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Im deutschen Reich.
„Staatsbürger-Zeitung" in dem Artikel „Wem hat Marschall genützt?" Das Antisemitenblatt wiederholt dabei die Aeußerung eines inzwischen verstorbenen antisemitischen Führers, Marschall habe vor etwa 30 Jahren als judenfeindlicher Kandidat das Reichstagsmandat von Karlsruhe-Bruchsal errungen, damals auch in Baden einen antisemitischen Reform- Verein begründet und sich später, nachdem er als badischer Gesandter nach Berlin gekommen, beständig „gemausert", bis er als Nachfolger Herbert Bismarcks als Staatssekretär des Auswärtigen auf dem Wege nach „Friedrichskron" zur englischen Partei gelangt sei. Ilnter den Vorwürfen, die dem Verstorbenen in dem gehässigen Artikel gemacht werden, figuriert auch die schon am 27. Juli d. I. in den „Alldeutschen Blättern" erhobene Beschuldigung, Warschall habe die schwachen Anfänge der deutschen Eisenbahnpolitik Georg v. Siemens zerstört, die Politik Bismarcks in bezug auf die strategischen Bahnen in Vorderasien vernichtet, also in einer nationalen Sache vollständig versagt. Einem hochgestellten Mann, der sich im reifen Mannesalter von den Antisemiten losgesagt und sich ihrem Terror nicht mehr gefügt hat, wird nicht einmal die Grabesruhe gegönnt.
XD., &abx%e. Nach dem Bericht der „Oberschlesischen Volksstimme" hat der Aniversitätsprofessor Pater Viktor Kolb aus Wien in einer Versammlung in Zabrze behauptet, die „Neue Freie Presse" habe gesagt:
„Man mag es in Anbetracht der Tatsachen einem gefesselten Verstände verzeihen, daß er betete. Ein freier Geist wird sich an die Wissenschaft wenden, die ihn lehrt, solche Unglücke zu vermeiden."
Sie fragen an, ob die „Neue Freie Presse" sich wirklich so geäußert hat. Wir können Ihnen nun folgendes mitteilen. Der in Frage kommende Passus der „Neuen Freien Presse" lautete:
„Wer möchte über den frommen Glauben spötteln, der nach einer solchen Katastrophe im Gefühl der menschlichen Ohnmacht zagend den Himmel an sieht, welcher sich mit allem Glanz des Südens über die Stätte der Trauer wölb-? Wo aber die gebundene Weltanschauung betend Trost sucht und findet, dort flüchtet derjenige, der freier denkt, zur Wissenschaft, die den