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mit den Deutschen liebäugelten oder ihnen gar Hklfersd-ienste leisteten, daran glauben ja die Rust l'cu selbst nicht. Dafiir sind die Juden, das wissen zun', mindest die Kosaken-Generäle, erstens zu klug und zweitens zu religiös. Kluge Vorsicht sowohl, wie Religionsgesetz, das Landesverrat auch nicht als Antwort auf brutale Behandlung zuläßt, haben die Juden in Kurland, wie überhaupt in Rnssisch--Polen, von jedem feindlichen Akte gegen Rußland weit zurückgehalten und sie im Gegenteil zu enormen Opserleistungen veranlaßt, über die selbst die judenfeindliche Presse Rußlands nicht hinwegseheu konnte. Aber mau traut dem blü­henden Kurland von jeher nicht recht. Zuviel deutsche Intelligenz und Tüchtigkeit, zu viel jüdischer Unternehmungsgeist und jüdisch-bürger- lickfls, geruhsames Wohlleben. To beginnt inan denn dre Berwüstnngsarbeit an der deutschen Kultur in Kurland mit einer A u s t r e i b u n g der 2030000 Juden.

Die Kosaken tjabcit es geiehn. "

Mob H. Schiff über jüdische Gegen­wart-- und Zukunftsprobleme.

Der bekannte amerikanische Philantrop, Jakob H. Schiff, d/ffen Aeußerungen über allgemeine jüdische Fragen mit Recht beachtet zu werden sich erfreuen, hat in den letzten Wochen wiederholt sowohl in Interviews als in Zeit­schriften seine Meinung über die verschiedenen Seiten der aktuellen jüdischen Probleme nieder­gelegt.

In einer Unterredung, die Schiff mit dem Korrespondenten desAmerican Hebrew" hatte, gleich nachdem er von einer längeren Reise nach dem Westen zurückgekehrt war, äußert er sich enthusiastisch über die Ansiedlungsmöglichkeiten, die der amerikanische Westen jenseits des Missi- sippi für jüdische Einwanderer bietet. Ueberall stehe man dieser Einwanderung mit den freund­lichsten Empfindungen gegenüber, der Westen biete Raum für 2 Millionen Arbeiter, und es sei von der höchsten Bedeutung, den zweifellos gewaltigen Zustrom von Einwanderern, der nach dem Kriege über den Ozean sich ergießen werde, nach dem Westen zu lenken. Den über Galvestone Eingewanderten, z. B. den in Kansas City wohnenden 2500 Familien gehe es sehr gut,- das gleiche sei bei Einwanderern in Städten des Südens der Fall. Was das wichtigste ist, be­tonte Schiff, es herrsche Einigkeit unter ihnen. Wir dürfen unsere amerikanischen Juden nicht in Deutsche, Oesterreicher, Franzosen, Russen teilen, in Amerika sollen wir nichts anderes als amerikanische Juden sein.

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1 & Moses Bescheidenheit.

Aon Rabbiner Dr M. Lelvin in Bereichen.

Das Prophetenmort unserer Bibel klingt in die Mahnung aus:"7.x 7-L'E mir rat, Bleibet eingedenk der Lehre meines Dieners Moses!" So adelt der Herr durch den Mund seines letzten Propheten das hin­gebungsvolle treue Wirken seines ersten Dieners. Gottes Thora wird hier als Lehre MoseS bezeichnet. Sie ist seine Lehre geworden nicht nur durch seinen Eifer und seine Selbstverleugnung, mit denen er sich für ihre Sickerung und Verwirklichung in Israels Gesamtheit einsetzte, nicht nur deshalb, weil er, wie die Weisen sagen: n'hv ".»e; -cc sich für sie geopfert, sondern auch weil in dem Lebensbilde, das die Thora non ihm entwirft, Gottes erhabene Lehre in der reinsten und klarsten Form sich widerspiegelt. Da trägt besonders das küeSwvchentliche Tüorawort zur Würdigung MofiS als Lehrmeister und Führer seines Volkes bei.

Moses hat nur das eine Ziel vor Augen, den Willen des Herrn zu erfüllen und dem Wohle seines Volks zu dienen. Keine Herrschaft erstrebt er, und

Ser H-raettt.

Schiff äußerte sich dann abfällig über eine Anzahl ausländischer jüdischer Führer, die nach Amerika gekommen seien, und unabsichtlich Zwie­spalt in die Reihen der amerikanischen Juden säen.

Er schloß mit der Bemerkung, daß der Krieg uns die Einheit der jüdischen Sache mit blutigen Lettern tu die Seele schreibe und daß insbesondere die Einigkeit unter den Juden Amerikas die wichtigste Forderung des Tages sei. Nur dann könne eine gerechte Lösung der schweren Probleme erreicht werden, denen sich Israel auch m den anderen Ländern gegenüber befinde.

In der amerikanischen ZeitschriftTe Men.o- rah^ ruft Schiff mit warmen Worten seine' Landsleute zur unermüdlichen Hilfeleistung für die unter dem Kriege leidenden jüdischen Massen auf. Es sei beschämend, daß die amerikanischen Juden bisher nur V* Million Dollar zusammen­gebracht hätten, während Millionen und Millionen nötig seien. Daß Rußlandseine Juden nach dem Friedensschluß besser behandeln werde, als früher, werde er nicht eher glauben, bis er es vor' Augen sehe. Es gibt nur ein Mittel zur Lösung der Jadenfrage, die Aufhebung des Ansied- iungsrayons. Wir dürfen nicht aufhören, diese Forderung zu stellen und dürfen nlcht ruhen, bis es geschieht. Wenn der russische Jude sich frei bewegen kann, wird die Judenfrage in Ruß' land gelöst sein, zumal der Haß gegen die Juden nur von der Regierung und den herrschenden Klassen geschürt wird, aber im Volke gerade in Rußland keinerlei Wurzel hat. Es bedürfte nur einer Aufhebung der von der russischen Büro­kratie geschaffenen Beschränkungen, um normale Beziehungen zwischen dem russischen Volke und den Juden heczustellen, um die ganze russische Judenfrage zu einer Sache der Vergangenheit zu machen. In dieser Hinsicht muß man sagen, daß die Lage in Rußland günstiger ist als in Rumänien und in Polen, wo die Volksmassen selbst antisemitisch sind". Schiff begründet diesen letzteren Umstand mit der Geschichte des pol­nischen und rumänischen Volkes, die beide durch Unterdrückung gelitten hatten und dadurch eng­herzig und despotisch gegenüber anderen ihnen unterworfenen Volksschichten geworden seien.

Interessant vom allgemein politischen Stand- gunkte sind Schiffs Aeußerungen über England und Deutschland. Er meint:Ich fürchte sehr, daß England durch seine Alliance mit Rußland schlechter geworden ist, weil England nichts tun will, was seinem Bun­desgenossen unangenehm ist, nicht etwa, weil es ihn respektiert, sondern weil es ihn fürchtet. Jedenfalls hat sich die von vielen gehegte Hoffnung, England werde seinen Einfluß auf Rußland geltend machen, daß es d^e Lage

der Juden bessere, nicht verwirklicht. Unglück­

licherweise sind die Bedingungen der Juden in England selbst auch nicht so gut, als sie früher waren. E gland war früher stets unser beftet' Freund. Der Antisemitismus war dort unbe­kannt, aber jetzt scheint es mir, sind in dieser Hinsicht Anzeichen einer Aenderung zu bemerken. In Deutschlano leiden die Inden nicht, sie nehmen einen hervorragenden Platz ein und befinden sich in hohen Stellungen. Es ist wahr, daß in Deutschland immer eine gewisse antisemitische Tendenz geherrscht hat/ aber ich glaube, daß der Krieg dieser Tendenz den Garaus machen wird.

, Ich bin überzeugt, daß derAntisemitis- jlmuiStn Deutschland der Vergangenheit sVttgehört".

^ Schiff schließt seine Ausführungen mit deckt ceterum censeo, daß die Juden in Amerika vor­läufig weiter nichts zu tun hätten, als Geld zur Linderung der Kriegsnotstände zu samnsieln. Im übrigen gelte es, zu warten und ziu beobachten, bis der paffende Augenblick komme,. um die jüdischen Interessen bei dem Friedenssichluß zur Geltung zu bringen.

Man muß es einem Manne von so weit reichendem^ Einflüsse in Amerika wie Schiff be sonders hllich anrechnen, daß er immer wieder den Mut ^ findet, für seine alte deutsche Heimat allen deutschfeindlichen Strömungen zum Trotze mannhaft ilck die Schranken zu treten und die blinde Engftlndverehrung, der man sich in ge­wissen amerikanischen Kreisen hingtbt, auf ihr berechtigtes D'kaß zu reduzieren.-

Lorrespond»enzen und Nachrichten.

Der ?le cftfypfius in Jerufalem

SfranBfutt a. M., 31. Mai.

Die Verwalt ung des Schaare-Zedek- Krankenhausei^ ist auf telegrafischem Wege vom GeneralkonsM in Jerusalem und von der deutschen Botschaft- in Konstantinopel um sofor­tige Erweiterung zlf)te§ Krankenhaus-Betriebes in Jerusalem geber en worden, weil die Jsolier- einrichtungen des HHospitals, das in dieser Rich­tung einzig dastehlre/ durch die in Jerusalem

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er ist weil entfernt davon, dünkelhaft mit dem Selbst­bewußtsein dessen, der alles besser missen zu müssen glaubt, sich der Mithilfe anderer zu begeben. Darum bestürmt er Jithro, der heimkchren will, wiederholt mit der Bitte:-cnx roS, Gehe doch mit uns, x; ::jvx BiT>r, verlasse uns ja ntcht, Du bist ja unseres Lagerns kundig aw 1 ? :;b rrvr, und so sollst Du uns zu Augen dienen", in Dir wollen wir unseren Führer, unfern Schutz, unser Licht sehen. So spricht keiner, der sich mit dem Nimbus besonderer Hoheit und ausge­suchter Weisheit umgibt. Moses fühlt sich aber nur als Organ des höchsten Willens und als Diener seines Volkes, deshalb verzichtet er nicht auf den Rat und die Unterstützung treuer Mitarbeiter, ja er bekennt seine Unfähigkeit, die ganze Last des Volkes aus seinen Schultern zu tragen: nj?n rx nxtp*? x;x bz:s ab, ,/Nicht ich allein kann dieses ganze Volk tragen, "tz 2 '2 ':öe, denn mir ist es zu schwer."

So spricht Moses in ernster, folgeschwerer Stunde, und cs ist ihm heiliger Ernst um feinen Wunsch. Nicht in einer plötzlichen Gefühlsaufwallung hat er Gott an- gcfleht, daß er ihm Helfer zur Seite stelle Als längst sein Zorn verglüht und seinem Wünschen die Erfüllung geworden war, da ruft er dem für des Lehrers Ehre und Würde eifernden Jünger Josua zu:Willst Du für mich eisern? O, datz doch das ganze Volk Gottes aus Prosteten bestünde, daß Gott seinen Geist aus sie legte!" Wie leuchtet doch hier Moses wahre Größe hervor! Er will nicht über dem Volke stehen, nur ein Gleicher unter Gleichen sein. Jedoch eines ist ihm entscheidend: der Geist Gottes, der des Menschen Größe bedeutet. Dieser Geist ist nicht an Amt und Berus geknüpft, fällt auch niemand als Erbe in den Schoß. Er beruht auf dem Wohlgefallen und der Gnade des Höchsten, die eines jeden Anteil werden können. Das ist die volle Ueberzeugung des größten

Propheten in Israel.

"5- Moses

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Größe wurzelt also

rn seiner echten Bescheidenheit und wahren Demut

Diese fließt ihm aus seltner'Liebe -M Gott und aus feiner Wahrung des Heiligen, die erlebe des Hoch­muts und Ehrgeizes in sMinem goldreinen engeigleichen Herzen gar nicht aufkeim«s" lassen. Seine Demut hebt auch das Schriftwort hervor als das sicherste bleibende Dokument seiner ihn über^ olle anderen emporhebenden GrößeUnd der Mann - Moses war sehr demutlg, mehr als alle Menschen, ttKlt fd j e auf der Erde leben." So urteilt die Thora, um u' 7 .as an dem Benptel Moses zu belehren, daß wahre unö\ l bleibende Große nur aus der Demut heroorkeimen famV* 1 -

Im Talmud (Aboda z. 2 p>b) wird die Frage be­rührt, wem man wohl die PalilMe zu retchen habe, dem­jenigen, der mit niTDn geschmüWst d. h. »nt lauterer Frömmigkeit, oder dem, der s ick durch burdj

Demut auszeichnet. Welches LolI', welcher Auhm ge­bührt aber dem, den beides krönv-le. Wie müssen wir unfern Aüehrer Moses verehren l ' in dem sich berde Tugenden harmonisch verbanden, Ißt 0 daß der Herr von ihm sagen konnte. xn jox: X'2 j "\S n meinem ganzen Hause ist er treubewährt." r* .

Die beste Verehrung, die wir K einem Großen zollen und die wir dem Andenken MosislA weihen können, ist das Streben, ihm es gleich oder ' ^drh ähnlich tun. Daß wir da nicht nur einem u^rnerretchbaren Ideal nachhangen, das hat uns Moses ftsielbst lehren »vollen, indem er es ausgesprochen: O, drdaß doch das ganze Volk Gottes Propheten wäre, ftlllnsere Anerkennung gebührt daher auch allen Jührer'.'^»tz die mlt ihrer Größe auch Demut verbinden, wir sehend in ihnen etwas vom Mosisgeiste walten und das erkFollt unsere Herzen mit Bewunderung für sie und Ber-^trauen m den guten Er­folg ihrer Pflichten. Ist es^ da em Wunder, wenn wir mit Dankbarkeit und H v Verehrung den großen