MimlzeitM

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Nr. 50 Wien, Freitag den 13. Kuli 1906 (17. Tainus 5666). Vllh Jahrgang.

Die Juden und die Wahl­reform.

Wir haben! schon im unserer letzten! Nnimmer auf dieUebevraschu-ngen imWahlreisorm-ansfch- des Abgeordnete lthanses hingewiesen, Ist schon der Gantfchschie Wahlreformentw-tirf int- allge­meinen einer auch n-ur bescheidenen Vertretung der österreichischen- Judenschaft im mcnicni Abge- o-rdnctenhaUiso höchst nachteilig, wie dies 'ja seinerzeit bol' Mg. Tr'. Strau-ch>er bei der ersten' Lesung -dev Wahlrefortnivorilage- im März d. I. überzenge»nd und statistisch nack- gewiesen- hat, fo 1 gestaltet sich die Lage der Jude-n durch den Hoheulohescheu Nachitrags- entwuivf und durch die Beratungen imi Wahl- reform-aussch- in betreff Galizien und der Bukowina noch weitaus kritischer und macht die Wahlreformvorlage ganz unannehmbar. Der Schwerpunkt der Bertvetrmg der östet-- reichischien Judenschast liegt ins den beiden Provinzen' Galizien und Bukowina. In- dem erstgenannten Lande konzediert 'dev Hohen- lohesche Entwurf 14 Mandate mehr, also von 88 aus 102, tu der Bukowina um 3 Mandate mehr, also von 11 aus 14. Es muß festge­halten- werden, daß in beiden- Ländern- rund -eine Million Juden wohnen, und- zwar in Ga- l-izien» nahezu 900.000, irr der Bukowina mehr als 100.000 Juden. Wenn, mm dem Lande Galizien 102 Mandate zu,gewiesen sind-, müßten mindestens 12 jüdische Wahlbezirke

kreiert werden-, und wenn der Bukowina 14 Mandate Angewiesen sind, müßten den Juden wenigstens 2 Mandate zusa-llen. Allerdings enthielte diese Zuweisung- noch- immer ein schweres Unrecht gegen! die Juden-, weil doch die Italiener mit rnud 730.000 Einwohnern mit nicht weniger. als- 19 -Mandaten bedacht sind, ebenso- die Slowenen mit 1,100.000 mit 23 Mandaten und- die Serbo-kvoaten mit -etwa 740.000 mit 16 Mandaten-. Demgegenüber beträgt die Zahl der jüdischen Bevölkerung in Zisleith-anien ruind l 1 / 4 Millio-nen, indes ihnen nach dem Wa-hlrie-formen-tw-urse kaum sichere 68 Mandate zugedacht sind. Da die Juden im Wahlreformausfchuß weder auf die Unter­stützung bet: Deutschen noch der Tschechen oder Slowenien zählen kommen, glaubten sie, eine Stütze ihrer berechtigten 'For-derrMgern in den Polen, und Ruthlenen zu. finden-. Wer da haben sich die Juden arg getäuscht! Denn die Polen und Ruthernen verha-udeln M'itetnander wegen eines Kompromisses in Galizien un«d die Sorge ist sehr b-egrnn-det, daß die Juden' den Preis dieses Kompromisses bilden könnten. An den -menen, durch Hohenlohe -den- Polen zu­gewiesenen. Mandaten partizipieren die Inden, wie es- scheint, nicht. Llber >es werd-eini -auch die bisherigen sicheren Wahlbezirke zum.Nachteile der Juden verschoben. Polen und Ruthernen werden sich ernsthaft oder scheinbar einigen und die Jnideu, um. deren Unterstützung die beiden bei' Wahlen oder sonstigen Aktionen! sich bewerben-, werden- in der rücksichtslosesten- und

{ ungerechtesten Weise einfach um ihr Wahlrecht beraubt. Die ehrliche, unparteiische Regierung sieht diesem häßlichen Treiben- mit verschränkten Armen zu, o-bschon es- ihre Pflicht wäre, sich einer so großen Anzahl von- Staatsbürgern aus- vielen und vielen Gründen abzumeh-men. Es ist unerhört, daß in diesem so starken, 4 3 Fiebrigen Wahlülefio-rm-ausischusse kein! tiin- zig-er Jude sitzt! Und da haben -es- natürlich alle Herren sehr leicht, über -die Juden z-ur Tagesordnung überzugehen.

In der Bukowina, die gegenwärtig du-rch jüdische Ab-geordn-ete i'mi Parlamente vertreten ist, ist den! Juden kein einziger jüdischer Wahl­bezirk zugedacht. Während d-en- arischen Deutschen oder wie sie sich i-n- dev Bukowina nennen, christlichen Deutschen, deren- Zahl um 40.000 schwächer ist als -jene der Juden, ein eigener Landgemieindebezirk z-u-gewiesen wurde, indem man aus- sechs- entlegenen! Sprengeln von B-ezirksh-auptmanNischafteu Orte mit christ­lich-deutscher Bevölkerung- zu einem! Wahl­bezirke zufammengelegt hat und- die arischen Deutsch-en überhaupt aus- den drei Stadt- mcvnida-ten noch ein Mandat erhalten, ist d-en 100.000 Juden wir betonen dies nicht ein einziger jüdischer Wahlbezirk zugewiesen worden. Die Haltung des Abg. Nikolaj von W a s s i l k o in dieser Frage hat uns peinlich überrascht, gerad-ez-n- entrüstet sind wir aber über seine diesbezügliche' Rede; es hätte sie besser- H-err LU'eger -nicht halten- können. Herr von W-ässilko will beit Inden deshalb- nicht ein­

Feuilleton.

Herzl.

Da sich der Tag jäh reu sollte, an dem er so plötzlich, mit einer fenilleto ni-stisch>-fünftieri­schen Wen-drrmg-, süir e'lvig von uns Abschied nahm, w-anderte ich an einem schönen- Abend, als die -Sonne zur Rüste -gin-g, zu- seiner ein­samen. Ruhestätte, dem. einfachen- Grabe aus dem Döblinger Jri-edhofe. Zu Diesem Grabe wallfah'vtet man, am besten -allein-. Es ist ein fein, Ding um, die tiefe Trauer, in die man- ab- gründlich, bodenlos gerät, aus der daun, die Seele klar herD>ü-rtanch,t wie ein Sonnenstrahl ans- M-eeresflnten. Und wo die Worte N'ird Klajgen und- weisen- R-eden! -anderer den' Zariber nichit vernichten-, -d-ev die Gruft rnngibt und den stillen Mau-n mit dem Wva-rzen Bart -darin-. Und wo- die lauten- R-c-fl-erionle-n, den Hartch nicht v-erschenchen-, d-er, ans leichten- Füßen- vom Wie­ner Walde hergejagt, die losen! Blrrnren betört. Und wo ein. Toter ein-en' niiederzlvingt und be­herrscht und den, Starib des Alltags von einem schüttelt nn-d ihn. tu n-ngeahnte Lüste hebt. Es ist ein fein Ding um die tiefe Trauev uud da- rn-w! wallfahrtet mau- zu ^diesem Grabe am be­sten -allein'.

Mail- fetzt sich auf den Grabesrand, läßt das d-rimpfe Geräusch der fermem Straße er­sterbend an sich vornberschalleu und' fragt sich: Was- lv-ar dieses- Aöa-nuies Kraft? Wodurch hat er es vermocht, ein Volk ans seinem.' Schlafe zu rütteln! und es aus einen, hc-llen:, weißen Weg zu drängen? Was lra-r in- ihm., Daß seine Um* ge'bung, mit Ehrfurcht füllte, die ihn kannten, zlv-ang, z-n- ih-in, eUipo-rzuscha-nsen, ihm. ^ Pfade bahnte in> K'ön-igspaläste, Zn-tritt' verschaffte zu. Papst rm-d Tyrann! und- des ärmsten- Mannes Herz? Worin- lag das Rätsel s-c'iues Wesens, das Märchen, seines Lebens?

Denn» sein- Leben- )v er r ein Märchen. So schön und Mlb-ervoll, daß es die Nachko-mlnren eimm-der in stillen Nächten- erzählen- werden,. Sie werden lüiränze n-m sein Haupt winden», sein Leben mit tiefen Geheimnissen- nm'schleiern und doch nicht in- feinen Werdegang dringen» und nicht -lvifs-en», !vie er plötzlich gekommen!, gezau­bert und Verschlvunden'. Wir, die -ihm. so nabe gestaniden!, lvisseu es schon» nich't mehr.

Worin! lag feine Kraft? Die Sehnsrnlst nach dem» verheißenen- Lande schtnm-m-erte lvie ein- To'rn'röschen -einen- tau-senidjährigeu Schlaf. Dichter, iib-e-r deren Harfen- der Hauch vom Berge Hernron strich-, vermochten! sie nicht zrr weckeir. Tie h-eißen» Gluten -des Glaribens ver­tieften. mir ihren- Schlaf. Das Blut der Ge- '

mordeten rund Gemia'rterten rüttelte sie nicht aus ih-vc!v Ruhe. D-ie Tränen der Entrechteten u-nd G-eknechteten: langten nicht, um die ver­wunschene Prinzessin zu erlösen-. Da kam-die­ser Prinz, schlicht! rmd- einfach lote derArm-e, der den. Esel -reitet" und erlöste si-e. Es- tvar, lute luienirti er sie auf di-e blasse Stirne küßte, leise, leise, bis- sie zu. Leben kenn und p Kraft und cini -g-a'nzcs Volk ergriff ...

Mit alltäglichett Worten: Er hat die Schablo»ne des Zionsi-d-eals -mit lebendigem Geiste gefüllt und- zwar iit- ihrer höchsten und edelsten! Form. Er hat es den. lvestlichen- Jrtden wie ein- Wti-nder gezeigt und- schrieb darunter: In hoe signlo! vinoes. Den östlichen- Juden aber brachte'er zri, Bewußtsein», lvas ihnen ein blnt- loses Sche-nra lva.r. XInb mir haben- den Zau­ber erlebt rmd es mit -eigenen Augen- gesehen: Jcinie begannen zu entpfinden- rmd diese zu ver­stehen'. Und- doch- war sein Ideal nicht greif­bar. Wo-dn-rch gewann» er das Volk? Er gab ihm» weder pmü-es noch eircen-ses, nicht einmal eine Erleichtevrm-g von mom-entan-eu Leiden, konnte -er verspriechen, ja, er stemmte sich mit seiner ganzen Ri-esenkr'aft -gegen, jede Gegen- wartsarbeit. Aut Caesar aut nihil. Etrt- weder Jnid-ensta-at u-nd ihr. seid ein- Volk wie jedes andere, oder keilt- Judenstaat^ und ihr seid Parias. Ein drittes- gib es nicht. Das rst

Die nächste Nummer erscheint Dienstag den 17. Juli.