Line Unterlassungssünde.

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schickten sie dann an alle ihre entfernten Genossen, damit sie auch an der Versöhnung Theil hätten."

Im Christenthum steht die Versöhnung zum Osterfest und Opfertod Christi in Beziehung. Für die Juden ist bekanntlich das Passahfest die Feier der Befreiung aus der cgyptischen Sklaverei; ihr Osterfest hat also gar nichts mit Versöhnung durch das Blut eines Unschuldigen zu thun.

Bis in die neueste Zeit sind gegen Christen Blutbeschuldi­gungen erhoben worden und haben u. A. in China nicht nur im Jahre 1870, sondem auch 1891 und 1892 zur Niedermetzelung dort lebender Christen geführt. In dem von derFrankfurter Zeitung" am 20. September 1891 abgedruckten berüchtigten Mani­fest von Wuhu wurde wörtlich gesagt:

Sie sahen mehrere Leichen und getrocknete Knochen kleiner Kinder und auch 4 Zellen unter der Erde. Die Ent­deckung erregte Argwohn und die Leute regten Untersuchungen an. Die Barbaren, denen das Gewissen schlug, bestachen in ihrer Angst den Untermandarin Mo mit 40 Taels. Dieser schickte in Folge dessen 40 Soldaten zum Schutz der Kirche ab- Diejenigen, die hinein wollten, wurden mit dem Schwert zurückgetrieben. Die Beamten zwangen das Volk zu Ruhe­störungen, und das Volk konnte nichts Anderes thun rc."

Das Alles sind Dinge, welche ebenso bekannt sind wie die vielen christlichen Zeugnisse aus alter und neuer Zeit wider die Blutbeschuldignng der Juden. Wenn eine Unterlassungssünde be­gangen worden ist, so bestand dieselbe keineswegs darin, daß auf diese Dinge nicht besonders hingewiesen wurde. Fast zu allen Zeiten war die Blutbeschuldigung eine Waffe im Kampfe der religiösen Parteien. Treffend bemerkt dazu derAntisemitenspiegel":

Angeblich ist dieJudenfrage" keine religiöse, sondern eine wirthschaftliche. Wird aber gegen die Juden mit der alten Beschuldigung des Ritualmordes gearbeitet, die bisher noch gegen jede religiöse Minderheit gute Dienste gethan hat, so beweist dies entweder, daß trotz alledem und alledem die Judenfrage eine religiöse ist, oder daß der Antisemitismus sich wenigstens die er­erbten religiösen Vorurtheile gegen die Juden dienstbar zu machen sucht." V

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