des
Zeirschvift
Lestrslrielkiss HMchn Siaa^lirger MM Itotal
--------- NrfchLilli jmölfmal im Äahrr. -------
IX. I«hrg. Berlin, Mai' 1903. UrU
An unsere Mitglieder und Alauöensgenossen!
a ^.n ernster Zeit richten wir einen dringenden Mahnruf an unsere I Glaubensgenossen.
Am 16 . Juni sind die Vertreter zum Reichstage auf fünf Jahre neu zu wählen. Noch kann jeder Deutsche, ohne Rücksicht auf sein Glaubensbekenntnis, sein höchstes Staaksbürgerrecht an diesem Tage ausüben. Vergesse und verscherze aber der deutsche Jude dieö Recht nicht. Vergesse er nicht, daß eine Partei in den Wahlkamp, zieht, die ihm dies Recht rauben will.
Die Antisemiten machen die größten Anstrengungen, um zu den elf Sitzen, die sie bisher schon inne hatten, eine Anzahl neuer zu erobern. Von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt ziehen ihre Hetz- apostel, skrupellos in der Wahl der Mittel, überall Mißtrauen, Haß und Unfrieden unter friedlichen Bürgern säend. Mittelalterliche Legenden von „Ritualmord" und Fleischbesudelung, obgleich hundertmal als Lügen entlarvt, werden immer von neuem verbreitet. Rassenhaß und Rassendünkel werden gezüchtet. Der „deutsch- nationale" Handlungsgehilfe im jüdischen Geschäft wirkt als Spion und Zensor seines Chefs im Sinne antisemitischer Partei- Organisationen. Die Mittelstand-Rettungs-Parole in seinem Munde ist nur die Umschreibung des in Mißkredit geratenen Schlagwortes: ...Kauft nicht bei Juden".
So wird schamlos eine Hetze betrieben, die Kaiser Friedrich als „Schmach des Jahrhunderts" für immer gebrandmarkt hat, ein Hohn auf deutsche Gesittung und deutsche Kultur, eine Gefahr für das Judentum nicht nur, sondern für unser ganzes deutsches Vaterland, mr feixt Recht und Gesetz, seine Ordnung und Sicherheit.