenige
Monate vorher kaum für möglich gehalten , was
selbst im Kriegsbeginn noch immerhin selten war :
der Jude von den badischen Leib¬
grenadieren erhielt das Eiserne
Kreuz I . Klasse und wurde
Offizier . Später sind es viele
geworden . Recht viele wurden es
auch später nicht , weil selbst die
Beispiele der Franks und
H a a s ' , die nach Tausenden zähl¬
ten , manche Rassenschnüffler nicht
belehren konnten . Und doch hat
gerade Ludwig Haas dem Ver¬
söhnungsgedanken in einem Maße
gedient wie kaum ein anderer .
Dazu war er besonders ge¬
eignet um seiner Liebenswürdig¬
keit willen . Er war liebenswürdig
und liebenswert . Eine geschlossene
männliche Persönlichkeit . Dabei
weich , entgegenkommend , versöh¬
nend und stets zur Versöhnung
bereit . Er betonte sein Judentum ,
und wir anderen achteten seine
- deutsche Männlichkeit . Die Front¬
generation aller Parteien hat ihn
als den Ihren betrachtet . Und in
den wüstesten Scheltreden der ex¬
tremen Nationalisten war immer
noch etwas von Respekt vor dem
tapferen Juden in deutscher Uni¬
form zu spüren . Ganz als den
Ihren betrachteten ihn die Kame¬
raden vom Reichsbanner Schwarz -
Rot - Gold . Sie haben an seinem Grabe die Ehren¬
wache gehalten . Sie haben ihm oft zugejubelt ,
wenn er in ihren Versammlungen sprach oder
als Mitglied des Reichsausschusses bei den Vor¬
beimärschen im Kreise der Führer stand . Er
trug die Windjacke und die Reichsbannermütze
nicht bloß als äußeren Schmuck . Ihm war es
um die Verteidigung der Republik im Innern
genau so ernst , wie ihm die Verteidigung des
Vaterlandes in Flandern und in Frankreich erne
heilige Sache gewesen war .
In früher Jugend hatte sich Haas der Politik
in die Arme geworfen . In der Umgebung der
Payer , Sonnemann , Hausmann und
V e n e d e y war er politisch reif geworden . Als
Stadtrat in Karlsruhe arbeitete er praktisch an
der Ausgestaltung der demokratischen Ideale .
Emsig agitatorisch tätig , überallhin willig fol¬
gend , wohin man ihn rief , um für die freiheit¬
liche Sache zu kämpfen . Als nach » der Okkupation
Polens für die Verwaltung des Landes jemand
gebraucht wurde , der nicht bloß mit Rat und
Tat , sondern auch mit dem Herzen die Angelegen¬
heiten der zahlreichen polnischen Juden betreuen
konnte , wurde Haas dem Generalgouverneur vor -
geschlagen und von ihm in die deutsch - polnische
Verwaltung berufen . Als deutscher Offizier und
Verwaltungsbeamter hat er damit seinem Vater¬
lande ebenso genützt , wie er seinen Glaubens¬
genossen ein gerechter Anwalt war . Wenn es
auch an Angriffen gegen ihn angesichts der
parteimäßigen Zerrissenheit des innerjüdischen
Lebens nicht fehlte .
Als das alte Reich zusammen¬
brach , eilte Haas in die Heimat
zurück . H u m m e l und er waren
die Leute des Vertrauens der
jungen Gruppen , die von den
Fronten Zurückströmten . Haas
übernahm das Ministerium
des Innern und zog in den
badischen Landtag ein . Er
wurde als Mitglied der neu¬
gegründeten Demokratischen Partei
auch Mitglied der National¬
versammlung und später des
Reichstags . Er war bis vor
wenigen Monaten der Vorsitzende
der demokratischen Fraktion .
Der unerwartet frühe Tod , der
ihn von einer Krankheit erlöste ,
die den Rastlosen vollkommen aus
jeder Tätigkeit entfernt hatte , hat
hier eine Bresche geschlagen , die
sich in kommenden deutschen
Entwicklungskämpfen schmerzlich
bemerkbar machen wird . Er hat
aus unserer Mitte einen Mann
gerissen , der nicht nur dem Beruf ,
sondern der Berufung nach ein
Anwalt des Rechts war , des
deutschen Rechts und des Rechts
der deutschen Juden auf ihr
Deutschtum . Georg Bernhard .