413 Die Israeliten Kumiiniens . 414 geborenen Juden werden zu keinem öffentlichen Staats - oder Gemeindeamt zugelassen ; sie dürfen weder Lehrer noch Apotheker noch Briefträger noch Aerzte an Krankenhäusern werden . . . . Sie werden nur in geringer Anzahl an den Fabriken angestellt , die die Vorteile des Gesetzes zur Förderung der nationalen Industrie geniessen ; sie dürfen nicht in die Kunst¬ oder Gewerbevereine gewählt werden . Sie werden in die öffentlichen Schulen erst auf¬ genommen , nachdem alle Kinder der rumänischen Bürger untergebracht sind und auch dann nur unter Zahlung eines ziemlich hohen Schulgeldes . Und da für die bevorzugte eingeborene Bevöl¬ kerimg nicht genügend Platz vorhanden ist , bleibt den jüdischen Kindern unerbittlich die Schule ver¬ schlossen , für die ihre Eltern in demselben Masse steuern wie die andern Bürger . Aus den Landge¬ meinden , wo sie sich nur zu sehr schwierigen Bedin¬ gungen niederlassen und keinen Zoll Boden erwerben dürfen , werden sie vertrieben und müssen immer gewärtig sein , als Vagabunden ausgewiesen zu werden , und nach dem Gesetz von 1912 können sie nur unter den grössten Schwierigkeiten einen Pass zur A uswanderung aus dem Lande erhalten , das sie so hart behandelt . Kurz , sie sind die letzten Sklaven , die noch in Europa existieren . Dabei bezahlen diese Heloten als Rumänen alle Steuern und tragen dieselben Lasten wie die übrigen Bürger ; sie haben gleiche Pflichten und gar keine Rechte . Sie müssen als Soldaten das Vaterland ver¬ teidigen , das sie für Fremde erklärt und für ihre grau¬ same Stiefmutter ihr Blut vcrgiessen ; die Nationalität wird ihnen abgesprochen und sie können in der Armee auf keine Beförderung rechnen ..... Zehntausend Israeliten dienen in Rumänien und kämpfen für ein Land , das ihnen die selbstverständlichsten Menschen¬ rechte verweigert . Wie haben so brutale Massregeln von einem Volke kommen können , das durch seinen römischen Ursprung dazu geboren ist , durch Recht und Billigkeit zu herrschen ? Und warum achtet man nicht darauf , dass Rumänien für sein eigenes Gedeihen und seine eigene Grösse die Gelegenheit seiner jetzigen Ver - grösserung dazu benutzen müsste , seine unter geistigem wie materiellem Joch gebeugten Sklaven zu befreien ? Warum sieht man nicht die Unmöglichkeit ein , die freien Juden Bulgariens zu Sklaven zu machen , wenn sie ohne klare und nicht zu umgehende Garantien an Rumänien überwiesen werden ? Wie können die Mächte solche Entwürdigung der Menschheit dulden ? Die Freunde Rumäniens wünschen diesem Lande eine jener Inspirationen , die von Herzen kommen und stets die schönsten historischen Taten einer Nation bilden . Wenn Rumänien jetzt freiwillig die Juden emanzipiert , wird es gleichzeitig seine Seele von der Schuld befreien , die anders nicht gesühnt werden kann , denn sie hat ihren Ursprung in der Verfolgung ; und in der Unduldsamkeit . Wenn es die Israeliten nicht freiwillig emanzipiert , wird es später nicht nur durch die Grossmächte , sondern durch jene unaufhaltsame und unverletzliche Macht dazu gezwungen werden , die Macht der Menschenwürde und der Freiheit . Die Völker , die den Juden und den Anhängern anderer Bekenntnisse nicht die kon¬ stitutionelle Freiheit geben , beweisen allein dadurch ihre Minderwertigkeit . , ,Jedes Volk hat die Juden , die es verdient " ; die Juden Rumäniens sind arbeitsam , sanft und anhänglich an ihr Geburtsland , sie lassen schliesslich die vollständige Bekehrung Dajiens zur Religionsfreiheit erhoffen . Das ist das beste Lob , das man den Nachkommen der alten Rumänen spenden kann . Unsere Augen füllen sich mit Tränen der Ent¬ rüstung und des Mitleids , wenn wir die folgende Pe¬ tition lesen , die die Juden Rumäniens im Jahre 1910 an das Parlament in Bukarest gerichtet haben : „ Wir fragen , was alle diese Massregeln recht¬ fertigen kann ? t Nichts ! W ' as immer wir tun , dient dem Wohl des rumänischen Volkes , mit dem wir uns durch Sprache . Gedanken und Empfindungen eins fühlen . Nur der Glaube unterscheidet uns ; aber dieser Unterschied vermindert weder unsere Liebe zu dem rumänischen Volk noch die Liebe, , die dieses Volk in seinem tiefsten Herzen für uns hat . Warum also diese Hartnäckigkeit ? . . . " „ Im Namen der Gerechtigkeit und um der Grösse Rumäniens willen beschwören wir Sie , diese traurigen Anomalien aufzugeben ; „ wir sind keine schutzlosen Fremden " , wir sind rechtmässige Kinder dieses Landes und haben das Recht auf seinen Schutz : bestreiten Sie nicht länger unsere Eigenschaft als Rumänen \ " Solche von starker Güte zeugenden Bitten kommen immer aus gequälten Herzen , mögen sie nun Christen oder Juden oder irgend einer anderen Religion angehören . Die Geschichte sammelt sie , gestaltet sie aus und sie werden später zu triumphierenden Hymnen der Freiheit , die die erlösten Geschleckter , sich über¬ liefern ; in der nationalen Geschichte werden dann Bedrückte und Bedrücker im läuternden Vergessen gemeinsam brüderlich gefeiert . Diese Interventionen haben in den politischen Kreisen und in der Presse Rumäniens grosse Auf¬ regung verursacht . Die allgemeine Frage der ein¬ geborenen Israeliten Rumäniens beiseite lassend , gaben die bei fremden Regierungen akkreditierten Vertreter Rumäniens zu verstehen , dass die infolge einer Annexion zu Rumänien kommenden neuen Untertanen dieselben Rechte behalten würden , die sie in ihrem Ursprungs¬ lande hatten und dass Rumänien in dieser Hinsicht nicht anders vorgehen würde , als es bei der Annexion der Dobrudscha im Jahre 1877 geschehen war . In zwei Zuschriften an die „ Jewish Chronicle " gab der rumänische Gesandte in London , Herr Mischu , sogar formelle Versprechungen . Es heisst darin : „ Die jüdischen Bewohner der Dobrudscha , die nach dem Kriege von 1877 von Rumänien annektiert worden sind , haben alle Rechte behalten , die die übrigen Bürger dieser Provinz genossen hatten , seien sie nun Bulgaren , Türken oder Slawen gewesen . Heute haben alle ehemaligen ottomanischen Bürger dieser Provinz , welcher Nationalität sie auch angehört hatten , sämt¬ liche Bürgerrechte . In bezug auf die Gebiete , die an Rumänien ab¬ getreten werden sollen , kann ich in der kategorisch¬ sten Form erklären , dass die Bewohner dieser Gebiete , ob sie nun der jüdischen oder einer anderen Konfession angehören , weiter alle politischen und bürgerlichen Rechte geniessen sollen , die sie jetzt als Zugehörige eines anderen Landes besitzen . Was besonders die Israeliten von Silistria und der anderen Ortschaften betrifft , die an Rumänien abgetreten werden sollen , so werden sie im Genuss aller Rechte bleiben , die sie als bulgarische Bürger besessen haben . " Die rumänische Presse bespricht ausführlich die zugunsten der rumänischen Juden unternommenen Schritte . Wir geben im folgenden einige Urteile der bedeutendsten Organe : |