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JÜDISCHE ZEITUNQ
Nr. 10
bei den Ostjuden heute ihre nationale Kultur und Tradition nicht sehen, sie nur als Menschen emanzipieren wollen, wäre ein Unrecht
Will man sich von solchem Unrecht frei halten, so ward man den Uebergang aus dem Ghetto in die europäische Kultur nur langsam vollziehen. Jede zwangsweise Herbeiführung oder auch nur Beschleunigung dieses Uebergangsprozesses muß vermieden werden. Die Emanzipation muß ohne Gegenforderungen gewährt werden; muß politische und nationale Gleichberechtigung bringen, ohne die Preisgabe der Sprache und der Kultur zu fordern. Dann wird sich der Uebergang von Ghetto in europäische Kultur organisch vollziehen können und der Ostjude wird die meisten seiner heutigen Fehler verlieren, ohne seine großen seelischen Qualitäten einzubüßen, wenn sie auch, worüber man sich im vornherein jedoch klar sein muß, durch die Emanzipation notwendigerweise abgeschwächt werden müssen, weil sie teilweise in seinem Ghettodasein ihre Wurzeln haben. Dann wird der Ostjude zu einem neuen wertvollen Gliede der europäischen Gemeinschaft werden, der er durch seine reichen Geistesgaben und starke Schaffenskraft Großes wird geben können, ohne sie aber als seelisch Entwurzelter in vielem ungünstig zu beeinflußen.
Eänöer.- oöer nationale Autonomie.
In den öffentlichen Erörterungen über die künftige Gestaltung Oesterreichs nimmt die Fage: Länder- oder Völkerautonomie einen immer breiteren Raum ein. Bekanntlich hat der deutsche Nationalverband des Abgeordnetenhauses in derEnun- ziation über seine Konferenz sich für die Erweiterung der Länder automie ausgesprochen. Als sich dagegen von allen Seiten Proteste erhoben hatten, suchte der Nationalverband die Wirkung seines Kommuniques durch die Erklärung abzuschwächen, daß jene Forderung eine Konzession an die Christlichsozialen im Wege eines Kompromisses darstelle, der Verband aber bezüglich der Länder, wo die Deutschen in der Minorität sind, „an seinen alten Prinzipien festhalte“. Klarheit hat der Nationalverband durch seine gewundene Erklärung nicht geschaffen.
Inzwischen liegen, abgesehen von vielen Zeitungsartikeln in der Presse verschiedener Schattierung, folgende Kundgebungen für die nationale und gegen die Länderautonomie vor: vom Deutschböhmischen Landtagsverband, von der Leitung der Partei Deutsches Zentrum im österreichischen Abgeordnetenhause, vom Verein der Alldeutschen in Kärnten, von der Leitung der Deutschen Fortschrittspartei in Böhmen und von der Landesparteileitung der Deutschen Sozialdemokratie in Böhmen.
Auch ist jetzt vom Reichsratsabgeordnrten und bekannten sozialpolitischen Schriftsteller Dr. Karl Renner eine Schrift „Oesterreichs Erneuerung“ erschienen, deren Grundgedanke eine Reform Oesterreichs durch Organisierung der Nationen als Träger der Lokalverwaltung bildet Der Verfasser sagt, daß in dem gegenwärtigen Krieg „der Mann im Schützengraben die Reichsidee, die Idee vom über- und internationalen Rechts- und Wirtschaftsstaat der kleinen und versprengten Völker mit seinem Blute bekräftigt habe.“ Auf Grund dieser Lehre müsse nach Eintritt des Friedens Oeserreich erneuert werden.
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Zur Frage der jüdischen national-kulturellen Autonomie geht uns folgender Bericht zu:
Am 11. Februar veranstaltete der deutschfreiheitliche Verein eine Versammlung, in welcher Reichsratsabgeordneter Freiherr von Hock über das Thema „Länderautonomie oder Völkerautonomie“ referiert hat Der Referent nahm gegen die Länderautonomie und für die kulturelle Autonomie der Völker Stellung. In der darauffolgenden Diskussion beteiligte sich auch unser Gg. Herr Moses Rath. Er wies auf die Lage der Juden in Böhmen hin, die eine problematische ist, da die Juden von beiden dort rivalisierenden Nationalitäten für sich in Anspruch genommen würden. In markantester Weise aber tritt dieses Problem in Galizien hervor, wo die zirka 900.000 Juden unter unbestritten gesondertenVerhältnissenlebenundsichvon der dort ansässigen polnischen und ruthenischen Bevölkerung in allen kulturellen Aeußerungen, in Sprache, Sitten und Gebräuchen, in religiösen und sittlichen Tradi
tionen fundamental unterscheiden. Die Juden Galiziens und der Bukowina dürfen daher nicht der einen oder anderen Nationalität gewaltsam angegliedert werden. Der Interpellant fragt daher den Referenten, ob er und seine politischen Freunde für die Zuerkennung der jüdisch-kulturellen Autonomie ein- treten würden. Abg. Baron Hock erwiderte, daß, wiewohl ihm persönlich die Assimilation der Juden erwünscht erscheint, er die Tatsache nicht verkennen kann, daß die Juden in Galizien sich nicht assimilieren wollen und können und tatsächli :h sich eigenartig kulturell ausleben. Im Sinne der Gerechtigkeit und des Nationalitätenfriedens müßte man also den Juden die national-kulturelle Autonomie gleich anderen Völkern zuerkennen, wenn auch die jüdische Bevölkerung kein nationales Gebiet darstellt, da sie mit Ausnahme mancher Städte überall in der Minorität ist. Dies würde Schwierigkeiten technischer Art bereiten, was aber die Zuerkennung eigener kulturel 1 er.Institutionen für die Juden nicht unmöglich macht und dies sogar im Interesse beider dort ansässigen Völker liegL
Anzeigen and Korrespondenzen.
„H a t e c h i j a h“ hebr.-akad. Vereinigung: Sonntag, den 12. März 1916, halb 8 Uhr abends 1 , findet im Vereinslokale ein Vortrag des cand. phii. S. Baron über „Das Drama der hebräischen Literatur“ (1. Teil) statt. Hebräisch sprechende Gäste willkommen.
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„Jüdischer Handlungsgehilfen-Verband. Ortsgruppe Wien, II., Obere Donaustraße Nr. 65. Montag, den 13. März 1916, 8 Uhr abends Vortrag des Herrn Oberlehrers Georg Schmie dl über „Volkserziehung“. Gäste willkommen.
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Purim-Abend des Jüdisch-Literarischen Klubs im Hotel Continental, Wien, II. Taborstraße, Samstag, den 18. März 1916, 8 Uhr Abends. Mitwirkende: Lia Rosen, (Deutsches Theater, Berlin), Beda (Dr. Fritz Löhner), Egon Brecher (Stadttheater, Wien), Dr. Wilhelm Stein, Dr. Z. Finkeistein,
Karten zu K 2.—, 1.—, —.50 in der Buchhandlung R. Löwit, I. Rotenturmstraße Nr. 22 und im Zionistischen Büro, II. Zirkusgasse 33, erhältlich.
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In Friedek ist am 24. v. M. unser Gesinnungsgenosse, der Czemowitzer Landes- und Gerichtsadvokat Dr. Isak Schmierer, im 47. Lebensjahre gestorben und 'wurde dortselbst unter militärischen Ehren zu Grabe getragen. Der Verstorbene zählte zu den ältesten Zionisten 1 der Bukowina und war am ersten Baseler Kongreß unter den Vertretern. Er war einer der ältesten Gründer der jüdisch-nationalen Verbin-! düng „Hasmonäa“, in deren Alten-Herren-Ver-i band er eine führende Rolle einnahm. Wegen seiner Ehrenhaftigkeit und Charakterfestigkeit war er allseits beliebt. Er gehörte auch dem Ausschüsse der Bukowinaer Advokatenkammer an. Alle Zionisten werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Sport.
Hakoahjungmannschaft schlägt Rapidjungmannschaft 4:2.
Ein großer Erfolg unseres jüngsten Nachwuchses. Rapid ist der Meister Oesterreichs und auch seine Jungmannschaft steht seit langer Zeit unbesiegt da. Den braven Hakoahnem ist der große Wurf gelungen. Der beste Spieler im Felde überhaupt war unser Centrestürmer Pol- lak IV. Er schoß auch zwei prächtige Tore. Rapid führte schon mit 2:0. Doch unentwegt kämpf-, ten die Hakoahner weiter, bis ihnen der Erfolg, beschieden war. Die Hakoah kann auf ihren Nachwuchs stolz sein.
Hakoah schlägt Dombacher Sp. Club 4:0.
Die Hakoah war dem körperlich kräftigeren Gegner in Technik und Spielverständnis weit über. Der Rechtsaussen Rosner tat sich ganz be
sonders hervor. Man kann von den Hakoahmann- schaften in dieser Saison noch sehr hübsche Resultate erwarten.
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Gesinnungsgenossen, deren Angestellte infolge der besonderen Verhältnisse gegenwärtig wenig" beschäftigt sind, werden dringend gebeten, diesen Angestellten einige halbe Tage der Woche freizugeben und ihnen die Inseratenwerbung für die „Jüd. Ztg.“ zu gestatten.
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