869 H . York - Steiner : Koriander , der Chasan . 870 Er gab den prüfenden Blick Bierbaums dankbar zu¬ rück . „ Ich werde übermorgen singen, " das waren seine ersten Worte . -- „ Wie geht ' s mit der Stimm ' ? u frug Bierbaum . „ Recht , recht gut , Gott sei Dank, " war die Ant¬ wort . Am selben Abend im Heidelberger Hof verkündete der Buffo seinen Kollegen : „ Er hat sich gefunden , der Koryan , er klaubt sich zusamm ' — und die Stimm ' , ach die Stimm ' ! Na , das wird einmal ein Stolzing werden ! " Auch das sprach sich in der Stadt herum , und alle Welt wollte die „ Meistersinger " hören . Die offiziellen Kreise waren ohnehin am Geburtstag Seiner Hoheit im Theater , aber diesmal drängte sich die ganze Stadt zur Vorstellung . Man hatte soviel von einer romantischen Neigung des ungarischen Tenors zur Sängerin des Evchen ge¬ sprochen — es war auch durchgesickert , dass ein Graf um die Hand der Vestro angehalten hatte . Die einen erzählten , sie hätte den reichen Magnaten abgewiesen , die anderen wussten , dass der Kollege einen Korb bekommen hätte . — Manche hatten gehört , Koryan habe sich mit dem Grafen an der belgischen Grenze duelliert . Das gesamte Publikum war in einer merk¬ würdigen Erregung , die auf die Bühne übergegriffen hatte . Die ganze Aufmerksamkeit war dem Koryan zugewendet . Karabacsek hatte ein Glas Pilsener in die Garderobe geschickt , Witzleft kam schon eine halbe Stunde vor Beginn , um nach seinem Befinden zu fragen . „ Denken Sie nur immer an den geistigen Inhalt dieser herrlichen Partie , dann kann ' s Ihnen nicht fehlen . Und . . . . ja . . . . so eine Ehre — der Geburtstag Seiner Hoheit . . . . Das hab ' ich Ihnen zum Schiuss aufgespart : Seine Hoheit wünschte , dass Sie heute den Stolzing singen . Natürlich waren wir alle dafür . " Bierbaum hatte seine Beckmesser - Maske rasch beendet und half den jungen Kollegen herausstaffieren . Mayersberger - Pogner guckte ihm boshaft ins Gesicht . „ Schön schaust aus — so a Schminkerei ! " Als Münchner hatte er das Renommee , sich auf die Verteilung von Farben zu verstehen ; er setzte Fleischfarbe auf und Rot und wischte und drückte , trat zurück und vor , bis er zufrieden war . . . Alle hatten an seinem Kostüm , an seiner blonden Perücke zu ändern , zu zupfen und zu glätten ; alle sagten zu ihm „ du " und jeder versprach ihm , „ die Daumen zu halten " . Nur die Vestro hielt sich fern , was allen Teilen sehr angenehm war . — Schrottbach kam noch rasch auf die Bühne , besprach einige schwierige Einsätze mit ihm , und dann stieg er ins Orchester hinab . Die Unruhe im Zuschauerräume hatte sich gelegt ; man hörte ein leises Klopfen , und das Vorspiel zu den „ Meistersingern " ertönte in vollen Akkorden . Als Stolzing seine ersten Sätze sang „ Verweilt — ein Wort , ein einzig Wort, " ging wieder leises Rauschen durch das Haus , das sich noch einmal wiederholte , als Eva mit dem Satze „ Mein Brusttuch — schau , wo liegt es " , einsetzte . — Bierbaum hatte ihm vorher gesagt : „ Druck ' die Augen zu und denk ' , es ist eine andere , ein wirkliches Mädel aus Nürnberg . " Er hatte nur so vor sich hingelächelt . — Die erste Begegnung mit Eva war vorüber . David , der Lehrjung , hatte ihn im „ Kunstgesang " unterwiesen . Es kam die Szene mit den Meistersingern . . . In ihm blühte und klang es , ein ganzer Seeienirühiing duftete aus seinem Gemüt . Er sah das kleine schmucke Gotteshaus in Tamnitz , die lieben Gesichter seiner alten Gemeindemitglieder — sein Herz war feiertäglich gestimmt , und die Töne zogen sieghait aus der Brust . Die Kollegen schauten sich befriedigt an . Witzleff sagte : „ Der ist ganz im Charakter seiner Partie . " Schrottbach zwinkerte hinter dem Kneifer mit den Augen und nickte ihm vom Dirigentenpult aus freundlich zu . „ Am stillen Herd zur Winterszeit , wenn Burg und Hof mir eingeschneit . . . " die Weise klang so traulich , so heimatlich ; und gar der Schiuss „ Herr Walther von der Vogelweid ' , der ist mein Meister gewesen " — das war ein Sprossen und Quellen in der jugendlichen Kehle , dass ein Strom von Wohlbehagen alle Hörer umfing . Nach dem ersten Akte umringten ihn alle und ermunterten ihn mit aufrichtiger Freude . „ So hat er noch nie gesungen — eine ganz frische , neue Stimme ! Nein , dieser Timbre , dieser zarte innige Ansatz ! " , so klang es um ihn her . Bierbaum zog ihn nach dem zweiten Akt in die Garderobe . „ Jetzt kommt die Hauptsache , das Preis¬ lied — jetzt zeig ' s ihnen allen ! " — Es brauchte bei Koryan keiner Stimulanz ■ — er war eingehüllt in weihe¬ volle Erregung . Er fühlte jede Note auf seiner Seele und konnte kaum erwarten , die Spannung zu lösen und seine Empfindung zu entlasten . Ihm war wie einem Genesenen , nach schwerer Krankheit Aufer¬ standenen , der seine Kräfte doppelt fühlt und alle Lebensäusserungen vielfach köstlich empfindet . Als er in der Werkstätte Hans Sachsens seinen Traum zu erzählen begann , war es ihm eine Weile selbst , als träumte er . Er nahm die Töne leise , leise , ganz versonnen und versungen — doch sie klangen hell und klar , sein eigenes Ohr umschmeichelnd . Er hörte sich selbst von innen singen , seine Stimme köst¬ lich ertönen . „ Morgendlich leuchtend in rosigem Schein , von Blüt ' und Duft geschwellt die Luft — " Was er sang , er fühlte es . . . Eva hatte , wie es die Partie erheischt , ihm innig ins Angesicht gesehen , dann aber , vom Zauber seines Gesanges hingerissen , ihn mit den Augen geliebkost . Einen Augenblick zuckte es in ihm auf wie angefachte Glut . Es hatte kaum einen Augenblick gedauert . Dann aber richtete er sich auf , gerade als der Einsatz zum dritten Vers herankam . „ Weilten die Sterne im lieblichen Tanz ? So licht und klar Im Lockenhaar , Vor allen Frauen Hehr zu schauen , Lag ihr mit zartem Glanz Ein Sternenkranz . " Seine Stimme wurde immer weicher , zarter , inniger . Fast körperlos , losgelöst von aller Schwere des Entstehens , zogen die Töne in den Saal . Die letzten Sätze : „ Dort Huld - geboren , Nun Ruhm - erkoren , Giesst paradiesische Lust Sie in des Dichters Brust — Im Liebestraum " waren von solcher Empfindung getragen , dass Eva , die ihrer Rolle nach dem Hans Sachs weinend an die Brust sinken soll , wirkliche Tränen vergoss . Zum Glück deckte das anschliessende Quintett ihre Er¬ regung . ---- Die Oper ging zu Ende , der Vorhang hob sich für die Verwandlung . Die Entwicklung der Handlung hatte ohnehin die Spannung aufs höchste gesteigert , |