Sl Mischehen. 82

Unglück. Ob stets mit Recht, läßt sich gewiß schwer feststellen, und die Eheschlie­ßung, auch mit Glaubensgenossen, ist stets ein ernster und verantwortungsvoller Schritt. Aber die Eingehung einer Mischehe ist doch besonders bedenklich und gefährlich, auch vom Standpunkte der Gatten, nicht nur von der des Judentums aus. Nur zu leicht, fehlt hier jene Uebereinstimmung in den tiefsten Grundlagen des Lebens, die sich leicht ergibt, wo die Gatten dem­selben Bekenntnis angehören und aus dem gleichen Ursprung stammen. Bei Zerwürf­nissen, die sich überall, namentlich nach schweren Schicksalsschlägen einstellen kön­nen, wird nur zu oft das Bekenntnis des'einen oder des anderen Gatten verant­wortlich gemacht, und auf diesem Boden findet dann besonders auch der Antisemi­tismus leicht seihe Stätte. Wir kennen manchen, der es nachher bitter bereut hat, daß er bei der Wahl der Gattin oder des Gatten nicht in dem Kreise geblieben ist, in den er durch sein Bekenntnis gewiesen ist. Diese Beobachtungen und Probleme treten uns auch in der modernen Dich­tung entgegen. Auch sie ist durch die Verwirrungen und Verwicklungen, die die Mischehe so leicht begleiten, lebhaft ge­fesselt worden. Ernst von Wildenbruch hat sich in seiner rührenden Kinderge- schichteViceuiaraa" und Hans von Kah­lenberg in ihrem großen BomanAhasvera" mit ihren Rätseln auseinandergesetzt. Nir­gends erscheint sie dabei als ein Glück, sondern überall als die Klippe, an der sonst ausgezeichnete Menschen Schiffbruch leiden, als die Wurzel von traurigem Un­glück ioder von lebenslänglicher Glück'- losigkeit.

Das Judentum ist der Mischehe stets entgegengetreten. Die biblische Zeit verbietet sie allerdings nicht allgemein, sondern untersagt nur die Verbindung mit den kanaanitisehen Völkern und einigen anderen Nachbarn, das eine Mal mit vol­lem, das andere Mal mit geringerem Nach­druck (V. M. cap. 23 Vi 4 ff.).Kein Ammoniter und kein Moabiter darf in die Gemeinde des 1 Ewigen kommen, auch im zehnten Geschlecht noch nicht. Du darfst den Edomiter nicht verabscheuen, denn er ist dein Bruder, den Aegypter nicht, denn du warst Eremdling in seinem Lande. Von den Kindern, die von ihnen abstammen, darf das dritte Geschlecht in die Ge­meinde des' Ewigen eintreten." Es wird hier also zwischen Mischehe und Mischehe unter­schieden, und in der biblischen Zeit tritt sie uns auch gar nicht selten entgegen. Mose ist mit einer Aethiopierin, Boas' mit der Moabiterin Ruth, Salomo mit einer ägyp­tischen, Ahab mit einer tyrischen Prin­

zessin verheiratet. In dieser Zeit, wo die jüdischen Stämme in geschlossenen Massen in ihrem eigenen Lande wohnen, ist die Verbindung mit fremden Elementen noch nicht so gefährlich und kann den Bestand des Judentums keineswegs erschüttern. Zur dringenden, schweren Gefahr wird sie erst in den folgenden Jahrhunderten der Zer­streuung Und ider Schwäche. Da droht unserer Religion und unserem Stamm durch die fortdauernde Vermischung mit fremden Völkern ohne weiteres Abbröckelung, Auf­lösung und völliger Untergang. Und in dieser Zeit raffen sich auch die Führer des 1 Judentums zum entschiedensten Kampf gegen das zehrende Uebel auf. Esra und Nehemia arbeiten mit bewunderungswür­diger Energie an der Heilung des 1 schwer erkrankten Judentums und finden auch den ersehnten Erfolg. Die Volksgenossen ver­pflichten sich feierlich (Nehemia 10, 31) ihre Töchter nicht den Völkern des Lan­des 1 zu geben und deren Töchter nicht für ihre Söhne zu freien". Diese Verpflich­tung gilt in ihrer vollen Kraft auch für uns 1 heute.

II.

Denn für unsere Glaubensge­meinschaft ist heute die Misch­ehe eine schwere, das Leben ge­fährdende Bedrohung. Nur eine einzige unserer Nöte könnte noch verhäng­nisvoller werden, der beispiellose Geburten­rückgang. Dagegen haben wir von dem ausgesprochenen Abfall lange nicht so viel zu fürchten. Gegen diesen hat der Jude meist eine starke Abneigung, und wer der Gemeinschaft dennoch abtrünnig wird, der scheidet in der Regel auch voll­ständig aus ihr aus, nicht nur aus der Syna­goge, sondern auch aus der Gesellschaft.

Anders liegen die Dinge oft bei einer Mischehe. Wer eine solche schließt, bleibt häufig dem Anschein nach Jude, wie er es früher auch war, als ob sich nichts ge­ändert hätte. jEr bleibt gelegentlich (ein .eifri­ger Besucher der Synagoge und halt wohl gar auch seinen streng rituellen Haushalt wie bisher, sogar in der Kriegs zeit, mit unverkennbaren Opfern gewissenhaft auf­recht. Gerade diese Familien liefern merkwürdige und überraschende Beispiele für die unglaublichen, seltsamen und un­erwarteten Verwirrungen und Verwicklun­gen, die das' Leben in dem weiten Baume der'sittlichen Welt erzeugt ; sie legen Zeug­nis ab für die merkwürdige, oft unbegreif­liche Fähigkeit des' Menschen, die größten Widersprüche, Feuer Und Wasser, in seiner Seele zu vereinigen, auf beiden Seiten zu hinken, wie der Prophet Elia in einer schicksalsschweren Stunde seinem Volke vorgeworfen hat. Denn auch da ? wo ein-