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S. IIIRSZENBERG.

Sabbatnachmittag.

KUXSTV. PHÖNrX, BERLIN NW. 23.

SAMUEL HIRSZENBERO.

Von B. Sam uel.

Es ist ein eigen Ding um die Schlagworte und Richtungen in der Kunst. Mit ihnen lässt sich trefflich streiten, man kann sie bequem an­wenden, ihnen einen Sinn abgewinnen und mit ihnen ein System bereiten solange man sich in den unteren und mittleren Regionen des künstlerischen Schaffens bewegt. Kaum ist man aber auf eine wirkliche Höhe gelangt, so fallen sie alle lautlos, wie welke Blätter, zu Boden. Alle die schönen und geistvollen Theorien, mit denen man sie verteidigte oder bekämpfte, bleiben wie altes Eisen unten am Fusse liegen, und vor unserem Auge dehnt sich ein neuer entzückender Horizont.

An die Nichtigkeit des Streits um die Be­rechtigung oder Verwerflichkeit des Prinzips Tart pour Tart" denkt man, wenn man die besten Schöpfungen Samuel Hirszenbergs be­trachtet. Da hadern sie darüber, ob es dem Künstler gestattet sei, nebenbei auch in allen Fragen der Kultur und des Lebens denkender und fühlender Mensch zu sein, oder ob er in seinem Werke nur den Zusammenklang der

Linien, Farben und Flächen darstellen dürfe, während alles, was darüber hinaus geht, als lite­rarische Idee, als philosophischer Ballast zu ver­werfen sei. So stehen sie da und hadern und manch einer, der geringem Geistes ist, schwankt und zaudert und wagt es nicht, aus sich heraus­zutreten, ehe der Streit entschieden ist, oder er schwört der einen oder der anderen Theorie ewige Treue und opfert ihr vielleicht sein Bestes. Doch siehe, es erscheint ein Meister: er hört sich beide Parteien genau an, aber er tut, was er will, oder besser, was er muss, wozu die Natur seines inneren Könnens ihn zwingt, und wenn sein Werk fertig vor den Augen des Be­schauers dasteht, prallen alle Argumente und Theorien davon ab, die schönsten und geist­reichsten Formeln zerschellen daran; es spottet ihrer, weil es über sie hinausgewachsen ist, und sie sich zu eng erweisen, es zu fassen.

Hirszenbergs reifste Werke gehören zu denen, die wie dazu geschaffen sind, das Schlag­wortl'art pour Tart" ad absurdum zu führen. Auch die schärfsten Anhänger dieser Theorie,