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Samuel Hirszenberg.
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des im Zwielicht über einem Buch grübelnden Greises uns wiederum den verklärten Ernst des Lebens zeigt. Für immer prägt sich dem Beschauer das Bild „Am Sabbatnachmittag" ein, ein von aussen beleuchtetes Interieur, mit einer meisterhaften Verkürzung, an dem besonders die Komposition und die Beseelung der Gestalten einen grossen Eindruck hervorrufen. „Der Friedhof", ein lose komponiertes Stimmungsbild, wirkt durch die Energie und die Kraft der Bewegungen. Schmerz und Zorn haben einen machtvollen und verwegenen Ausdruck in dem Riesengemälde „Der ewige Jude" gefunden; einem düsteren und erschütternden Bilde, welches seinerzeit in Warschau und Paris ungeheuren Eindruck machte, besonders die monumentale Figur des „Ewigen Juden" wirkte stark, trotz des Tugendgürtels, den ihr ein schämiger und zartbesaiteter Zensor umzuhängen für gut befand. Doch findet der Künstler selber keinen Gefallen mehr an dem Bilde und gedenkt es umzuarbeiten.
Von einer grossen inneren Reife und Sammlung zeugt das Bild „Golus", von dem wir Fragmente im vorigen Hefte veröffentlicht haben. Sowohl in der Fülle der Gestalten, als in der grossen Beherrschung des verschiedenartigen Gesichtsausdruckes, der Durchseelung der Physiognomien und in der Anordnung der Figuren «entwickelte der Künstler hier ein erstaunliches Können nicht nur als Maler, sondern auch als Psychologe und, man möchte fast sagen, als Kulturhistoriker. Denn dieses Bild ist unzweifelhaft
ein merkwürdiges und bedeutsames Dokument unserer Zeit. Besonders wirksam gestaltet sich dieses Bild noch dadurch, dass der Künstler für die Komposition den sog. „ringförmigenLichtgang" gewählt hat, wodurch der im Schatten bleibende Mittelpunkt des Bildes nur noch ernster und ergreitender hervortritt.
Doch hat der Maler des „dumpfen" Ghetto eine grosse Liebe zur Natur, die sich in seinen Landschaften, italienischen wie nordischen, kundgibt. Gelegentlich pflegt er auch die Dekorationsmalerei.
Porträts sind nur wenige von ihm bekannt geworden, aber die wenigen sind von grossem, intimem Zauber; so das Selbstporträt, das Porträt seiner Gattin, das Porträt einer jungen Dame u. a. Interessant ist es, dass Hirszenberg, der Maler des ewigen Juden, ein — Christusbild gemalt hat, und zwar eins, das wohl zu den besten dieser Art gehört.
Nach Vollendung des Bildes „Golus" trägt Hirszenberg sich mit dem Plane, ein Gemälde aus dem althebräischen Leben in Angriff zu nehmen, welches die zum Fest gen Jerusalem ziehenden Pilger („Ole-Regel") darstellen soll. Zu diesem Behufe gedenkt er eine Reise nach dem Orient zu unternehmen, um an Ort und Stelle Studien zu machen. Hiermit begibt sich der rastlose Künstler auf ein neues Gebiet, wohin ihm die spannungsvolle Erwartung, aber auch die herzlichsten Wünsche seiner Freunde folgen.
S. HIRSZENBERG.
„PASTORALE" (DEKOR. PANNE AU).