44. Jahrgang.
Lin Wort zur Verständigung.
Von Raphael Breuer.
(Fortsetzung.)
„Religion ist Privatsache." Dieses Wort ist gefallen. Es soll wohl dieser-aus fremden! Anschauungsgebiet entlehnte Grundsatz die Toleranz des Zionismus religiösen Ueberzeugungen gegenüber dokumentiren, den friedlichen Charakter der zionistischen Idee dort, wo es sich um religiöse Dinge handelt, von vornherein als Lockmittel für Freunde und Feinde der jüdischen Gesetzestreue stipuliren, auf daß jeder einzelne Jude und jede einzelne Jüdin, ganz wie es ihnen beliebt, ungestraft über die heiligsten Dinge denken könnten, keinen Anstoß nähmen an dem andern und nur — Zion — Zion — ihnen allen voranleuchte als alleiniger Leitstern. Allein dieser Grundsatz, der im sozialdemokratischen Parteilager seine Berechtigung haben mag, er offenbart den „ganzen, tiefbedauerlichen, religiösen Jndifferentismus", der sich im Gefolge der zionistischen Idee befindet, und ist wohl mehr als die entschiedenste Stellungnahme zu den Prinzipien des orthodoxen Ju- - denthüms geeignet, auch Denjenigen über die Verwerflichkeit dieser national-jüdischen Bestrebungen die Augen zu öffnen, die sich von der Verwirklichung des modernen Ziongedankens eine Regenerirung des jüdischen Sinnes, ein Wiederaufleben der jüd. Gesetzestreue erwarten. Wie weit ab müssen wir uns noch von dem Ziele befinden, für das uns die Thauroh erziehen will, wenn aus jüdischen Kreisen der Gegenwart Männer sich erheben können, Enkel Abrahams, Jsaks und Jakobs, Nachkommen jener Männer, die einst am Sinai standen und für sich, sowie für die Folgegeschlechter aller Zeiten die ewige Verpflichtungskraft des ihnen überlieferten Gesetzes feierlich proklamirten; Söhne - jenes Volkes, dem die Kulturstaaten Europas ihre Religion verdanken, und das als Gottes- und Religionsvolk par excellence ein historisches Dasein geführt und führt, und dessen Inhalt nichts anderes sein konnte, nichts anderes sein rann und ist, als — Religion — und diese Enkel — und diese Nachkommen treten zusammen, treten, heute zusammen, heüte, wo die religionsfeindlichsten Theorien der sogenannten Wissenschaft die Grundpfeiler sämmtlicher Kirchen, erzittern' machen und wo es,' Pie noch nie,' Israels ' vornehmste Aufgabe sein müßte, zum zweiten Male laut und friedlich jenes uralte netwi rwm über die Menschheit Hinzurufen —: ja, es gibt einen Gott, Religion ist
keine Privatsache, ohne Gott und Religion mutz die Welt zu Grunde gehen — treten zusammen , und. erklären das gerade' Gegentheil —gehe hin, Israel und verhülle trauernd dein Haupt, denn du hast eine solch trübe Zeit der Schmach und des Niederganges yoch niemals erlebt!! > y'/.-
Die Reform, die alte einfältige Reform wollte es in ihren besten Tagen mit Gott und der Religion nicht verschütten. Die „vielen endlosen Ceremonien",. der „pöbelhafte" Lärm und die „schmutzige Unordnung der Judenschulen," die „lästigen" Minhagim und „lang-, weiligen" Pijutim, die „pilpulistischen Spitzfindig-/ leiten" der Darschanim — das Alles war ihr, ein Dorn, im Auge. Sie wollte säubern/ reformiren, umgestalten, aus eigener Phantasie und Machtvollkommenheit, Flick-.' arbeit verrichten, den Gottesdienst verschönern durchs Orgelspiel und Predigergethüe, weil sie eben glaubte,/ daß sie sich in der neuen Zeit durch irgend ein Manöver. vortheilhaft Hervorthun und sich derselben.würdig er- ' weisen müßte, weil sie glaubte, daß das an Neügestal- tun'gen und Revolutionen so reiche Jahrhundert neue Menschen und auch ein neues Judenthum verlange/ Es war ein Jrrthum, ein Rausch, ein Paroxismus^- t- ; wie man will. Alles gedachten sie aus dem Wege zu. räumen: den Talmud, den Schulchan Aruch, die' Min-- hagim — jedoch an die offizielle Enthronung. ihres, himmlischen Vaters, ihres göttlichen Gesetzgebers, und / seine Verbannung in die Privatkammern des Einzel- nen, daran, so schlecht, so leichtsinnig, so frevelhaft/ auch ihre Gedanken und Absichten waren,; b at a n; wagten die Matadoren der Reform nicht zu denken. Religion als Privatsache gedacht, ist eine bittere, giftige. Frucht, gereift am Baume der z i o n i st i schen Er-, kenntnjß.
Und da wundert man sich noch, daß so viele.orthodoxe Rabbiner, so viele begeisterte Anhänger , des tra-^ ditionellen Judenthums dem Zionismus nicht/ sympathisch gegenüberstehen.! Im Leben des orthodoxen Juden ist alles, jeder Schritt, jedes Wort, jeher Gedanke Religion. Will er ein Geschäft abschließen, so muß. er-- sich fragen: darf ich's denn, was sagt die Thauroh da-, zu? Will er ein Amt. bekleiden, wird er auf den Pysten. eines Staatsdieners, eines Lehrers, eines Bureauschrei-, bers, eines Portiers berufen, so fragt er sich und' .mutz/ er sich fragen, wenn, er gewissenhaft über seinen jjidi- schen Beruf, denkt: Wie. wird mein Judesithum dflhei/ .wegkommen, wenn ich/dieses A.mj' hek.le.jdAp Wth. A zdabei 4 keinen '/'Schäden '.leihen?// Werhe/ich .Scha/vöH/ ^haltet! / können '. von/ÄnbechMn/dieses,' so "viele und so. /schwere Opfer heischenden Tages vollkommener Werfeinstellung bis zum Schluß? Werde ich angeschmiedei sein mit grausamen Fesseln in jeder Sekunde an mein