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Parteigenossen erfreulicherweise in ihrer ganzen moralischen Frivolität und juristischen Unmöglich­keit vorgehalten worden ist.

Am liebsten wäre demliberalen" Herrn Freund ein Ausnahmegesetz gegen die jüdischen Staatsbürger! Während nämlich der evangelische oder katholische Chris- aus der Landeskirche und damit auch aus der Einzelgemeinde austreten kann, ohne da­durch aufzuhören, vor Staat und Welt als katholischer und evangeli­scher Christ zu gelten, soll der Iude (da es eine jüdische Kirche in Preußen nicht gibt) aus dem Judentum überhaupt austreten, also Dissident werden müssen, wenn er aus reinster Treue zu dem Gotte seiner Väter der abge­fallenen Synagogengemeinde seines Ortes ent­rinnen will!

Allein' Herr Freund glaubt selber nicht an die Verwirklichung seiner krankhaften Träume er will sich also notgedrungen mit der Wieder­herstellung des Austrittsgesetzes von 1876 ab- finden und auf seine neueste Erfindung Steuerzahlung an den Verband wird er nach der Stellungnahme des Verbandstages ge­zwungenermaßen ebenfalls verzichten müssen.

Da loben wir uns denn doch das frei­mütige, ehrliche Bekenntnis des Herrn Iustiz- rats Lilienthal, der den unausgesetztenVxr- nichtungskampf Freunds und seiner Hintermänner gegen denSeparatismus" als ein aussichts­loses Beginnen bezeichnete ,und die nicht minder sympathische Rede Dr. I. Kahns mit seiner rückhaltlosen Anerkennung dessen, was die Herrn Freund so verhaßte unabhängige Orthodorje für die deutsche Iudenheit geleistet hat.

Friede und Einigkeit im Gemeinsamen wird in der preußischen tote in der gesamten Iudenheit erst dann einkehren, wenn sich der FreundMe Fanatismus die Horner abgelausen hat und die organisatorische Selbständigkeit und paritätische Gleichberechtigung der thoratreuen Gemeinden und Verbände keiner Anfechtung mehr unterliegt.

Nichts anderes denn grundloser Haß gegen rechts und der lächerliche Dünkel einiger rühriger Politiker hindern dieses Friedenswerk.

Das hat uns der.Verbandstag zur Evidenz gezeigt.

IV.

Gold und Geist.

Der Verband scheint vorerst in Geld zu schwimmen. Nur einige wenigeAbgeordnete", denen es weniger auf Propaganda als auf Wahrheit antam, warnten vor der rage du

_ Der Israelit

ncmbre, die in dem vorläufig theoretischen Budget zum Ausdruck gelangt. Cs wird eben alles auf die Entwicklung der Steuerverhält­nisse in Berlin und den paar anderen Groß­gemeinden ankommen. Aeußerst charakteristisch war die drohende Wendung, mit der nach unsrem Berichte der liberale Referent die Subvention von Mk. 30.000 an das Hildesheimersche Rab­binerseminarauf ein Jahr" empfahl Zucker­brot und Peitsche!

Das Seminar kann beruhigt sein der Verband braucht die Subvention in seinem Budget noch viel, viel nötiger als die leere Seminarkasse die dreißigtausend Reichsmark, denn wie sollte sonst die unentbehrliche politische Fiktion aufrechterhalten werden, daß der Ver­band nicht nur die radikale Bibelkritik und die religiöse Evolutionslehre, sondern auch die ortho­doxeNüance" des Judentums mitvertrete. Wir registrieren mit Befriedigung, daß ungeachtet dieser Subvention zum mindesten das Do­zentenkollegium, also die geistige Re­präsentanz des Seminars, im Rate des Ver­bandes nach der Ablehnung Rabbiner Dr. Wein­bergs nicht vertreten ist.

Wir möchten hoffen, daß die ungeheuerste Gefahr jeder solchen Verbandsbildung die Unterhöhlung aller Prinzipientreue durch das gleißende Gold, mit dem beispielsweise die Ber­liner Jüdische Gemeinde die selbständigen Syna­gogenvereine und ihre Rabbiner allmählich auf­kauft daß diese Gefahr keine allzugroßen Dimensionen annehmen möge. Geistesstolz vor Parnossim-Thronen ist es, den wir brauchen!

lVochenrundschau.

Und wieder das Schächten.

Die Frage des jüdischen Schächtens läßt, 'eitdem sie in München von den Tierschützlern aus dem Wust vergangener Jahre und über­wundener Streitfragen aufgestöbert wurde, die Gemüter nicht mehr zur Ruhe kommen und zwingt die Verteidiger des jüdischen religiösen Rechtes immer wieder in die Arena zum Ab- wehrkampf. Auch auf den Beratungen des 45. Deutschen Fleischer-Verbandstages in Gotha bildete dieser Tage das jüdische Schächten einen wesentlichen Punkt der Tages-

_ 2. Juli 192 5

ordnung. Gegen einen Antrag der jüdischen Metzger in München, den Punkt abzusetzen, wurden die - Verhandlungen darüber mit einem Refer at des Meisters Mühlstädt, Zwickau, eröffnet. Der Referent erörtert, verteidigt und begründet einen Beschluß des Bezirksvereines Sachsen im Deutschen Fleischerverbande, auf dem Ver­bandstage darauf zu dringen, daß allen Tötungs­arten, einschließlich des Schächtens, eine Be­täubung vorangehe. Er sieht eine Härte und Ungesetzlichkeit darin, wenn den Juden das er­laubt wird, was Anderen bei Strafe verboten ist. Nur unter diesen Gesichtspunkten, d. h. unter denen der Gleichstellung vor dem bürger­lichen und Strafgesetzbuch behandelt er die Frage. Rücksichten auf religiöse Toleranz kennt er nicht. Er ist der MUnung, daß heute viele Israeliten auf rituelle Lebensweise keinen Wert mehr legten.

Was Herrn Meister Mühlstädt zu entgegnen wäre, bekam er vom Verbandsvorsitzenden, Herrn Lamertz, im Namen des in. dieser Frage ein;g gehenden Vorstandes kurz und klar gesagt. Lamertz erklärte:

Es ist traditionell im Verbände, daß er in politischen und religiösen Sachen sich nicht betätigt. Wir erblicken in dem Schächten, in den rituellen Schlachtungen eine Religio ns übungderJsraeliten und glauben deshalb, daß ein Verbot des Schächtens hier uns nicht zusteht und auch nicht gegeben wird. Dahingegen glauben wir, daß aus volkswirtschaftlichen Gründen das unnötige Schächten fo viel wie irgend möglich eingeschränkt werde. Die Häute werden minderwertig durch das Schächten, weil sie nicht mehr als Maßhäute (Autoleder) gebraucht werden können. Der große Mangel an Blut, das zu Nahrungsmitteln notwendig ist, wird durch das unnötige Schächten herbeigeführt. Wir wollen aber alle religiösen Gebräuche unangetastet sein lassen und uns nicht hinein- miichen."

Was der Vorsitzende noch verschwieg: nämlich die Gutachten der Autoritäten zu gunsten des Schächtens, holten andere nach. So Schu­macher, Hamburg, der Aeußerungen von an­erkannten Fachmännern anführt, die das Be­täuben als eine weil größere Tierquälerei be­zeichnen als den Schächtschnitt mit haarscharfem Messer durch geübte Hand. Die Innung Mühl­heim, ebenso Trier, zuletzt auch die Vertreter Frankfurts und anderer Städte schließen sich der Ansicht des Vorsitzenden an und weisen den Antrag Sachsen zurück. Somit ist der Antrag ab gelehnt.

Hoffentlich für alle Zeiten..

Tie polnisch-jüdische Verständigung.

Wie man über die- Intervention Lucien W o l f f s in Polen denken mochte, die, auf Um­wegen vielleicht, erzielten Resultate wirken im Ganzen auch auf die Gegenpartei versöhnend.

Aus dem Pentateuchkommentar .NIINN Vy v'pi'1

Besprochen von <N. Mannheimer, Aeltel'vach.

Der in Nr. 12 d. Bl. kurz rezensierte neue Kom­mentar aus die rnin, in einzelnen Heften fortlaufend zu den rvmo erscheinend, liegt z. Zt. bis i*? vor. ntftna mit 128, na mit 60 Seiten. Das Werk verspricht in der Tat Großes, durch volkstümlich gehaltene Exegese im Geiste Hirschs in Verbin­dung mit den Fragen und Ergebnissen der biblischen Wissenschaft, der Dr. Wolf durchaus nicht aus dem Wege geht. Gerade das konnte ja Hirsch in seinem Kommentar, der vor nunmehr 4 Dezennien abgeschlossen ward, nicht oder doch nur wenig be­rühren. Wer aber hier nicht aus dem Lausenden ist oder auch, wer in der Zeit der Bibelkritik auf Grund der Palaeontologie, der Keilschristsorschung und neu­esten Ausgrabungen sich einigermaßen orientieren möchte, um vom thoratreuen Standpunkte aus die Dinge auf sich wirken zu lassen, dem ist und bleibt Wolfs neuer Pentatouchkommentar ein ebenso instruktiver und liebevoller als notwendiger Führer. Daß mit seinem Schöpfungsbericht, ru mit

der ^»-Geschichte und seiner Völkertasel naturge­

mäß hier das Feld zur forschenden Betrachtung vietet, ist klar. Es dürstet uns geradezu nach Auf­klärung in diesem Sinne, und da bildet der Kom­mentar eine höchstwillkommene Stütze, eine klare, hellsprudelnde Quelle, die uns labt in der Wüste brennender Zweifel und Zwiefältigkeit, in der na- mentlich die Jugend irrend nach Auswegen späht. So empfiehlt sich das Werk jedem, der ausklärend und ausbauend im Geiste der ewigen, unabänder­lichen Thora wirken, lehren möchte, von selbst. Lassen wir einigen Stichproben hier das Wort, um ein kleines Bild zu bieten. Kap. 1, 31. «Gott sah alles, was er gestattet hatte, und stehe, es war sehr gut. Cs wurde Abend, es wurde Morgen: der sechste Tag".

Dem ersten Menschen war nur Feld- und Baum- srucht zum Genüsse sreigegeben. Seine Konstitution bedurfte der Kräuter nicht, während dem Tiere nur diese und nicht andere Tiere preisgegeben wurden. Also ward die absolut gute Welt, die beste Wett, hergestellt dadurch, daß der sechste Tag qt>

(mit Artikel) das schließliche Endziel der Schöpfung, den Menschen, gebracht hatte und erst jetzt der Zu­sammenhang und der Zweck des Ganzen erkennbar wurde. Denn nunmehr beginnt erst das bewußte Leben auf Erden, aus dessen Gestaltung erst der Sinn des Ganzen in seinem Zusammenhang begriffen werden kann.

Nachdem wir uns das Thaurowort selbst klar zu machen versucht haben, wollen wir es einmal im Lichte der Moderne betrachten. Wenn wir Thauro lernen, so lernen wir sie allerdings als Juden, für die nicht nur a priori das Gotteswort völlige Wahrheit yat, sondern für die in unserer Zeit a posteriori der Beweis für die einzige Richtigkeit der niir> dadurch erbracht ist, daß wir erfahren haben, daß der Menschen­

geist, der feit Jahrtausenden nach einer anderen Er­klärung des Weltentstehens und des Weltgeschehens sucht, aus seinen Irrungen nicht herauskommt. Eine Hypothese entthront die andere, eine Fälschung ent­larvt die andere. Zudem hat die Forschung auf dem Gebiete der Außenwelt keine Kultur des Herzens und keine Ethik des Lebens erzeugt, wie sie die Thauro auf der Grundlage des rvwim

hervorzubringen vermochte.die verschiedenen

Zweige dieser Wissenschaft reichen sich die Hand wie zum Bunde, den Turm der Geistesverwirrung zu errichten, der den Himmel stürmen und als Bollwerk der Hoheit des Menschennamens dienen soll. Es sind aber nur Diadochen. mit denen wir den Kampf auszunehmen haben. Die ernsten Denker, mit deren gefeierten Namen die Begründung dieser Wissens­zweige aufs engste verbunden ist, dachten vielfach vornehm, wie Ermittlung der Wahrheit ihr Lebens­ziel gewesen ist. Dubois-Reymond sprach sein igno- ramus et ignorabimus aus. Newton entblößte jedes­mal in Ehrfurcht vor dem Weltengesetzgeber sein Haupt, wenn es ihm gelungen war, ein Gesetz der Natur abzulauschen, einen Fingerzeig im Geschehen zu erblicken, das ihn immer zum Schöpfer wies lS. 32) .... Der Bericht der ,-nin zerfällt in zwei Teile, in den Bericht über die Schöpfung der leb­losen und der lebenden Natur. Beachten wir zunächst die Gedankenerzeugniffe des jüngsten Wissensgebietes das sich, seinem jugendlichen Alter entsprechend, an vorwitzigsten vordrängt: die Geologie.

Sie teilt sich in die Lehre vom Bau und die­jenige von der Entwicklungsgeschichte der Erde, welch letztere den besonderen NamenPalaevntologie trägt.

In der Geologie selbst befehden sich zwei Rich­tungen : der Neptunismus, der die Erde aus Wasser,