Eine Schewuaus-Boischaft.

(Ruth. II, 4).

Gewöhnlich pflegt man die Festtage des 6. und 7. Siwan als einen Zweiklang zu empfinden, als das Fest der ״Erstlinge und als die Erinnerungshöhe der Offenbarung. Erlebt man je- doch diese Tage mit vollem Zug des Herzens, dann stellt sich leise antönend ein Dreiklang ein. Er will empfunden sein, da er eine ernste religiöse und kulturgeschichtliche Bedeutung hat. Es ist die Kunde vom jüdischen Gruß.

Ein eigenes Ding ist es um den Gruß, den Menschen tau- sehen. Vielen ist es Konvention, Worte ohne Inhalt, ohne die begleitenden Gedanken, ohne die sich beigesellende Empfindung, anderen ist es ein Erlebnis, ob bei Gruß geben oder empfangen.

Form und Worte des Grußes haben im Laufe der Jahr- tausende vielfach gewechselt, der Gruß aber, den Boas und seine Schnitter wechselten, hat Ewigkeitswert und deshalb auch ewigen Bestand. Man pflegt das Buch Ruth als eine Idylle auszusprechen, in diesem Vers jedoch ist es sicher mehr, es ist da eine feier- liehe Verkündung, von der Größe der einander suchenden und grüßenden Menschen, denn wie uns der Talmud berichtet, haben die Menschen in diesem Grußtausch zwischen dem Herrn und seinen Angestellten die Thora in das Leben getragen, die Zu- Stimmung der ewigen Allgüte erhalten. Es ist doch durchaus nicht überflüssig, am Tage der Offenbarungserinnerung es sich zu vergegenwärtigen, wie sieghaft der Weg der ״Religion* ge- worden, die damals am Sinai uns und der Menschheit gegeben war, wie sie überall waltet, auch des Alltäglichsten sich bemäch- tigt. Denn gibt es etwas Alltäglicheres, als einen Gruß? Und doch, da kann man sich auch als ein Glied des Reiches von Priestern bewähren. Mahnen und segnen, lehren und führen, das ist die Aufgabe des Priesters; beides fand Bewährung und Erfüllung, als Boas seine Schnitter grüßte, die Schnitter den Gruß erwiderten. Wie war es doch? Da war eine früher sozial hochstehende Frau arm zurückgekehrt, wahrlich ein will- kommener Gegenstand eines Alltagsgespräches. Ihre einsame Schwiegertochter war Aehrenlesen gegangen. Da hub bei den Schnittern ein Wispern, ein Raunen an. Wer ist diese Fremde? Weißt Du nicht, das ist doch, wie man sagt, eine Fürstentochter.