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meine Heimat ist. Das Heimaterlebnis ist nicht mir ein subjektiver Akt, sondern zugleich dir endgültige, völlig unwiderlegliche unb also objektive Begründung und Feststellung eines V e h e i m a t e t - S e i n s.

Im Heimaterlebnis ist die Heimat g e - f u n d e n. H e i m a t e r l e b n i s i st Hei - m a t b e s i tz.

Und wer dieses Heimaterlebnis nicht hat, hat auch keine Heimat, fonbcrit nur: einen Ge­burtsort, einen Aufenthalt.

Welches ineine Heimat ist, entzieht sich also jeder Diskussion. Es kann ganz allein fest- gestellt werden aus meinen: Erlebnis. Das Land, von dem ich empfinde: es ist mein Hei­matland, das Land, das mein Sein umschlossen hält, das Land, das meine Sehnsucht weckt und mit dieser Sehnsucht mich immer wieder aus jeder Ferne heimzieht, das Land, dessen Schick­sal ich als mein Schicksal erlebe, alles, was dieses Land anrührt, rührt mich an, weil es mich mitgeprägt hat von Anbeginn an dies Land i st damit meine Heimat geworden. Es ist mein unverlierbares Schicksal, daß ich hier meine Heimat habe. Es ist meine Hennat, ganz gleichgültig, ob es mir von irgendeiner anderen Menschenüberlegung her als Heimat zugebilligt, zugesprochen wird oder nicht. Es i st meine Heimat k r a f t des Heimaterlebnisses, und ob es meine Heimat ist, kann der andere immer nur wissen auf Grund des Erlebnis- Bekenntnisses, was ich zu dieser Heimat ablege oder nicht ablege. Die Bewährung dieses Be­kenntnisses ist die Treue zur Heimat in Glück und Leid und Not, und diese Treue ist keines Menschen Verdienst, denn wer eine Heimat hat, i st mit ihr verbunden. Heinmt bindet.

Das ist nun so, und die Natio kann gar nicht an dagegen, sie ist ganz ohnmächtig da­gegen, denn sie kann nichts auflösen oder auch nur von der Stelle rücken, was einfach da.ist, wiewohl sie es immer versucht. Dagegen hilft nur: ganz genau sehen, was ist. Und wir haben genau gesehen: Heimat ist im Heimaterlebnis gegeben und gefunden. Da man ein Erlebnis so wenig widerlegen kann wie Baum, Haus, Berg oder Wolke, so ist das Heimat- Haben i m Heimat-Erleben j e d e in Angriff und j e d e m B e st r e i t e n ganz und gar entzogen.

Und also gilt genau so: Habe ich dieses Heimaterlebnis nicht, so i st dies Land auch nicht meine Heimat; gleichviel ob irgendeine juristisch-geschichtlich-theoretische Konstruktion es mir dennoch als Heimat zubilligt oder nicht. Es ist mein Aufenthaltsland, mein Staat, aber nicht meine Heimat. Es konnte deshalb nicht meine Heimat werden, weil das einzigartige und gar nicht analysierbare Zuneigungs- und Eineignungserlebnis das im Heintaterlebnis Kraft und Wille ist, nicht wirksam wurde aus irgendeinem Grunde nicht wirksam wer- den konnte und also auch gewisse letzte und urtümliche Seelenbindungen zwischen Mensch und Raum, Mensch und Mitmensch, Mensch und Gemeinschaft nicht vollzogen werden konnten.

Wo also ist der Quell meines Heimatrechtes? Allein in meiner Seele und ihrem Erlebeil.

. Denn das H e i m a t e r l e b n i s ist unver­tretbar, unverlierbar, u n b e st r e i t - bar.

. Niemand hat Recht und Grund, einem nnde- ren Menschen die Heimat abzusprechen, die er aus der Wirklichkeit seines Heimaterlebnisses als seine Heimat empfangen hat.

Jedermann trägt das Heimatrecht in der eigenen Brust.

Ein anderes gibt es nicht.

So bis auf den Grund, d. h. aber in leben­dige Seelen, ihr Erleben unb Bekennen, sollte man die Menschen sehen lehren. Denn dies ist gleichbedeutend mit Erziehuilg zur Hmnallität. Das wäre eine besondere Aufgabe und freilich auch besondere Gewalt der Aufklärung.

Wie diese Arbeit geschehen konnte und was zuvor noch entschieden unb crfcmnt sein musi, davon wird, noch einiges zu saget: sein.

Die jüdische Presse Deutjchlanös

Vortrag -es Direktors -es Centralvereins Dr.Lu-wig Holla'n-er an -er Universität München

Am Mittwoch, den 14. Januar, sprach der Direktor des Centralvereius, Dr. Ludwig H o l - l ä u d e r, in der Zeituugswissenschaftlicheu Ver- einigullg an der Universität München über das ThenlaDie jüdische Presse Deutschlands".

Der Vortragende uingrenzte zunächst den Begriff der jüdischen Presse,tnöent, er sie scharf von der von antifentittfcTjcr Seite als fälschlichjüdisch" bezeichneten politischen Tagespresse unterschied.Jüdische" Presse sei in Wahrheit nur die von Jilden für Juden und zum Teil für Nichtjuden mlter besonderer Be- tonmlg ihres weltanschaulich-jüdischen Charak­ters geschriebene Presse. Der . Vortragende kenllzeichnete am Hand einer umfassenden Sta­tistik Standort, Umfang, Einfluß und politische Gliederung dieserechten" jüdischen Zeitungen und Zeitschriften.

Die Zahl der heute in deutscher Sprache er­scheinenden periodischen Veröffentlichungen, die in dem oben erwähnten Sinne jüdisch zu nennen sind, beträgt 136. Darunter ist keine einzige Tageszeitung. Die größten jüdischen Organe sind: Die Zeitung der Jüdischen Ge­meinde, Berlin, Auflagenziffer 90 000; die C. V.-Zeitung", Auflagenzisfer 60 000; das Hamburger Familienblatt", Auflagenzisfer 33 000; die zionistischeJüdische Rundschau", Auflagenzisfer etwa 15 000;Ter Schild", die Zeitschrift 'des Reichsbundes Jüdischer Front­soldaten, Auflagenziffer 12 000.

Als erste jüdische Zeitung in Deutschland erschien 1750 die von Moses Mendelssohn be­gründete jüdische ZeitungKohelet Mussar"; die erste deutschsprachige jüdische Zeitung ist die 1771 gegründeteDyherrnfurther privilegierte Zeitung", die jedoch noch in hebräischen Lettern gedruckt wurde. Alle Blätter der Ausklärungs- zeit sowie auch diejenigen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben sich aus wirt­schaftlichen Gründen nicht längere Zeit hin­durch halten Uhmen.

Die jüdische Presse ist ganz eindeutig keine Geschäftspresse, sondern eine G e s i n n :: n g s- presse. Nach dieser Gesinnung oder Welt­anschauung ist sie 31t gliedern in orthodoxe, d. h. thoratreue, und liberale Blätter. Die führenden Zeitungen der Orthodoxie sind der Israelit" in F r a n k f u r t a. M. und die L a u b h ü t t e" t n Rege n. s b u r g, wäh­rend dieI ü d i ls ch - l i b e r a l e Z e i t u n g" in Berlin erscheint. Die Zeitungen beider Grup­pen sind positiv-religiös eingestellt. Sie unter­scheiden sich nicht in -der Betonung des Ethischen, sondern lediglich irr den Wegen, auf denen sie die Erfüllung der sittlichen Pflichten suchen.

Die jüdischen Zeitungen vertreten aber über das Religiöse hinaus auch verschiedene inner- jüdische und politische Richtungen. Für den politischen Gesichtspunkt ist zwischen der jüdisch­nationalen oder zionistischen Presse einerseits und der deutschpvlitischen Presse anderseits zu unterscheiden. Das Hauptorgan der zionisti­schen Presse ist dieJüdische Rundschau". Ihre wesentlichsten Interessen sind die Fragen der jüdisch-nationalen Heimstätte in Palästina. Die deutschpolitische Richtung wird maßgeblich von der Centralvereins-Zeitung (C. V.-Zeitung") Vertreter:, die ein Organ, aller der Juden ist, die im Judentum in erster Linie ihre Religion, ihre Heimat unb ihre nationale Zugehörigkeit über alle nt in Deutschland sehen. Daher betont dieC. V.-Zeitung" die Zugehörigkeit der deutschen Judenheit als Wirkungsfaktor in der deutschen Kultur.

Fast ein Drittel aller Blätter stellt den Typus des Gemeindeblattes dar. Es sind dies meist offiziell von der: Genteittden herans- ,gegebene, wöchentlich o>dcr vicrzehntäglich er­scheinende Berichtsblätter, die die Interessen des Genteindclebetts einer Stadt oder einer

Provinz vertretet:. Zum größten Teil sind sie parteipolitisch neutral. Eilten andere:: großen Teil der Presse machen die Vereinsorgane ans, die ebenfalls meist Mitteilungsblätter, zum Teil allerdings, je ttach der Tendenz der Vereine, politisch fcstgelegt sind. Eine besondere Eigen­art vertritt derSchild", das Organ des Reichs- Hundes Jüdischer Frontsoldaten, das die Ver- bundettheit der jüdischen Frontsoldaten mit den Kamera'den der anderer:- Verbände pflegt, und als eine Stimme derer zu gelten hat, die mit Leib mb Lebet: ihr Vaterland verteidigt haben.

Daneben besteht eine große Anzahl von kleine:: Spezialorganen. Die Jntoressenwelt der jüdi- sck)eu Frau, die der Vortragende eingehend be­rücksichtigte, findet ihren Niederschlag vor allem in denBlättert: des jüdischen Frauenbundes". Den: j ü d i s ch e 1: H a n. d lv e r k, das an Be­deutung fortgesetzt zunimmt, istDer jüdische Handwerker" gewidmet. Pädagogische Fragen behandelt die ,^J d i s ch e Schulzeit:: n g",

' Gesundheitsfraget: dieOse-Rundschau". Die bedeutsamsten Blätter .für die jüdischen akademischen Verbänide sinb dieKC-Vlätter", die von: deut'schjüdi'schen Standpunkt, undDer jüdische Student", der vom nationaljüdischen Standpunkt aus geleitet wird. Die jüdische Jugend hat in ihren vielfältigen Gemeinschasts- svrnten eine bedeutende Zahl von Jugendzeit­schriften, beit größten Leserkreis hat die Zeitschrift Der Jugcndbund". Eine Anzahl von Zei­tungen und Zeitschriften vertretet: speziell Stattdcs- oder Wirtschaftsinteressen. So haben

- beispielsweise die jüdischen Taubstummen ihr eigenes OrganDas. Band", >die jüdischen Bibliophilen dieS 0 n c i n 0 - B l ä t t e r". Nicht zu vergessen sind in diesen: Zusanunenhang die Wohlfahrtszeitungen. Schließlich gibt es eine Anzahl wissenschaftlicher jüdischer Blätter, wie dieZeitschrift für die Geschichte der Juden m Deutschland",Der Morgen",Jeschurun" u. a. Es gibt einOrgan der Gesellschaft für- jüdische Familienforschung", eineZeitschrift für die Demographie und Statistik der Juden", einKorrespondenzblatt zur Gründung und Erhaltung einer Akademie der Wissenschaft des Judentums". Es gibt eineJüdische Presse­korrespondenz", die Jüdische Telegraphenagen­turJta" in Berlin.

Zusammenfassend stellte der Vortragende fest, daß die Mische Presse in Deutschland so wenig wie die deutsche Judenheit überhaupt eine in sich geschlossene Einheit bilde.

Der Vortrag war von über 200 Persottei: besucht, von denen die Mehrzahl Angehörige der Hochschule waren. Leider befand sich unter diesen auch eine Anzahl von jungen Leuten, die den Ausführungen des Redners nicht mit dem Willen folgten, sich über eine ihnen unbekannte Materie belehren zu lassen, sondern die nur in

- der Absicht gekommen waren, durch andauernde Zwischenrufe Storungen zu verursachen. Die Versuche scheiterten allerdings an der Sicher­heit, mit der Dr. Holländer den Zwischen­rufen:, die hauptsächlich bei den Ausführungen des Redners über die Verbundenheit des jüdi­schen Lebens in Deutschland mit den allgemeinen Erscheinungen der deutschen Entwicklung randa­lierten, zu begegnen verstand. Es muß aufs tiefste bedauert werden, daß akademisch ge­bildete Menschen nicht den Takt und Anstand besitzen, einen rein wissenschaftlichen Vortrag auf akademischem Boden in Ruhe anzuhören.

Trotz aller Störungsversuche war die Ver­sammlung durchaus gelungen. Ihr Zustande­kommen ist bei der besonderen Lage an der Münchener Universität als ein großer Erfolg zu bezeichnen: eine Tatsache, die auch in den Be­sprechungen in der führenden Presse Münchens, vor allen: det:Münchener Neuesten Nach­richten", betnBayerischen Kurier" und der Münchener Post", zum Ausdruck kam. :

Lanöi'MVj!iwtl)fchj ^Sptuiec Q.RiK/