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Im deutschen Reich.
und er wird nicht untergehen! — „Wie ist das denkbar?" könnte man verwundert fragen, „in Barby ein solcher Wandel?" — In der That hätte man es nicht für möglich halten sollen, und doch ist es so: auch bei uns beginnt „der deutsche Michel" aufzuwachen und endlich geht auch unfern Christen die Erkenntuiß auf, daß es Christenpflicht ist, den Christen zu unterstützen! — Dieser Umschwung ist natiirlich nicht über Nacht gekommen; sondern er hat seine Gründe! Es ist z. B. so mancher von dem so judenfreundlichen Publikum durch „unsere Lait" gar derb „über den Löffel barbiert" worden! Aber solche Rippenstöße machen ja mit der Zeit auch den schläfrigsten „Michel" wach, und man hat das Bedürfnis empfinden gelernt nach einem christlichen Geschäft! Fragt man heute in Barby: „Wo- kaufst Du Deine Kleiderstoffe?", so antworten die meisten: „Bei Scholz! denn der ist ein reeller christlicher Geschäftsmann!" — Die Gesinnung ist die. Hauptsache, und die ist deutsch in Barby! Sie schlief zwar lange Zeit; doch die Morgenröthe des Erwachens bricht allmählich an; die Anzeichen lehren es!
Was die Anzeichen lehrten und was den braven Barbyern trotz der auüsemitischen Empfehlung des „reellen christlichen Geschäftsmanns" früher klar geworden ist als den schwer geschädigten Gläubigern desselben, das zeigt eine am 16 . Mai d. I. hier in Magdeburg abgehaltene Landgerichtsverhandlung, ,über welche wie folgt berichtet wird:
Der Kaufmann Karl Scholz zu Barby, geboren 1869, eröffnete im März 1698 ein Schnittwaarcngeschäft, gerieth aber bereits am 2. Oktober 1899 in Konkurs. Dabei stellte sich heraus, daß er seine Handelsbücher unordentlich geführt und die vorgeschriebene jährliche Bilanz nicht gezogen hatte. Obwohl Scholz verheirathet war und bereits Wechselklagen undZ wangsvoll st reck un gen gegen ihn schwebten, unterhielt er seit Februar 1899 mit einerSängerininBerlineinLiebesverhältnitz. Er verlobte sich öffentlich mit ihr, veranlaßte sie, ihre Stellung aufzugeben, miethete ihr eine Wohnung für jährlich 625 Mk., kaufte für 215 Mk. Möbel an, machte ihr werthvolle Geschenke und unternahm mit ihr kostspielige Reisen. Ihrer« Neffen schenkte er ein Zweirad. Aus seinem Konkurse werden die nicht bevorrechtigten Gläubiger etwa 8% ihrer Forderungen erhalten. In der Verhandlrrng karn zur Sprache, daß Scholz auch Waaren bei Seite geschafft haben soll. Um dies aufzuklären, wurde Vertagung und Ladung von Zeugen, sowie die sofortige Verhaftung des Angeklagten geschlossen.