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wenn nicht zugleich die ganze Schöpfung vernichtet werden sollte, ja, mehr noch als das, wennuicht auch alle die erhabenen Ziele vermchttt werden sollte«, die durch die Schöpfung, Erhaltung und Entwickelung der Welt haben erreicht werden sollen.

In wundervoller Weise bezeichnen diesen Gedanken unsere Weifen im Midrasch Rabbah zu Esther. C. 3, V. 7:man warf das Loos vor Haman vou Tag zm Tag". Sie bemerken hiezu:

^.Zuerst warf Haman das Loos um die Wochen- tage/Menn also heißt es:von Tag zu Tag". Uud als M nun mit dem ersten Wochentage begann, da tratnpieser vor dm Heiligen, gelobt sei Er, und sprach:

MMLMr der Welt! an mir wurden Himmel und Erde ^dBMchaffen, und Du hast gesprochen: (Jerem 32, B. 25) Wenn mein Bund nicht wäre, so hätte ich Tag und Nacht, die Gesetze von Himmel und Erde nicht einge­setzt. Israel aber trägt Deinen Bund an seinem Kör­per und in seinem Munde; den Bund der Beschnei­dung an seinem Körper und den Bund der Gottes- lehre in seinem Munde. Hast Du nicht durch Deinen Propheten verheißen (Jerem. C. 31, V. 35 u. 37): Also hat Gott gesprochen: So wenig man die Himmel droben ausmefsen und die Grundpfeiler der Erde tief

unten erforschen kann.also sollen auch die

Nachkommen Israels nicht aufhören ein Volk zu sein vor mir all die Tage? Und dieser Bösewicht (Ha­man) will Dein Volk vernichten? So zerstöre denn erst Himmel und Erde nnd nachher vernichte es."

Als nun das Loos den zweiten Tag traf, da trat dieser vor den Heiligen, gelobt sei Er, und sprach: Herr der Welt! am zweiten Tage hast Du geschieden die oberen Gewässer von den unteren Gewässern; also sind auch die Israeliten geschieden von den Nationen der Welt, denn also beißt es (3. B. M. C. 20, V. 26): Und ich habe euch geschieden von den Völkern, auf daß ihr mein seid. Und dieser Bösewicht will deine Kinder vernichten? Erst kehre um das Oben und das Unten in deiner Welt, und nachher vernichte sie.

Als nun das Loos den dritten Tag traf, da trat auch dieser hin vor dm Heiligen, gelobt sei Er, und sprach: Herr der Welt! am dritten Tage wurden dre Saaten erschaffen, von denen die Israeliten die Heben und Zehnten spenden, und die Bäume, mit derm Zweigen und Früchten sie das Hüttenfest vor Dir feiern; an ihm sammelten sich die Gewässer des Mee­res , das vor Israel gespalten wurde wenn nun Israel verschwinden sollte, wie könnten die alle be­stehen ?

Und der vierte Tag sprach: An mir wurden die Himmelslichter erschaffen, die da erleuchtet werden vom Lichte Israels (d. h. die da sind ein Abglanz des großen geistigen Lichtes, der Thora), denn also heißt es (Jesaias C. 60, V. 3) : Zu Deinem Lichte wallen Völker, und Nationen zu Deiner Strahlen Glanz; es

wurden erschaffen die Sterne, denen Deine Kinder gleichen; wenn D» Israel vernichtest, wie können die alle bestehen?

Und der fünfte Tag sprach: Am fünften Tage wurden Vögel und Thiere erschaffen; von einigen un­ter diesen Haft Du befohlen, Opfer darzubrmgen; da­durch gewährst Du Sühne und Gnade den Menschen. Wenn nun Israel aufhört zu sein, wer soll da Opfer darbringen?

Und der sechste Tag sprach: Herr der Welt! am sechsten Tage ward der erste Mensch erschaffen, dessen Namen Du vorzugsweise den Israeliten beilegst, denn also heißt es (Jechesk. C. 34, V. 31): Und ihr seid meine Schafe, die Schafe meiner Weide, Menschen seid ihr. Vernichte erst die ganze Menschheit, ehe Du Israel dem Verderben preisgibst.

Und der Sabbat sprach: am Sabbat wurde voll­endet all Dein Werk, und Du setztest den Sabbat ei» zum ewigen Zeichen zwischen Dir und den Söhnen Israels. Hebe den Sabbat auf, ehe Du sie ver­nichtest."

Im Vorstehenden wird die ganze Schöpfung, die Erhaltung der Welt und die Erreichung der erhabenen Ziele des Allweisen von der Existenz Israels abhängig gemacht; jeder der Schöpfungstage bringt das an ihm Erschaffene mit Israel in den innigsten Zusammen­hang. Wie und in welcher Weise das begründet ist, werden wir im Folgenden zu erörtern versuchen.

I.

Wir sind weit entfernt davon, die müssige Frage aufwerfen zu wollen, . 12 , was vor der Schöpfung war; wohl aber ziemt es sich, darüber nachzuoenken, was wohl bei der Schöpfung im Plane des Allweisen das Bestimmende gewesen sein mag, natürlich, inner­halb der Grenzen, die dem beschränkten Menschengeiste seine nicht weit reichende Einsicht stellt. Wir sind überall von kaum lösbaren Räthseln umgeben, janKr tragen die Räthsel in uns, so zwar, daß wir oft das Geheimnißvolle derselben kaum ahnen. Auf diese Räthsel stoßen wir, wohin wir uns wenden; fassen wir nur einmal die ersten Worte des herrlichen Lob- gedichtes näher ins Auge, das alltäglich nach dem Erwachen unser erstes Gebet ist und in jeder Nacht der Seele die letzte Erhebung bietet, ehe der fromme Israelit die müden Augen schließt: O>ip Herr der Welt, der da regierte, bevor jedes Ge­bilde erschaffen worden. Welch' ein Räthsel! Wie oft bemerken unsere Weisen: Op ^2 ->^>2 px kein König ohne Volk, kein Regierer ohne Regierte! Und doch soll Gott der Herr der Welt, der König gewesen sein, bevor jedes Gebilde erschaffen war! Welch ein Widerspruch in sich! Allein der Dichter jenes erhabe­nen Lobgedichtes, das in unserer Gebetordnung als I Erstes und Letztes jedes Tages so große Bedeutung