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G. Kutna: Richard Goldberg.
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des Impressionismus nach. Nur wird ihm die Impression noch nicht zur Kunst, wenn sie nichts giebt als das „elementare Farbengedicht" des Eindrucks. Dies muss sich erst einen mit dem Seelengedicht, das ihm entgegenklingt, um in gegenseitiger Steigerung zur Einheit zu verschmelzen. Und weil er diese erlebte Einheit sich gegenständlich machen wollte, weil er des Glaubens war, dass die Dichtung um so schöner sei, je mehr sie "Wahrheit ist und dem Erlebnisse treu, dem sie entsprungen; darum hat er anderthalb Jahre mit seinem „Fasttag" gerungen, darum knetete er Stoffe und Farben und kam zu dieser eigenartigen Technik einer Reliefmalerei. Denn die Natur zeigt sich malerisch und plastisch zugleich, die Lichtstrählen treffen das Auge und zeigen den Flächen- charakter der Erscheinung, das Auge aber tastet den Schatten nach und komponiert aus der Rundung und Brechung der Linien die plastische Wesenheit des Objekts. Und in solcher malerisch - plastischen Lebendigkeit waren die betenden Juden dem Maler in Erscheinung getreten, umfangen vom Betraume und seiner Andacht.
Es ist Nachmittag; die Herbstsonne senkt wehmütig grüssende Strahlen in den Raum, und müde Kerzen flackern ihrem Grusse entgegen. Sie flackern in den Abend, in die Nacht und nun in den sinkenden Tag hinein, „von Abend zu Abend", und dann sollen sie sterben. Sie breiten Schein und Dunst um sich, und um sie und ihren Schein schweben Hauch und Ton, Wünsche und Reue. Die Luft wird immer dichter, die Töne immer flehender, der Raum enger, und immer mehr pulsen die Herzen in Einheit. Die Körper sind matt, die Luft ist schwül, die Töne geschwächt, die Melodien alt ünd das Weinen grau. Das Leben ist hart, der Glaube aber hoffend, und die Versöhnung sein schönster Schimmer. Die Gebete klingen noch in der Luft und kehren in die Herzen wieder, aus denen sie erklungen; die Seufzer hauchen noch um die Lippen, und schon schweben sie als Widerton von Nachbar zu Nachbar. Die einzelnen beten nicht mehr, es betet etwas um sie und in sie hinein. Wünsche und Hoffnungen, Erinnerungen und Thränen ballen sich zusammen, und Dunst und Schatten und Hauch und Mattigkeit, und geben dem Räume die Seele. Alles ist in eins zerflossen, es schwebt darum und darüber, trübe und hoffend, hungernd vom Kasteien und vom Glauben getränkt. Das Individuum wird eins mit dem Ganzen, und alle Sonderung verschwimmt; ein Atem, ein Schleier legt sich um Seele und Gebet, um Pult und um Leuchter, um Augenbrauen und Totengewand. Das ist die Stimmung des sinkenden Tages der Versöhnung.
In diesen Raum trat der Maler, und das sah er. Er sah's, weil er's sehen gelernt mit den Augen seiner Väter und seiner Kindheit. Er wollte Leben malen, wie es sich sondert und eint im Räume, in Licht und in Luft, die Synthese von Stimmungsgehalt in einer
RICHARD GOLDBERG-LEOBSCHUETZ.
Studie zum Bilde „Betende Juden".