Frankfurt a. M.

27._Oktober 1938 2. Marcheschwan 5699

Nummer 43

Der Board of Deputies zur Palästinafrage

London, 23. Oktober.

Der Board of Deputies beschäftigte sich heute, -nachdem der Präsident, Mr, Neville. Laski, in mehrstündiger Rede' die ..gesamte Lage der Ju- denheit in den verschiedenen Ländern Europas dargestellt und kritisch erörtert hatte, mit der palästinensischen Krisis. Zur Annahme gelangte -eine' Resolution, in der es wie folgt heißt:

Der Board of Deputies der britischen Ju­den unterstützt die Jewish Agency in ihrem "Widerstand gegen jede Politik, die entweder künstliche Einschränkungen der jüdischen Ein­wanderung nach Palästina oder die Verurteilung der palästinensischen Juden zu einem dauernden Minoritätsstatus zur Folge hat. Der Board gibt -seiner Ueberzeugung dahin Ausdruck, daß die dauernde Lösung des Palästina-Problems auf der historischen Verbindung des jüdischen Volkes mit Palästina aufgebaut werden muß und auf dem dem jüdischen Volke international garan­tierten Rechte, wie es im Palästinamar.dat, das Großbritannien als heilige Aufgabe übernahm, niedergelegt, ist. Das verzweifelte Bedürfnis der jüdischen Massen nach einem dauernden Heim macht eine solche Verwirklichung des Mandates um so unbedingter notwendig. Eine auf diesen Prinzipien aufgebaute Politik wird, indem sie auch, die bürgerlichen und religiösen Rechte der Araber in Palästina wahrt, das Land in den Stand setzen,- den ökonomischen Fortschritt wie­der aufzunehmen, der in der Zeit großzügiger Einwanderung obwaltete und der zum Vorteil aller seiner Bewohner wirkte. Der Board of De­puties begrüßt die Entscheidung der Regierung Seiner Majestät, wirksame Maßregeln zur Un­terdrückung des Terrorismus in Palästina anzu­wenden im Interesse der Araber sowohl wie der Juden, und er drückt sein Vertrauen aus, daß diese Politik vollständig und rasch durchgeführt werden wird: Der Board ist überzeugt, daß die Herstellung einer geordneten Regierung den Weg ebnen wird, für eine dauernde Zusammen­arbeit zwischen Juden und Arabern in Palästina zum Besten der allgemeinen Entwicklung und der Blüte dieses LärideS." -

.In der Debatte sprachen sich die Herren Waley C o h e n , Lionel Cohen und Leonard Montef iore gegen die Resolution aus weil sie einfach eine überflüssige Wiederholung der seit Jahren erfolglos. proklamierten zionis- tischen^Forderungen seien, und jeden konstruk­tiven Charakter vermissen ließen. Es wäre, so meinte die Opposition, richtiger, wenn der Board of Deputies sein Ansehen dazu benützte, um

praktische Vorschläge zur Lösung des Palästina- Problems, losgelöst von der zionistischen Par­teischablone, vorzubringen.

London, 23. Oktober.

Der bekannte Lord Lloyd macht in einem hiesigen Sonntagsblatt den Vorschlag, das Pa­lästina-Problem dadurch zu lösen, daß auf die Teilung verzichtet, den Arabern eine dauernde Mehrheit in P a 1 ä s t i n a und Transjörda- nien zu s am m e ;n gewährleistet, dafür aber die jüdische Einwanderung auch nach Trans Jordanien freigegeben wird. Dies würde den Juden, auch wenn sie im Gesamt­palästina dauernd in der Minderheit blieben, starke Möglichkeiten für eine Masseneinwande­rung eröffnen.

Aus dem Inhalt:

Das Palästinastatut und USA.....Seite 2

Flüchtlingshilfe und Flüchtlingssorgen Seite 2

Wenn man auswandern will .... Seite 3

Judenwanderung auch im Orient . . . Seite 4

Das italienische Abessinien-Angebot . Seite 4

Die Ausmaße der Arqhe Noahs . . . Seite 5

Erez Israel ......... Seite 6 u. 7

Jüdische Pioniere in der Südsee . . Seite 10

Eine Eingabe an das Ministerium für soziale Angelegenheiten in Schweden . Seite 11

Wie man sich im Irak

die Lösung der Palästinafrage denkt,

Der sogenannte irakische Palästina­plan, der jetzt viele Köpfe in Jerusalem, Da­maskus, Kairo und auch London beschäftigt, stößt nicht allein auf den Widerstand der zio­nistischen Leitung, an die man sich gelegentlich mit ultimativen Drohungen wendet, sondern für uns alle im jüdischen Volke gänzlich un diskutabel, weil er eine Lösung der Palästinafrage unabhängig von der jüdischen Not in der Welt anstrebt, weil eine seiner Kardinai- bedingungen die Sperrung Palästinas vor der jüdischen Einwanderung ist. Das würde ein dop­peltes Unglück bedeuten: für die Diaspora, der in einer Zeit, da fast überall, der Boden un­ter den Füßen der Juden zu wanken beginnt, sich ein Zielland verschließt; für Palästina, wo die Juden durch Entziehung der Kraftzufuhr für unabsehbare Zeit als Minorität den arabischen .Machthabern auf Gnade und Ungnade ausge­liefert wären.

Wir haben über.den Plan bereits berichtet. Seine acht Bedingungen lauten:

1. Schaffung eines unabhängigen Staates auf Grund von Richtlinien, die von einer konstituie­renden Versammlung niederzulegen sindi 2. Allmäh­liche Uebergabe der Verwaltung durch die britische Regierung an die nationale Regieru ng inner­halb eines bestimmten Zeitraumes, wie das geschah, als der Irak selbständig wurde; 3. Garantie aller p o 1 i t i & c ; h e n und bürgerlichen Rechte an die, Bewohner Palästinas, gleichgültig, zu welcher Religion oder Rasse sie gehören; 4. Alle Gemein­schaften sollen bürgerliche Rechte erhalten, aber keine Gemeinschaft soll einer anderen überge­

ordnet sein; 5. Volle Rechte der Gemeinde­verwaltung sollen allen arabischen und jüdi­schen Städten und Dörfern hinsichtlich der Voll­machten, der Ueberwachung und d2r Verwaltung bewilligt werden, aber ohne Beschränkung der bür­gerlichen Rechte; 6. Die Zahl der jüdischen Bewohner darf über die gegenwärtige Zahl nicht erhöht werden; 7. Alle Rechte sind von Eng­land zu garantieren; 8. Alle legitimen britischen In­teressen sind sicherzustellen.

Von diesen Punkten ist besonders der sechste, der die Juden Palästinas zu einer ;,ewigen Minorität" verurteilt, eine uner­hörte Herausforde r u n g. Aber auch von den in den Paragraphen 3, 4 und 5 garan­tierten Rechten an ,,alle Bürger", d. h. Minder­heiten bekommt man heute schon manche Kost­probe aus Damaskus und Kairo geboten. Sc sandte der Präsident des arabischen P a - lästiria-Verteidigungskomit'es in Damaskus, Nabihel A z m e , an Dr. Weizmann ein Telegramm, in dem er sagt, daß die . Araber, koste es, was es wolle, hicht dulden würden, daß die Juden in Palästina eine Majorität bekämen. Die Juden müßten sich mit dem begnügen, was sie in Palästina bereits besitzen. Die Araber würden die Juden so behandeln, wie Sultan Omar einst die Einwohner von Palästina behan­delt habe, wenn England zur Verteidigung der Juden in Palästina zum Kriege gegen die Ara­ber schreiten würde. Großbritannien könne we­der die Juden in den arabischen Ländern noch

" (Fortsetzung siehe Seite 3?)*"