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RICHARD OOLDBERO.
Von G. Kutna.
In der Grossen Berliner Kunstausstellung (Saal XVIII) hängt augenblicklich ein Bild: „Betende Juden am grossen Fasttage". Da geht wohl mancher vorüber, und jeder sagt etwas — fast jeder. Viele werfen rasch, bestimmt, wahrheitsbewusst ein Wort hin, das ein Werk und ein Lebenswerk im Nu abwürgt, und freuen sich ihres gesunden Verstandes, ihres guten Leumunds und festen Kredits. Andere sagen es in unwilliger Betonung, als erbosten sie sich über eine Störung, über eine neue Frechheit, nachdem sie sich mit so vielen abgefunden und sie gut und göttlich geheissen. Und nur wenige suchen den Gesichtswinkel und weilen. Es sind die Besitzenden, die Gut und Heimat in sich haben und angstlos bleiben, wenn sich vor ihnen stille eine Seele aufthut. "Und zu den Besitzenden gehören die Kinder, auch sie weilen, und die blauen und braunen Augen verlieren sich in ahnendem Verstehen.
Wenn der Kenner vor ein Werk tritt, das sich in ringender Eigenheit abhebt, dann sucht er ihm bei- zukommen, ihm anreihend oder gegenstellend seinen Platz anzuräumen. Er fühlt sich als Persönlichkeit und als Kenner, die Persönlichkeit aber hat das Recht der Lebendigkeit, der Freiheit; die Dinge müssen sich fügen. Er sieht in dem Werke nur das Werk, um
nicht irre zu werden: sein Wert und sein Leben wirc begrenzt, es verfällt der Rubrik oder wird kanonisiert. Der Kenner mag nicht bis zum Künstler dringen, denn der ist lebendig; mit ihm kann man sich nicht „abfinden". Darum bangt dem Kenner vor der Lebendigkeit und aller Lebendigkeit vor dem Kenner. Aber die Besitzenden und die Kinder — da ist der Mensch, und die Kunst sucht den Menschen. Die haben keine Angst sich zu verlieren, denn haben sie sich verloren, bringen sie die schönsten Funde heim. So taucher: sie unter, schmeicheln sich hinein in das Kunstwerk und fragen und bitten, bis sie über das Kunstwerk hinaus hineingelangt zum Künstler, und wer zu trinker. begehrt, sollte doch immer zur Quelle, denn von dort sind die W r asser lebendig.
Ein junger Künstler ging hinaus und suchte das Leben. Wo und wann und wie es sei, nur Leber, sei's, und dann ist es Kunst. Um die Dichtung, die Seele dieses Lebens, war ihm nicht bange, denn er hatte weinende Stunden gelebt, er war Wege gegangen, wo Gottesschauer die Seele umfangen und Tod und Not alle Tiefen aufthun. So hatte er Farben auf der Palette und Andacht in der Seele. Und er zitterte nach Leben. Die Natur sprach es ihm, lächelnd in