Böckler behauptet, daß der Artikel ohne sein Wissen in dieStaatsbürgers." gekommen sei. Im klebrigen handle es sich doch nur um eine rein theoretische Aus­einandersetzung über die Frage, nicht aber um. eine provokatorisch hinoeworfene Behauptung. DieUm­frage" sei nicht von derSaatsbürgerzeitg.", sondern von dem Germanischen Volksbund des Herrn v. Mosch ansgegangen, und die darauf eingegangenen Antworten seien derStaatsbürgerzeitung" zur Verfügung gestellt worden. - .

Angekl. Koch bekennt sich zur Verfasserschaft und erklärt, daß er doch nur Thatsachen konstatirt und auf Honorar verzichtet habe. Der Angeklagte sucht in einem längerenwissenschaftlichen" Vortroge nachzu­weisen, daß die Versöhnung mit Gott durch Vlutopfer ein Dogma der jüdischen Religion fei.

Der Vorsitzende erklärt, daß es nur darauf an- jörnme, ob von der heutigen jüdischen Gemeinschaft ein solches Blutopfer als gottgefälliges Werk, als religiöses Opfer verlangt wird.

Der Angeklagte setzt darauf des Längeren aus­einander, daß die Ovfer der alten Religion nicht auf­gehoben seien, folglich noch heute bestehen. -

Der als Zeuge vernommene Verleger Wilh. Bruhn bestätigt dem Angeklagten Dr. Böckler, daß dieser den Mitangeklagten Koch überhaupt nicht gekannt und sich seinerzeit'darüber beschwert habe, daß der Artikel ohne sein Wissen in die Zeitung gekommen sei.

Hierauf wird Prof. Strack als Sachverständiger vernommen, nachdem die Verteidigung vergeblich, ver­sucht hat, denselben wegen Befangenheit abzulehnen.

Professor Dr. Strack äußert sich, nachdem er die gegen ihn nach der Vertheidigung geltend gemachten Ginwände entkräftet hat, zur Sache selbst in einem aus­führlichen, wissenschaftlichen, auf altjüdische Litteratur und neuere Streitschriften zurückgreifenden Vortrag. Seine Ausführungen gipfelten darin, daß das gegen­wärtige Judenthum vonRitualmord" schlechterdings nichts weiß. Was der Artikel vom Reform- und Richt- Reformjudenthum sage, sei sehr unwissenschaftlich: hier handle cs sich darum, daß das gegenwärtige Juden­thum von solchen Satzungen frei sei. Ein Vlutaber- glaubender die ganze Welt ergriffen habe, sei natürlich auch dem Judenthum nicht fremd, aber nicht qua. Juden. Das offizielle Judenthum als solches lehre ganz anderes. -Es sei eine der allerschwierigsten Aufgaben, das jüdische Recht als solches festzustellen. Wenn man wissen wolle, was jüdisches Recht sei, so müsse man sich an die Erklärungen derjenigen halten, welche das Judenthum jetzt vertreten. Seitens sämmt- licher Rabbiner in Deutschland und Oesterreich sei un­ter Anrufung Gottes bezeugt worden, daß für die Ju­den die Gesetze des zivilistrten Staates absolut maß- '

gebend seien, daß sie nur für ihre eigenen; rein'religiösen Zwecke ihr besonderes Recht haben, aber, in Ueberein- stimmung beständig mit dem Staatsrecht'. Es - sei kein 7 Zweifel, daß es innerhalb des Judenthums festes Ge-- setz sei. daß sie sich an dieselben Vorschriften von Sitte, Moral und Nächstenliebe binden, wie sie allgemein gel­ten. Jetzt gelte für das Judenthum als Gesetz das Ge­bot der allgemeinen Menschenliebe und das unbedingte Verbot des Mordes. Der Sachverständige wendet, sich gegen zwei in dem Artikel angezogene Stellen aus dem- Sepher Ha-Likkutim von Chaiim Vital, und aus dem Sohar in Rohlinger'scher Uebersehung, und verweist darauf, daß der berühmte Orientalist Vrof. Röldeckr und Prof. Äug. Wünsche in Dresden unter ihrem Eid'', die. Üebersetzung von Rohling für unrichtig erklärt ,- haben. -- .»-.-.-.-,5

Die Ausführungen des Sachverständigen werden/ von den Vertheidigern unter Eingehen auf viele Einzel­heiten bekämpft, vom Sachverständigen aber aufrecht er­halten.

Auf die Vernehmung des Sachverständigen Prof. Smend wird verzichtet, nachdem derselbe erklärt hät,-- daß er ohne sorgfältige Vorbereitung seinerseits ein Gutachten nicht abgeb'en könne.

Staatsanwaltsrath Schmidt beantragt/nach Schluß der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des klmstandes. daß es sich bei dem inkrimirten Artikel nicht um eine wissenschaftliche Arbeit, sondern um ein ledig-' lich zu Aqitations- und Hekrwecken zusammengeflicktes Produkt handle, gegen Dr. Böckler zusätzlich drei Mo- . nate, gegen den Angekl. Koch sechs Monate Gefängnis/ . Der Gerichtshof beschloß, die Sache gegen den Auge- ' klagten Böckler ?it vertagen um zum nächsten Termine / den Cbesre.daktur Dr. Bachler von der ..Staatsbürger- > zeitung" und den Berichterstatter Dahsel zu laden. Im / klebrigen wurde in dem beanstandeten Artikel eine Be- : leidigung der jüdischen Reliaionsgesellschaft gefunden und der Angeklagte Koch zu einer Gefängnißstrafe von , sechs Monaten verurtheilt. -

- Oermischtes/M

Gnefen. In unserer Stadt feiert Herr I. Baer.der früher dreißig Jahre als Rabbiner in Reu teich Ihätig ge- wesen ist, seinen 09. G c b u r ts ta g. Er ist sür sein Alter not» besonders rüstig. Seine erste Ehefrau geleitete er zwei Jahre. nach der goldenen Hochzeit zu Grabe und mit seiner zweiten / Gutlitt ist er jetzt nahezu 25 Jahre vcrheiraiöet.

Mentone. (Ern literarischer S t r a ß c n b a h n- Unfall». Ein Wagen der clektrishen Straßenbahn, kn dem Maurice Maeterlinck und JsraelZangwilhder- Verfasser der^ ,Ki nder des Ghetto", saßen, stieß mit/-- einem Fuhrwerk zusauimcn. Macterlinck kanr unverletzt davon Zangivill wurde unter.dem.Auge crnsthat verletzt- '' ;