865 H . York - Steiner : Koriander , der Chasan . 866 von ab . Seine königliche Hoheit hat Sie gern , und wenn Sie in die „ Meistersinger " g ' fall ' n , bekommen S ' das Dekret . — Ich hätt ' mein Wort gehalten . Sie köanten alles von mir haben — alles . Aber heiraten ? . . . Nein , ich bind ' mich überhaupt nicht . Höchstens , wann ich ein grosses Glück machert , wann mich a Graf oder a Fürst heiraten tat ' . " Koryan war bleich geworden , sein Herzschlag stockte , dann wieder stieg ihm das Blut auf , dass er meinte , es sprenge ihm alle Pulse . Er suchte nach Worten und konnte nichts sagen als : „ Aber das ist ja schrecklich . . . " „ Nein , das ist gar nicht schrecklich/ ' entgegnete die Vestro , der die Tränen aufstiegen . Sie war sehr bewegt und versuchte , hochdeutsch zu sprechen . „ Mein Vater war ein Hausmeister , ein armer Teufel mit sechs Kindern , vier Mädeln und zwei Buben . Für zehn Kreuzer hat er Sommer und Winter mitten in der Nacht das Tor aufsperren müssen , so dass er mit 40 Jahren den Rheumatismus in allen Gliedern g ' habt hat . Wir Kinder haben uns nie rühren dürfen , weil ein Hausmeister eigentlich keine Kinder haben darf ; wir sind wie die Kellerpflanzen aufgewachsen , und jedem Menschen im Haus haben wir „ Küss d ' Hand 44 zurufen müssen . Endlich war ich gross , und die Stimm ' ist gekommen und als Choristin eine Gage von 40 Gulden , und jeder Kerl beim Theater hat einen abgetatschelt . Ich bin keine Heilige , aber ich hab 1 mir ' s zugeschworen : ich verkauf mich nicht . Gelernt hab ' ich Tag und Nacht und studiert das ganze Jahr . Endlich hab ' ich meinen Eltern eine Greislerei kaufen können . Meine Gage ist noch nicht gross , und ich muss viel hergeben . Ich bitte , noch fünf Kinder ausser mir , und ich lass ' sie was lernen . Die alle warten , dass ich mein Glück mach ' , wie so viele beim Theater . Wenn ich da mit einem Mann käm ' — einem Anfänger vom Theater , ich denk " , die sterben vor Schreck . . . Und das war ' auch nichts für Sie , so eine Theaterehe . Einmal hat man ein Engagement zusammen , dann wieder nicht ; man ist auseinand ' und man kommt auseinand ' — das alte Theaterelend . Nein , ich zittre vor allem Elend , ich hab ' genug davon als junges Kind gehabt . " Während sie sprach , traten ihr die Tränen aus den Augen , und als sie geendet hatte , weinte sie leise vor sich hin . Koryan hatte sich vor sie hingekniet , ihre Hände erfasst und sanft geküsst ; sie entzog sie ihm und streichelte ihm wie gewöhnlich den Scheitel . Er wollte ihr auch etwas sagen — aber er stammelte nur . Das war ihm so neu , so unfassbar . . . . Und doch , sie liebte ihn — in ihrer Weise . „ Ich hab ' Dich lieb, " wiederholte er immer wieder , „ ich hätt ' Dich all mein Lebtag auf Händen getragen . Du wärst mir Poesie und Kraft , Schönheit und Reich¬ tum gewesen . . . . " Sie aber hob ihn empor , küsste ihn leidenschaftlich und er gab ihre Zärtlichkeit tausend¬ fach zurück . . . . Als er von ihr ging , weinten sie vor Aufregung . Er küsste ihre Hände , ihre halbentblössten Arme , ihren Hals und ihr Gesicht , sie verstanden aber beide , dass der kurze Traum vorüber sei . Er wusste wieder nicht viel zu sagen als : „ Dank . . . vielen , vielen Dank für Deine Liebe . . . . " Sie wischte sich die Tränen ab und schob ihn zur Türe hinaus . --- Am nächsten Tage mussten sie beide zur Probe ; die Aufführung der „ Meistersinger " rückte immer näher , es wurde daher auf der Bühne arrangiert . Die Vestro war nervös , Koryan niedergeschlagen , so dass die Kollegen es für geraten hielten , sich aller An¬ spielungen zu enthalten , die sonst reichlich fielen , denn es war längst klar , dass zwischen den zwei hübschen Menschen ein inniger Zusammenhang be¬ stehe . Während einiger Szenen , in denen sie wenig beschäftigt waren , sassen sie in den Parkanlagen , die das Theater umgaben , zusammen auf einer Bank . Sie stocherte mit ihrem Schirm in der Erde , er sah ihr voll Erwartung ins Gesicht . Sie war in einem ge¬ schlossenen Wiener Kleide erschienen , das dunkle Tuch umfasste knapp ihre vollen Formen , die Hände staken in hohen Handschuhen , den Federhut hatte sie mit breiten Bändern um den Kopf gebunden . . . . Es war alles so ernst und geschlossen an ihr , er wollte gar nicht glauben , dass er gestern dieses Weib in seinen Armen gehalten , dass er ihren Körper gefühlt , ihre Lebenswärme eingesogen hatte , dass sie sich ihm in fesselloser Hingebung überlassen hatte . Und ein leidenschaftliches Verlangen stieg in ihm auf , ihr die Handschuhe abzustreifen , um an ihren weichen Händen ihr pulsierendes Leben zu fühlen . Sie wehrte still ab und schaute ihm bittend in die Augen . Sie erschrak vor dem Ausdruck seines Gesichtes , vor der Glut seines Blickes . „ Verzeih , verzeih — es war unrecht . " flüsterte sie . Er schaute sie wortlos an , seine Augen bohrten sich in die ihren , er verzehrte sie mit seinen Blicken , dass sie verwirrt zu Boden schaute . Eine Glut war in ihm aufgestiegen , ein wildes Begehren , dass es ein Zittern durch seinen Körper jagte . Die Worte kamen ihm wild und ungestüm — er konnte sie auch nicht dämmen , es war , als spräche ein anderer aus ihm . Nur soviel Kraft besass er , den Ton zu dämpfen , dass nicht unberufene Hörer sie be¬ lauschten . „ Du . . . Du hast es gewollt . . . Du hast mich gerufen — ich hab ' früher nicht einmnl gemerkt , dass Du ein Weib bist . . . Und jetzt , jetzt . . . wo — wo ich krank bin vor Unruhe . . . vor Verlangen — jetzt sagst Du : — genug und nie wieder . . . Das ist ein ungerechtes Spiel mit einem ehrlichen Menschen . . . das ist eine Sünde ! . . . " Sie hielt die Hand auf der Brust , als wollte sie ihre Empfindung niederhalten , und je ungestümer seine Vorwürfe sich entluden , desto heftiger atmete sie . Endlich stand sie auf , beugte sich über ihn und flüsterte ihm zu : „ Du darfst nicht mehr zu mir kommen . Ich . . . ich hätt ' Dich zu gern . . . ich rieht ' uns alle zwei zugrund ' . . . Ich spür ' s , wenn wir noch einmal zusammen kommen — dann lass ' ich Dich nimmer los . . . Und heiraten mag ich nicht — ich tu ' s einmal nicht . . . In ein paar Wochen wirst Du mir danken . Geh , sei g ' scheit ! Zwei Anfänger beim Theater heiraten . . . da bring einer den andern um und — und — so wie ich mir das gedacht hab ' , geht das bei Dir nicht . . . Du bist zu — zu romantisch — zu — gefährlich . Ueberhaupt , so schwerfällig darf man beim Theater nicht sein . . . Sie — Sie werden ' s auch nicht leicht zu was bringen . . . Lustig — ein bisserl leichtsinnig — dann geht alles . . . Und jetzt schaun S ' zu Ihrer Partie , sonst blamieren S ' Ihnen mit ' n Stolzing ! " Damit ging sie — und er durfte sie nie wieder besuchen . In der Residenz wurde es bald bekannt , dass Koryan in die Vestro verliebt sei , dass er unglücklich liebe . Man sprach viel von den beiden jungen Künstlern , man bedauerte den Tenor und bewunderte die Sängerin und lobte ihre Korrektheit . Sie hatte vorerst den Kollegen täglich bei sich gesehen , um mit ihm zu studieren , als sie jedoch seine beginnende |