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Dr . Echiel Tschlenow .
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kein
m et¬
wa r ,
lieh ,
sein
bevor entscheidende Entschlüsse gefußt würden ;
er fühlte sich mehr als Richter denn als An¬
walt , und liebte es daher , in der Diskussion am
Knde noch alle Gesichtspunkte zu einem über¬
sichtlichen Bilde zusammenzufassen , wobei er
auch den von ihm abgelehnten Ansichten nach
Möglichkeit ge¬
recht zu werden
strebte .
Daß Tschle¬
now mit diesen
lüer kurz gezeich¬
neten Eigenschaf¬
ten dem schnell
entschlossenen , an
weit ausgreifen¬
den Ideen über¬
reichen Herzl
ganz beque -
Mitkämpfer
ist verständ -
aber gerade
nüchterner ,
kritischer , ärztlich
geschulter Ver¬
stand , sein be¬
dächtiger , . mehr
wägender als wa¬
gender Sinn war
eine wichtige Er¬
gänzung des stür¬
mischen Charak¬
ters Herzls und
wirkte vielfach
für die Bewegung
überaus segens¬
reich . Zu einem
wirklich scharfen
Konflikt kam es
aber nur einmal ,
im Jahre 1903 , ge¬
legentlich der bekannten Uganda - Angelegenheit
auf dem 6 . Kongresse , bei der er übrigens
durchaus nicht einen so schroff abweisenden
Standpunkt einnahm , wie ihm häufig zugeschrie¬
ben wurde . Er gehörte im Gegenteil auch in
dieser Frage zu den Versöhnlicheren, , indem er
stets nur nach Garantien dafür suchte , daß die
Ugandakolonisation der Palästinasiedlung kein
Hemmschuh werde . Es war ihm daher auch sehr
schwer und kostete ihn große Ueberwindung ,
dem Antrag auf Absen du ng einer Unter -
Dr . Echiel Xeschlenow
suclumgskommission nach Uganda sein Nein
entgegenzusetzen . Als er dann , nachdem der
Antrag dennoch angenommen wurde , mit eini¬
gen Freunden den Saal verließ , weil er sich bei
der weiteren Diskussion für überflüssig hielt ,
dachte er gar nicht ' daran , damit eine große
Demonstration zu
veranstalten ;
diese entstand erst
dadurch , daß alle
Neinsager sein
Herausgehen aus
dem Saal als eine
solche auffaßten
und ihm folgten .
Das Theatralische
war ihm über¬
haupt fremd und
sogar unsympa¬
thisch . Als diese
durch die Char¬
kower Konferenz
noch mehr zuge¬
spitzte Angele¬
genheit im näch¬
sten Frühling in
ein ruhigeres
Fahrwasser ge¬
kommen war , war
Tschlenow einer
derjenigen , die
sich am meisten
für eine Vermitt -
lungsaktion ein¬
setzten ; die Ver¬
söhnung kam
dann ja auch kurz
vor dem Tode
Herzls zustande ,
indem Herzl in
einer Tagung des
Großen Aktionskomitees durch eine Erklärung
die Zweifler überzeugte , daß auch ihm Palästina
am Herzen lag . ,
Nach dem Ableben Herzls war es der
Wunsch des nächsten und aller folgenden Kon¬
gresse , daß Tschlenow mit an die Spitze der
Bewegung trete , seine Arbeit also nicht , wie
bisher , sich hauptsächlich auf Rußland be¬
schränke . Aber er lehnte stets ab , da er aus
persönlichen Gründen Rußland nicht verlassen
konnte und nicht glaubte , fern vom Haupt -