Kenirät-Hrgan für das orLhodore IudenIHuM

Begründet von

vr. DetzMsrr« r» Wtuin%.

Donnerstag, de«

8. Schebat 56SS 5. Februar 188».

KI« Wn ilts HttWr NW über Zobel olib Bibel.')

Allmählich ist wohl der erste Begeisterungsjubel über den neuerdings von Delitzsch in Berlin über

.Babel und Bibel" gehaltenen Vortrag so weit verhallt, daß auch Stimmen, die nicht so ohne weiteres in den-. selben einfallen-konnten, hoffen dürfen, wenigstens-ge­hört zu werden. Wenn ich es wage, die meinige hier zu erheben, so weiß ich wohl, daß es auch heute noch nicht angenehm und lohnend ist, gegen den Strom der öffentlichen Meinung zu schwimmen. Aber ich fühle mich vechflichtet,.- .m Gehör zu Litten, weil ich weiß, daß Hunderte hinter mir stehen. Es sind nicht schwarze und schwärzeste Pfaffen aller Konfessionen, wie es so mancher Leitartikler der letzten Wochen im Voraus glauben machen wollte, sondern Männer ernster Wissenschaft, die auch kein anderes Gesetz kennen, als das rücksichtsloser Wahrhaftigkeit, die aber wissen, daß es das Schlimmste für eine Wissenschaft ist, wenn sie auf das Niveau der Sensationswissenschaft herabsinlt und Resultate in die Welt hinausposaunt, über die mit unfehlbarer Sicherheit schon das nächste Jahr zur Ta­gesordnung übergehen muß. Denn ein Rückschlag, ein Fiasko, kann da schließlich nicht ausbleiben.

Freilich, wer wollte leugnen, daß das ganze, vor der Oeffentlichkeit so plötzlich aufgerollte Vabel-Vibrl- Problem auch Anlaß zu aufrichtiger Freude bietet! Ich meine nicht nur das Problem an sich, die geradezu un­zähligen Förderungen, Aufschlüsse und Korrekturen, welche die alttestamentliche Forschung in grammatika-

:' *) In der »N. Fr. Pr." veröffentlicht Dr. Ernst Sellin. Prof.

- der eoangelisch-theologische» Fakultät eine Studie, die dadurch an v Interesse gewinnt., dass der Schüler sich gegen seine,» ehemaligen Lehrer wendet. - .

lischer und lexikalischer, in kulturhistorischer und histo­rischer Beziehung der Entzifferung der babylonischen Keilinschristen verdankt. Nein, das Faktum allein, das der Monarch eines der mächtigsten, europäischen Reiche mit gespanntem Interesse die Arbeiten und Resultate eines Zweiges der Wissenschaft verfolgt, daß mit ihm ein ganzes Volk wieder anfangs historischen und reli­giösen. Problemen ein williges Ohr zu leihen, wen sollte es nicht mit Freude erfüllen? Aber noch mehr, erfreu­lich ist vor Allem die Unerschrockenheit, mit der ein Meister, der. Forschung auf seinem Spezialgebiete die- Resultate derselben auch da einzubürgern sucht, wo er weiß, daß der Kampf nicht ausbleiben kann,' und vollends erfreulich ist die Art, in der man ihn gewähren und Kritik üben läßt, auch da, wo er hineingreift in Gebiete, die nach mancher Dafürhalten von aller wissen- - schaftlichen Kritik eximiert sein sollen, - in altüberkom­mene, religiöse. Vorstellungen. Eine schönere Illustra­tion für die Giltigkeit des Grundgesetzes:Die Wissen­schaft ist frei," als jene Versammlung, in der Delitzsch den letzten Vortrag hielt, hat die Geschichte der letzten Jahrzehnte kaum geliefert; der kaiserliche Händedruck, den der Redner nach dem Vortrage erhielt, darf als Unterpfand dafür angesehen werden, daß in Deutsche land jene Grund- und Existenz-Bedingung aller Wissenschaft zur Zeit thaisächlich und rückhaltlos als solche anerkannt ist. ; . .

Müßte nun nicht angesichts dieser erfreulichen Er­scheinungen alles kleinliche Nörgeln über die Vorträge von Delitzsch verstummen? Müßten nun nicht vor allem alle Männer der Wissenschaft ihm einstimmig den herzlichsten Dank aussprechen? So könnte es denen xr- scheinen, welche die Sache nur durch die Brille der Tagespresse ansehen. Es herrscht aber unter allen Eingeweihten fast nur eine Stimme'darüber, daß die erfreuliche Außenseite eine sehr böse Kehrseite hat. Es ist, kurz gesagt, die, daß Delitzsch als wissenschaftliche Resultate vielfach persönliche Anschauungen, Vermu-