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Im deutschen Reich.

wirkliche UeberZeugung der Beweggrund des Uebertritts ist. Im allgemeinen aber kann man sagen, daß die Juden, die sich taufen lassen, einOpserderUeberzeugungzu bringen haben, daß sie feierlich ein Bekenntnis aussprechen, müssen, das mitihren wahren Anschauungen imWider- spruch steht. Es ist nicht jedermanns Sache, sich zu einer solchen Selbstverleugnung zu Verstehen. Das zweite ist, daß in einer Zeit des Antisemitismus, wie der heutigen, edlere Naturen sich nicht ohne diepeinlichsten Empfindungen dazu verstehenkönnten, gewissermaßen vor dem Feinde der alten Fahne untreu zu werden. Das hat von je­her unter allen Völkern als Schmach und Schande gegolten. Wir stehen in einem uns aufgedrungenen Kampf, einem Kampf gegen Unwahrheit und Verleumdung, gegen Ungerechtigkeit, Intoleranz und Inhumanität. In diesem Kampfe sind wir solidarisch Das Unrecht, das einem von uns wegen seiner Religion, wegen feiner Zugehörigkeit zum Judentum geschieht, empfinden wir als Unrecht und Schmach, die uns allen angetan wird. Da ist es unsere Psticht, fest zusammenzustehen zu gemeinsamer Abwehr, den Platz, den uns das Geschick neben unseren Glaubensgenossen angewiesen hat, in Zeiten der Gefahr zu verteidigen und nicht, um uns selbst in Sicherheit zu bringen, zu dem Gegner über­zugehen. Wenn jeder Funken vowAnhängllchkeit an die Religion der Väter in uns erloschen wäre, so müßte der Antisemitismus allein uns bestimmen, in Treue auszuhalten und dem Unrecht zu trotzen.

Das sind indes Bedenken, die außerhalb des Judentums selbst liegen und hinfällig werden könnten. Es kann eine Zeit kommen, in der das Bekenntnis zu den christlichen Dogmen von dem übertretenden Juden nicht wehr gefordert wird. Und es wird eine Zeit kommen diese Zuversicht wollen wir uns nicht rauben lassen in der der Antisemitismus be­schämt sein Haupt verbirgt und ganz Deutschland diese Be­wegung als Schmach und Schande einer vergangenen Periode betrachtet, wo es also keinen Feind mehr gibt und ein Ver­lassen der alten Fahne keine Flucht mehr bedeuten würde. Wird es dann für den Juden kein Opfer wehr sein, zum Christentum überzutreren?

Die Beantwortung dieser Frage ist überflüssig für die­jenigen von uns, deren Judentum Lief genug im Herzen und im Gemüt wurzelt. Sie erübrigt sich auch für viele andere, bei