Briefkasten der Redaktion.
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B. 8., Breslau. Diese Sache wurde durch einen Vergleich erledigt, ohne, daß die „Staatsbürger-Ztg." gezwungen wurde, dem Beleidigten Genugthuung zu geben. In der Notiz, die das Anti- sernitenblatt am 8. Dezember v. I. veröffentlicht hatte, war für den bei der Stichwahl unterlegenen Herrn die Bezeichnung „Schnapsjude" gebraucht und den Juden zur Last gelegt worden, auf Stimmenfang ausgegangen zu fein und ihre Schuldner beeinflußt zu haben. Vor dem Verhandlungstermin bat der Redakteur Dr. Bötticher um einen außergerichtlichen Vergleich. Die Berichtigung, mit welcher sich die Redaktion abfand, bestand in vier Zeilen:
„Wir bedauern die Notiz über den Kaufmann N. N. in £. in Nr. 575 unserer Zeitung vom 6. Dezember 1899 gebracht zu haben."
In der Nummer vom 0. Dezember 189*.) war die Notiz selbstverständlich nicht zu finden. Wenn es den Antisemitenblättern öfter gelingt, durch solche Ausgleiche die Beleidigten hineinzulegen und sich aus der Schlinge zu ziehen, dann muß ihr Uebermuth sich natürlich steigern.
C. O. Stettin. In dem Briefkasten der „Deutsch-Sozialen
Blatter" vom 31. Mai heißt es:
A. P. Der poetische Gruß aus dem judenreinen
Heiligenhafen erfreute uns sehr. Heilo!
Das ist Alles! Wenn Liebermann von Sonnenberg, der doch sonst das Dichten nicht laffen kann, auf den ihm gesandten poetischen Gruß statt der offenbar dafür erwarteten Reklame nur nach dem von den Antisemiten „gegründeten" Heiligenhafen mit einem kurzen „Heilo!" dankt, dann muß eS dort zum Heulen sein! Liebermann hätte sich doch sofort durch ein Heiligenhafenlied in Geschmack des „Borkum-Liedes" revanchieren müffen — vielleicht mit dem Kehrreim:
„Nicht Christ noch Jud' ist do:
Heiligenhafen: Heilo!"
C» N. Vromberg. Ihr wackerer Mitbürger, der Friseur Ehr. Schöne in Bromberg-Schleusenau, richtete am 27. Mai an die Eltern Ernst Winter's in Prechlau ein Beileidsschreiben, in welchem er sagte: „Dieser Blutmord an Ihrem geliebten Sohne wird die deutsch-christlichen Behörden und die „deutsche" Justiz aufrütteln und darauf Hinweisen, daß unter uns Menschen — nein! „Bestien in Menschengestalten" — wandeln, deren religiöse Anschauungen „Blutmorde" fordern." — Unseres Erachtens ist dieser Brief nur geeignet darauf hinzuweisen, was für ein Geschöpf in Menschengestalt unter den Bewohnern von Bromberg-Schleusenau