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Im deutschen Reich.
Eine Forderung der Zeit ist aber jetzt mehr als je nicht nur der Wille zur Eindämmung der Kriegsgefahr durch eine kluge und energische auswärtige Politik, sondern auch die Sicherung des Erfolgs durch Eindämmung des die Nachbarvölker gegen Deutschland aufreizenden Treibens der
antisemitischen unb alldeutschen Llrüegshetzex.
Dazu ist der Anfang durch eine scheinbar offiziöse Kundgebung in dem Septemberheft der „Deutschen Revue" gemacht, in der nachstehende Sätze vielen Teilnehmern des diesjährigen „Alldeutschen Verbandstages" in Erfurt gehörig in die Glieder gefahren find.
„Diejenigen, welche sich als Stützen anbieten, um die Regierung zu einer sogenannten schneidigen Politik zu veranlassen, sind in Wahrheit keine Stützen, sondern Peitschen, die zu Abenteuern treiben. Für alle, die den sicheren Fortschritt dem Sprung ins Dunkle vorziehen, gilt es daher, der Regierung des Kaisers beizustehen, wenn sie ihr nächstes Ziel nicht in der Eroberung neuer Gebiete, sondern darin sucht, die vorhandenen im Innern auszubauen und durch gute Beziehungen zu mächtigen Nachbarn auch nach außen zu sichern."
Der Vorsitzende des Erfurter Verbandstages, Rechtsanwalt Claß, glaubte gegen diesen „kläglichen Aufsatz, dessen beschämende Tendenz die Regierung unbedingt ablehnen sollte", protestieren zu müssen, gab aber doch der Neberzeugung Ausdruck, daß es sich hierbei nicht um eine private Leistung der Redaktion der „Revue" handle, da er gleichzeitig daran erinnerte, daß „die Alldeutschen" bereits in Düsseldorf und Hannover unzweideutig erklärt haben, „mit der Politik des neuesten Kurses nichts gemein haben zu wollen". Je offener die alldeutschen Antisemiten und Chauvinisten sich gegen die Politik der Reichsregierung auflehnen, desto eher wird diese die Notwendigkeit erkennen, keine weiteren Zugeständnisse unsicheren Kantonisten zu machen, die in ihrem Verbandsorgan, den „Alldeutschen Blättern", bereits am 29. Juni von den Ratgebern der Krone gesagt haben:
„Die so auffällig betonte Zurückhaltung, die die Hamburger Kaiserrede preist, widerspricht der völkisch empfindlich gewordenen öffentlichen Meinung, und beweist, wie schlecht die Schwächlinge der Regierung ihren Gebieter beraten und daß sie ihn tatsächlich irreführen, als ob die auch dem Kaiser bekannte Gegenströmung nur die belanglose Meinung unpolitischer Köpfe wäre."
Wohin die Meinung der „unpolitischen Köpfe" sich neigt, zeigt nicht nur die in Erfurt gefallene Aeußerung des Rechts-