Auerbach über Schiller.

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Aiedergehaltenen und doch unzerstörbaren deutschen GeistesmachL quellte empor im kühnsten Widerspiel des Lebens. Genährt von en Vorbildern griechischen und römischen Heldentums, ent-

nndet von jenem Urseuer, das unter der Oberfläche des ver­rotteten Zeitlebens brannte, trat Schiller mit einer unerhörten Macht in die Bewegung der Geister ein. Geschick und Genius drängten ihn in sich zurück. Er mußte die gewordene Welt- die Geschichte, und die Welt der Möglichkeit und Gedankennotwendigkeit, die Philosophie, in sich durchleben- Dieses teils äußerlich auf-

aedrungene, teils innerlich notwendige Versenken in Geschichte und Vhilosophie nach der ersten Sturm- und Drangperiode gab dem Dichter die höchsten Weihen. Wie die Priester des Altertums, wie die Jünger der eleusinischen Geheimnisse in Abgeschiedenheit lebten, sich badeten, um dann in das Innerste des Heiligtums zu treten, Opfer zu bringen, Orakel und die höchsten Lehren zu empfangen, so tritt Schiller, nachdem er untergetaucht in den Ozean der Geschichte, nachdem er die unbegrenzten Regionen des Gedankens durchflogen, neu verklärt in das Innerste der Dichtkunst ein, sich selbst zum Opfer zu bringen und aus sich selbst Orakelsprüche zu empfangen. Aus dem Versenken in Geschichte und Philosophie sind die großen Strebungen der Menschheit in Tun und Denken sein Selbst ge­worden, und darum haben nun seine Gestalten jenes Überlebens­große, denn es ist das menschheitlich große Typische in ihnen. Die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts, die der Menschheit nicht möglich ist, sie ist in der Menschheit vollendet, die Schiller heißt. Die Menschheit, das ist der stetige Gesichtspunkt, unter dem Schiller lebt und schafft, er wird aus dem begrenzten Ich zu dem großen Wir; sein L^ben und seine Worte sprechen es aus: die Vollendung des Menschen als Individuum ist nicht letzter Zweck, der schöne Mensch lebt und wirkt für die schone Menschheit."

Als was wir, die Nachlebenden, Schiller zu verehren haben, schildert Auerbach dann im weiteren Verlause der Rede. Wohl mag man es dabei der Begeisterung festlicher Stunde anrechnen, wenn er etwas über das Ziel schießt, das kühle Erwägung geben würde, indem er aussührt:Schiller wird in der Regel mehr von seinem Inhalte oder von seiner künstlerischen Macht und Formvollendung aus verehrt, sozusagen mehr als Prophet wie als Dichter, wehr als Verkündiger ewiger Wahrheiten, wie als weiser Ordner des kunstmäßig gestellten Lebens. Und doch ist er gerade als Künstler, als bewußter Künstler doppelt groß. Es gibt keinen Zweiten außer ihm, selbst Leffing nicht ausgenommen, der über Wesen und Bedingungen der Kunst so