66. Jahrgang. Frankfurt a. M., den

Nr. 27

Ein Centralorgan für das orthodoxe Judentum

^ III Begründet von Dr. Ledmann in Mainz.

Begründet von Dr. Lehmann in Mainz.

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Einzelnummer dreißig Goldpfennige. '

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Buchhändler und Wiederver­käufer im In- und Aus lande, die sich dem Vertriebe unsrer Verlagswerke widmen wollen, werden gebeten, sich mit uns in Ver­bindung zu sehen. '

Frankfurt a. M.» 1. Zuli 1925.

Hermon Verlags-Aktiengesellschaft.

Glossen zum Berliner Verbandslag.

i. .

Die Religio ns gesell fchaft ohne Religion.

Wir haben bereits zur Begrüßung des Berliner Derbandstages den Gedanken unter­strichen, daß die Hauptgefahr dieses lange er­strebten und nun endlich geschaffenen Gebildes in der Form seiner Eristenz liegt. Eine die Würde der R e li g io ns g e sell sch aft" usurpierende Körperschaft, der das Kriterium der gemeinsamen religiösen Anschauung fehlt und die damit allein schon die religiöse Wahr­haftigkeit zu einer Bagatelle entwürdigt, - das ist der Verband.

So ist es denn nicht wunderbar, daß die ganze Tagung den Eindruck einer Jur isten- Verfammlüng. machte, *der, von der reli- gstmspolilischen Ansprache Dr. Bäcks abgesehen, jode religiöse Note fehlte.

Das rabbinische Element trat in einer Weise in den Hintergrund, wie dies bei einer Tagung der evangelischen oder katholischen Ge­meinschaften geradezu undenkbar wäre. In dieser Einsicht sind Liberale und Zionisten sich völlig mnjg, und hier feiert der Geist des Judenge- s des von 1847, der den Rabbiner zum Ange- jU'IUett der unumschränkt reformierenden Vor­stände erniedrigt, den Triumph seiner Unsterblich- stnt. So war die erste Tagung in ihrer nüch- mrneü Geistfremdheit der getreue Ausdruck des Wesens dieses Verwältungsverbandes, der alles eher ist als'eine Religionsgesellschaft.' '

II.

Berlin und Halber st ad t.

Die Zionisten haben sich auf dieser ersten Tagung im großen Ganzen Mäßigung auser­legt. Ihr Kampf für die Rechte der Ostjuden und' gegen die Raumannianer vollzog sich in erträglichen Formen und begegnete trotz mancher Meinungsverschiedenheiten im einzelnen doch den Sympathien der ganzen Versammlung. Umso merkwürdiger ist die Feststellung, daß . die zionistische Sehnsucht nach Unterdrückung der religiösen Freiheit, wie sie heute auf palästi­nensischem Boden so kraß in die Erscheinung tritt, auch hier zu einem stillen Bündnis zwischen den Herren Dr. Klee und Dr. Jsmar Freünd, dem Anwalt des Zwangsjudentnms, führte. Die staatliche Zwang so rganisatio n, die alle religiöse Wahrhaftigkeit. und alle selbständige Entfaltung religiösen Gemeinschaftslebens als einen sittlichen Wert dritten Ranges gegen­über der: nationalen oder stammestümlichen Einheit betrachtet, ist das Ideal der Zionisten. Sie ist auch das Ideal des unermüdlich tätigen Herrn Dr. F r e u n d, der zwar kein bewußter Zionist ist, aber ein Fanatiker des gemeinde- politischen Imperialismus. Ihm bereitet darum die bloße Existenz des unabhängigen H a l b e r- städter gesetzestreuen Verbandes schlaflose Rächte und ganz offensichtlich auch schwere ner­vöse Erregungszustände. Wo irgend etwas, nicht klappt, steckt in. seiner Phantasie der, Halber­städter Verband dahinter und zwar immer aus nackter Bosheit. Auf die naheliegende Idee, daß dieser Halberstädter Verband am Ende doch auch von Juden geschaffen und geleitet ist, denen das Wohl und Wehe des Judentums am Herzen liegt, ist Herr Dr. Freund offenbar noch nie verfallen,' in seinem imperialistischen Dünkel hat er gemeinsam mit seinen zionisti­schen Gesinnungsgenossen die loyalen Ange­bote dieses Verbandes auf paritätische Zu­sammenarbeit von jeher schroff abgelehnt oder ignoriert und wundert sich dann hinterdrein, wenn die Orthodoxie mit derselben Kälte Herrn Freund ignoriert und seine Anschläge beispiels­weise auf die Freiheit des Religions­unterrichts durch selbständiges Vorgehen zu schänden macht.

Auch in der Stellungnahme zu dem Halber­städter Verband hat sich, wenn man die Aus­führungen Freunds und seiner Freunde mit denen'der wirklich Liberalen, z. B. des Iustiz- rats Lilienthal vergleicht, wieder einmal

gezeigt, daß der Orthodoxie in den gegen­wärtigen Zeitläuften eine Zusammenarbeit mit den Vertretern des Liberalismus viel eher mög­lich ist, als mit den zionistischen Zwangspoliliksrn und ihrem Exponenten Dr. Jsmar Freund. Wir hatten also auch unter diesem Gesichtswinkel nicht so unrecht, wenn wir im Wahlkampf Liberale und Zentralverein als das kleinere Uebel gegen­über der Volkspartei mit ihrem Schielen nach der Volksgemeinde betrachteten.

' \ NI. ' '

Der Kampf gegen das Austritts- rechk.

Den Hauptinhalt der Verhandlungen bildete, wie zu erwarten war, die Diskussion über die Revision des preußischen Synagogenge­meinderechts. Das Ministerium hatte dem Verbände den Gefallen nicht getan, den noch ganz embryonalen Gesetzesentwurf zur öffent­lichen Erörterung zu stellen. So war denn faktisch eine im Buchhandel bisher nicht er­schienene Broschüre des Spiritus n c or Dr. Jsmar Freund, die unter der SpitzmarkeFreund'sche Thesen" unausgesetzt zitiert wurde, die Grund­lage der Verhandlungen, während die liberale Partei den Freund'schen Thesen eigene Leitsätze gegenübergestellt hatte.

Herr Dr. Freund haßt außer dem.Halber­städter Verband noch eine zweite Errungenschaft des preußischen Judentums aus der Tiefe seiner schönen Seele: das Austrittsgesetz. Es ist, als ob er fühlte, daß von diesem Gesetze in der Tat die Renaissance des historischen Judentums außerhalb und innerhalb der Großgemeinden in Deutschland ihren Ausgangs­punkt genommen hat, ja, daß aus seinen schmuck­los nüchternen und scheinbar ganz negativ ge­haltenen Paragraphen in Wirklichkeit die große Schicksalsfrage der Gesamtjudenheit hervorlugt: Thora-Nation oder konfessionslose europäische Volksgemeinschaft!

Ganz wie weiland der alte Justizrat Ma- kower in seiner von der Geschichte ad absurdum geführten Streitschrift gegen Samson Raphael Hirsch prophezeit er den Zwangsgemeinden den Untergang durch Massenaustritt, wenn das Austrittsrecht gegenüber der einzelnen Syna­gogengemeinde in seiner jetzt geltenden (gegen 1876 veränderten) Form erhalten bleibt. Er will zum mindesten die Ausgetretenen zur wei­teren Steuerzahlung an seinen, den Freund'schen Verband, zwingen, eine Ungeheuerlichkeit, die ihm von seinen eigenen