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Berichte, Studien und Kritiken

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jüdische Geschichte und Literatur.

Herausgegeben

von

Dr. Julius Fürst.

Von dieser Zeitschrift erscheinen wöchentlich, das Literäturbla.tt mit­gerechnet, zwei Bogen, und zwar an jedem Samstag regelmäßige

Leipzig, den 7. März 184LÜ*

Orient. Kochin (Zustand der Juden in Indien). Frankreich (Paris, Fortsetzung). Deutschland sWiest- lieber­schau der hebr. Literatur in Oesterreich; Wien, Armenverein, spanische Uebersetzung der Bibel ; Berlin, Schluß; Dresden- Kammer- berathung über den Judeneid; Dresden, die Eidesleistung der Juden in theologischer und historischer Beziehung; Leipzig, Wohlthatig- keitssinn; Köln, Vorliebe von Rothschilds für die Juden; Frankfurt a. M.). Literaturblatt des Orients.

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Orient.

Köchin. Die Nachrichten über die Juden in Indien und China sind so selten, daß jede Erwähnung derselben in Reise- oder Missi'onsberichten dem Leser will­kommen ist, selbst wenn diese Berichte nicht der Neuzeit angehören. In den Berichten der dänischen Mission in Ostindien erzählen die Berichterstatter (Th. 5. @. 778): In Betreff der Juden in Ostindien, nämlich solcher, die etwa in der frühesten Zeit sich dort niedergelassen hatten, kann man kaum Zuverlässiges ermitteln. In Köchin auf der malabarischen Küste sind sehr viele Juden, die auch eine eigne 'Stadt haben, und einige lausend Familien ausmachen. In dm ostindischen Han­delsstädten sind aber nur europäische und fremde Juden, eben so in Madras. Was die Juden in Kochin betrifft, so wohnen diese in dem sogenannten Ober-Kochin. Sie haben daselbst eine steinerne Synagoge und Gesetz- rollm wie anderswo; ihre hebräischen Bücher bekommen sie aus Amsterdam. In Ober-Köchin selbst sind etwa 25 Weiße, aber landeinwärts sind der Schwarzen sehr viele. Die Schwarzen haben in Ober-Kochin eine Sy­nagoge, bei Kochin drei und landeinwärts noch gegen sechs; sämmtliche Schwarzen gehen auch schlechter gekleidet als die Weißen. Ihre .Geschichte in diesen Landern lauft darauf hinaus, nach ihrer eigenen Er­zählung, daß ungefähr zweihundert Jahre nach der Zer­störung des zweiten Tempels gegen 10,000 Juden zu Fuß in diese Lander gekommen sein sollen. Ein Theil von ihnen haben ihre Niederlassung über Goa hinauf landwärts gewählt, wo sie noch, und zwar in der größ­ten Unwissenheit leben. Ein anderer Theil ließ sich in der Gegend von Kranganor nieder, wo er gegen tausend

Jahre in ungestörter Ruhe lebte und seine schwarzen Sklaven zum Judmthume bekehrte. Spater aber em­pörten sich die Schwarzen gegen ihre weißen Herrn, und fast rotteten die Schwarzen alle Juden daselbst aus. Die übriggebliebmen Weißen kamen 1467 nach Koch in, wo sie über zweihundert Häuser bildeten und Lehrer zu ihren Brüdern um Goa schickten. Die Ankunft der Portugiesen nöthigte wieder viele zur Auswanderung, auch vornehme jüdische Flüchtlinge aus Spanien konnten nicht aufkommen, bis endlich die Holländer Köchin als ihr Eigenthum anerkannten, durch welche der noch geringe Rest volle Freiheit erhalten hat. Die weißen Juden haben eigene von den Schwarzen getrennte Sy­nagogen, eben so verheirathen sie sich nicht gegenseitig und holen lieber daH Fehlende aus Jemen. Weder das Arabische noch das Portugiesische versteht irgend einer zu schreiben, obgleich auch beide corcupt gesprochen werden, nur die malabarische Sprache, zuweilen auch die Tamu- lische, ist ihre eigentliche Muttersprache." So weit der alte Missionsbericht. Die neuesten Nachrichten aber über die Juden in Koch in, der Hauptstadt von Mala­bar, und in dessen Gebiet, lieferte uns Dr.Buchanan, der 1811 in London sein Werk Christ. Resh. herausgab, das Ergebnis seiner Reise daselbst- im Jahre 1806, und aus welchem das die Juden Betreffende imAuslande" mitgetheilt wurde. Im Rovbr. 1806 begab sich Dr. Duchanan, unterstützt' von dem damaligen Gmera!- gouverneur We l l es le y in Indien, nach Köchin, wo er ein ganzes Jahr verweilte- um über Lage und Ge­schichte der dortigen Juden zu berichten. Das Haupt- ergebniß seiner Beobachtung war folgendes: Die Juden wohnen nicht in Köchin selbst, sondern in Matacherry, einer Judenstadt, die eine Meile von Köchin liegt und nur von Juden bevölkert ist, und die Stadt besitzt zwei

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