286 außer aller Frage , die gerade Angesichts des Ern¬ stes unserer Zeit das Preisgeben unseres Religions¬ gesetzes fordern . Gewiß wäre jeder Verdacht nach dieser Seite hin eine Ungerechtigkeit . Aber gerade deßhalb ist dieser verhängnißvolle Jrrthum um so beklagenswerter . Weil Gottes Gesetz dort aufge¬ hört hat ein Faktor zu sein , dem man einen prak¬ tischen Einfluß auf die Geschehnisse des Tages ge¬ statten oder zutrauen möchte , weil man glaubt der Judenheit am besten dienen zu können , wenn man über die Satzungen des Judenthums zur Tages¬ ordnung übergeht , kurz weil die Betonung dieses Standpunktes als eine Naivität erscheint , über die es sich gar nicht lohnt ein ernstes Wort zu verlie¬ ren , deßwegen ist es doppelt und dreifach geboten dieses Wort zu sprechen . Wohl sind die Vertreter des gegnerischen Standpunktes zur Zeit noch weit entfernt einem solchen Worte Gehör oder gar Be¬ achtung zu schenken . Es wendet sich daher zunächst auch nicht an diese , sondern an den gleichgesinnten Kreis , an die treuen Anhänger des von den Vätern überkommenen Judenthums . Was wäre doch für unsere Sache in unserer Zeit gewonnen , wenn hier in unserem engsten Kreise diese Wahrheit entschieden und rückhaltlos durch die Thal besiegelt würde ! Wir haben Männer , de¬ ren Leben und Streben , deren Sinnen und Trach¬ ten mit jeder Fiber und Faser dem Judenthum , dem einzigen , wahren , unverfälschten , orthodoxen Judenthum gehört ; Männer , deren ganzen Leben ein einziges Tön p - ip , ein fortgesetztes beständiges Opfer ist , das sie mit einer Hingebung sonder Gleichen der Thora , Awoda und Gemillut Chasso - dim weihen , Männer , die von der Wahrheit , der wir hier das Wort reden , so tief durchdrungen sind , wie man nur davon durchdrungen sein kann , und sie ziehen die Consequenz dieser Wahr¬ heit nicht , sie geben ihr nicht den vollen , unverkürz¬ ten Ausdruck , ja sie verleugnen sie geradezu in dem¬ selben Augenblicke , in dem sie ihr zu dienen wäh¬ nen ! Das ist der Jammer , der einem das Herz brechen kann . Der Jammer , den unser großer Lehrer in die Wote kleidete : wüw ah p ny - > b \ 3yctP ’ ■ pNi Wie können wir bei der Zer¬ fahrenheit unter den nächsten Gesinnungsgenossen an die Möglichkeit eines Verständnisses mit unseren Gegnern denken ! Man begegnet in der jüdischen Publicistik heute vielfach der Mahnung , angesichts des Ernstes der Lage müssen alle Verschiedenheiten der religiösen Richtungen zurücktreten , wir müßten Mann an Mann , Schulter an Schulter dem gemeinsamen äußeren Feind gegenüber stehen . Wir gestehen , daß wir diese Mahnung , wenn sie mehr als eine schöne Redefloskel sein soll , nie verstanden haben , und daß dieses mangelhafte Ver - ständniß sich zur vollkommenen Unbegreiflichkeit steigert , wenn wir ihr bei Vertretern des gesetzes¬ treuen Judenthums begegnen . Man verwechselt hier offenbar unser äußeres Geschick mit unserer Aufgabe . Was das erstere betrifft , so ist eine solche Mahnung mindestens über¬ flüssig und hinsichtlich der letzteren ist sie unmöglich ohne Verkennung und Preisgebung unseres Stand¬ punktes . Die Wolken , die sich über uns zusammenziehen , ziehen sich unterschiedslos über uns allen zusammen . mob juw pu proo mn pw « ? p ' 2 . Wir haben auch nie gehört , daß Jemand unsere Zusam¬ mengehörigkeit nach dieser Sette hin in Abrede ge¬ stellt hätte , daß es deshalb erst einer Mahnung zur Einigkeit bedurfte . Dafür sorgen schon unsere Feinde genügend . Anders ist es mit der Aufgabe , die eine solche Zeit an uns stellt , um ihren gehässigen Ausgebur¬ ten mit Erfolg zu begegnen . Hier gehen die Ge¬ gensätze wie Ja und Nein , wie Sein und Nicht - Sein auseinander . Die einen erblicken die Wurzel des Uebels in unserer Zeit und ihren eigenthüm - lich complicirten politischen und socialen Constel - lationen . Wir sind von der Wahrheit durchdrungen nbtyb rwa nvayv © pn und erblicken sie in uns selber . Die einen glauben der feind¬ lichen Strömung des Tages durch laxere Handha¬ bung des Reltgionsgesetzes entgegentreten zu müssen , während wir überzeugt sind , daß gerade die gering¬ schätzige Verachtung unseres jüdischen Berufs diese göttliche Fügung heraufbeschworen hat , um uns zu unserer Pflicht zurückzurufen . Was der einen An¬ schauung das Heilmittel ist , ist der anderen die Krankheit . Ein » w prö rwyV ist eine voll¬ ständige Unmöglichkeit . Wenn bei diesen grundlegenden Momenten eine solche tiefgehende Meinungsverschiedenheit wal¬ tet , wo soll da um Himmelswillen die Etnmüthig - keit für ein gemeinsames Handeln hergenommen werden ? Soviel steht fest : Wer dem Judenthum heute dienen will , muß sich rückhaltlos zu ihm bekennen . Mit Protesten und Erklärungen ist ihm nicht ge¬ dient . Man überschätzt die Bedeutung des gedruck¬ ten Wortes , das von unseren Feinden , sowie das¬ jenige , das von unseren Freunden ausgeht , und unterschätzt die That . Wenn der jüdische Sprach - geist seine großen Männer feiern will , so sucht er sie nicht bei den ’ bw , bei den Männern der Sprache , sondern bei den ntpyö nw « , bei den Män¬ nern der That . Wenn heute schweres Verhängniß über uns schwebt und jüdische Männer treten zusammen , um |