Auerbach über Schiller.
59
e-utschen Volkes geworden, und er wird es immer mehr. Schiller selbst hat gehalten, was er Posa dem Don Carlos Zurufen läßt: „Achte die Träume Deiner Jugend!" Alle Wandlungen, die das Leben und die Wissenschaft in Schiller erzeugten, haben ihn nicht ab- gelenkt von dem heißen Tatendrang, der seine erste Jugend entflammte. Die Tat und immer die Tat war's, die stets auf's neue seine Begeisterung entzündete, die Tat für das Vaterland und die Menschheit, kein bloßes stilles Ausbauen der Empfindung und die Welt ihren Gang gehen lassen. Es ist gut und nötig, auch unserer Zagend immer wieder zuzurufen: „Achte die Träume deiner Jugend," die Träume von Menschenwohl und Vaterlandsgröße. Laß dich nicht irren von der großtuerischen Genußsucht, die die glühende Begeisterung für alles, was das Leben lebenswert macht, alle Hingebung für das Edle und Große, allen Opfermut, als bloße Kinderkrankheit dir hsrabsetzen will. Wir müssen im Leben lernen die gegebenen Verhältnisse erkennen und aus ihnen heraus das Dasein neu gestalten; wer sich aber das Heiligtum der Begeisterung entwenden läßt, hat sein bestes Selbst ausgegeben und lebt nur noch ein fremdes Dasein."
Ich könnte hier noch zahlreiche bemerkenswerte Aeußerungen Auerbachs über Schiller anführen. Sehr verdienstvoll zum Beispiel ist ein in einem längeren Aufsatz Auerbachs „Schiller und die Friedenciade" vonihm gegebener Nachweis, warum Schiller seine kurz nach dem Tode Friedrichs des Großen seinem Freunde Korner gegenüber ausgesprochene Absicht, diesen Herrscher in einem Epos zu verherrlichen, mcht aussühren konnte und mochte, wobei Auerbach darauf aufmerksam macht, daß Schiller augenscheinlich beim „Don Carlos" an das Verhältnis Friedrichs zu seinem Vater dachte. Ich könnte noch viele briefliche Aeußerungen Auerbachs ansühren, die den Beweis erbringen würden, daß Auerbach von innigster Verehrung für Schiller erfüllt war, was nur der Fall sein konnte, weil er tief in das Verständnis Schillers, des Dichters und des Menschen, eingedrungen war. Wenn aber Auerbach, der als die Inkarnation des deutschen Juden gelten kann, denn niemand war wie er so durchdrungen vom deutschen Nationalbewußtsein, und er war dabei doch durch Empfinden und Ueber- zeugung so ganz dem Judentum treu geblieben, — wenn Auerbach in so inniger Beziehung stand zu dem, was Schiller dem deutschen Volke gegeben hat und gewesen ist, so ist damit wohl auch der Beweis eröracht, daß man als deutscher Jude berechtigt ist, einzustimmen in den Jubel, der Schiller gilt. So wenig Schiller auch — nach der Lage des Judentums zu seiner Zeit — den Juden seiner Tage sein ksr-nte, so ist doch nichts in seinem ganzen Dichten und seinem Wesen,