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Im deutschen Reich
Mn Talmudlehrer Wer das Verhalte» gegen Andersgläubige.
Einleitung in die Mischnah des R. M'fchullam Cohen.
Uebersetzt von Dr. S. Freund (Hannover).
Vorbemerkung des U e-b ers e tz ers.
In dem Kampfe, den die Antisemiten gegen Juden und Judentum führen, wird auch die Lehre und Moral der Talmudlehrer heftig angegriffen. Man stellt diese Moral als eine minderwertige und verderbte bin und führt als Beweise einzelne Stellen an, die, aus dem Zusammenhänge gerissen, oft etwas ganz anderes besagen, als man ihnen unterschiebt. Es ist dann auch für einen Unparteiischen schwer, den wahren Sinn und die richtige Bedeutung dieser Stellen zu erfassen. Um sich über den Geist und die Moral der talmudifchen Schriften ein richtiges Urteil bilden zu können, müßte man eine Lanze Schrift oder wenigstens einen größeren Abschnitt im Zusammenhangs lesen. Darum hielt ich es für angebracht, die Schrift eines Talmudlehrers, die sich durch ihre Kürze dazu eignet, in getreuer Uebersetzung, ohne etwas hinzuzufügen oder fortzulaffen, einem größeren Leserkreis vorzuführen. Es ist die Einleitung in den Talmud des R. M'schullam Cohen, Rabbiners in Lemberg im 18 . Jahrhundert, die wegen des hohen Ansehens, deren sie sich erfreut, verschiedenen Ausgaben der Mischnah vorgedruckt ist. Der Verfasser hat sie in hebräischer Sprache geschrieben, also nicht die Absicht gehabt. Andersgläubigen gegenüber apologetisch zu wirken, sondern als kundiger Lehrer seine jüdischen Leser in den Geist des Talmud einzuführen.
Einleitung in die Mischnah.
Von Rabb. M'schullam Cohen.
Jeder unLerrrÄLete, gotLesfürchtige und die Moral liebende Leser der Mischnah weiß für das richtige Verständnis derselben zu beachten, daß alle Bestimmungen des profanen Rechts, insbesondere auch alle Bestimmungen, die bürgerliche Rechtsverhältnisse berühren, in unserer Zeit keinerlei praktische Anwendung finden. Denn bei all' diesen Gegenständen richten wir uns nur nach den Staatsgesetzen, gemäß dem Ausspruche unserer Weisen: „Das Staatsgesetz ist Gesetz!" Wenn aber jemand erstaunt fragen wird, wozu wir uns dann mit Rechtsbestimmungen beschäftigen, die einer Längst vergangenen Zeit angehören und ihre praktische Anwendung verloren haben, so möge er sich auf diese Frage folgende Antwort geben: Auch viele andere Gesetzesbestimmungen finden- in unserer Zeit keine Anwendung mehr, wie die Bestimmungen über Opfer. Priesterabgaben, sakrale Reinheitsgesetze und ähnliches, und trotzdem beschäftigen mir uns damit und versenken uns darein nach Maßgabe unserer.geistigen Fähigkeiten und der Muße, die unsere tägliche Beschäftigung uns läßt, nur um das Gebot der Thora zu erfüllen: „Du sollst darüber sinnen Tag und Nacht!" Auch der Grundsatz ist allgemein bekannt, daß die Bestimmungen über „Götzendienst" sich nur auf die früheren Völker beziehen, die den Gott der Wahrheit nicht kannten, von Offenbarung nichts wußten, die Gesetze der Mora! und Nächstenliebe nicht beachteten. Aber in unseren Zeiten, und insbesondere in den Ländern Europas, erkennen die Völker, in deren Mitte wir unter dem Schutze gnädiger und gerechter Herrscher sicher wohnen, den wahren Gott an, glauben an Offenbarung und Heilige Schrift und achten die Gesetze der Moral und Menschlichkeit. Wollten wir die Sache ausführlich
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