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1. Die protestantische Kirchenzeitung

die gnädigen und die geistlichen Herren und in ihrem Aufträge die Lohnschreiber. ״conserviren", sie hätscheln ihn zuweilen, weil sie ihm den andern Augenblick auch ihre vornehme und priesterliche Verachtung beweisen können. Der Jude der Gegenwart hingegen, der an den inneren geistigen Kämpfen sich betheiligt, ans seiner Geschichte heraus einen bedeutsamen Beitrag zur Entwickelung der Menschheit, der Anschauungen und der Zustände leistet, hört auf Gegenstand der Verachtung zu sein, er wird gehaßt. Sie wollen auch gegen ihn Verachtung affectircn, aber ihre krampfhaften An- strcngungcn zeigen Haß, Furcht, Verzweiflung. Ihre Beschimpfungen sind für uns nur wahre Ehrenkränze.

Weit schwerer zu begreifen ist, wenn die freisinnige protestan- tische Richtung das Erbe des Hochmuths und der Gehässigkeit gegen JudcnLhnm und Juden, und zwar wiederum zunächst gegen den Fortschritt unter ihnen, antreten zu müssen glaubt. Mail sollte denken, sie müßten das Bewußtsein haben, daß keine religiöse An- schauung ihren geschichtlichen Proceß vollendet habe, das Bemühen, die geschichtliche Entwickelung in sich zu erfrischen, müsse auf allen Gebieten des geistigen, also auch des religiösen Lebens von ihnen freudig begrüßt werden. Man sollte denken, die wichtigen Arbeiten, welche auf dem eignen Boden zu einer gesunden geschichtlichen Er- kenntniß noch erforderlich sind, die Abwehr der gerade in unseren Tagen so ernsten Angriffe auf jeden Vernunstgebrauch im religiöser! Gebiete, müßten sie vollkommen beschäftigen, ihre angestrengteste Thätigkeit anöfüllen. Wenn Röhr, Paulus, Hartmann, flachen Angedenkens, sich eine Erholung gönnten durch Judenschimpf, so schützten sie doch noch immer aufklärerische Tendenzen vor, die Re- gungcn innerhalb des Judenthums waren noch schwach hervorgetre- ten, sie konnten die gelehrten Augen davor verschließen, das Per- rückenhaupt ungläubig schütteln. Nun aber ist der Fortschritt im Jndenthume eine siegreiche Macht geworden, so siegreich, daß selbst dessen sich conscrvativ nennende Glieder ganz auf diesem Boden stehn, nunmehr läßt er sich nicht mehr ablcugnen, seine ernsten, wissenschaftlich wie praktisch erfolgreichen Bemühungen lassen sich nicht ignorireu. Und dennoch, und gerade deshalb regt sich der Groll eines Theiles der freisinnigen protestantischen Theologen. Ehren- Maaß läßt sich wieder einmal in der ״Protestantischen Kirchen- Zeitung" (1862 Nr. 51 S. 1134- 9) vernehmen, und der Her- ausgeber, Herr Krause, glaubt sein auserwähltes Rüstzeug, wenn