69 Dr . Echiel Tschlenow . 70 kein m et¬ wa r , lieh , sein bevor entscheidende Entschlüsse gefußt würden ; er fühlte sich mehr als Richter denn als An¬ walt , und liebte es daher , in der Diskussion am Knde noch alle Gesichtspunkte zu einem über¬ sichtlichen Bilde zusammenzufassen , wobei er auch den von ihm abgelehnten Ansichten nach Möglichkeit ge¬ recht zu werden strebte . Daß Tschle¬ now mit diesen lüer kurz gezeich¬ neten Eigenschaf¬ ten dem schnell entschlossenen , an weit ausgreifen¬ den Ideen über¬ reichen Herzl ganz beque - Mitkämpfer ist verständ - aber gerade nüchterner , kritischer , ärztlich geschulter Ver¬ stand , sein be¬ dächtiger , . mehr wägender als wa¬ gender Sinn war eine wichtige Er¬ gänzung des stür¬ mischen Charak¬ ters Herzls und wirkte vielfach für die Bewegung überaus segens¬ reich . Zu einem wirklich scharfen Konflikt kam es aber nur einmal , im Jahre 1903 , ge¬ legentlich der bekannten Uganda - Angelegenheit auf dem 6 . Kongresse , bei der er übrigens durchaus nicht einen so schroff abweisenden Standpunkt einnahm , wie ihm häufig zugeschrie¬ ben wurde . Er gehörte im Gegenteil auch in dieser Frage zu den Versöhnlicheren, , indem er stets nur nach Garantien dafür suchte , daß die Ugandakolonisation der Palästinasiedlung kein Hemmschuh werde . Es war ihm daher auch sehr schwer und kostete ihn große Ueberwindung , dem Antrag auf Absen du ng einer Unter - Dr . Echiel Xeschlenow suclumgskommission nach Uganda sein Nein entgegenzusetzen . Als er dann , nachdem der Antrag dennoch angenommen wurde , mit eini¬ gen Freunden den Saal verließ , weil er sich bei der weiteren Diskussion für überflüssig hielt , dachte er gar nicht ' daran , damit eine große Demonstration zu veranstalten ; diese entstand erst dadurch , daß alle Neinsager sein Herausgehen aus dem Saal als eine solche auffaßten und ihm folgten . Das Theatralische war ihm über¬ haupt fremd und sogar unsympa¬ thisch . Als diese durch die Char¬ kower Konferenz noch mehr zuge¬ spitzte Angele¬ genheit im näch¬ sten Frühling in ein ruhigeres Fahrwasser ge¬ kommen war , war Tschlenow einer derjenigen , die sich am meisten für eine Vermitt - lungsaktion ein¬ setzten ; die Ver¬ söhnung kam dann ja auch kurz vor dem Tode Herzls zustande , indem Herzl in einer Tagung des Großen Aktionskomitees durch eine Erklärung die Zweifler überzeugte , daß auch ihm Palästina am Herzen lag . , Nach dem Ableben Herzls war es der Wunsch des nächsten und aller folgenden Kon¬ gresse , daß Tschlenow mit an die Spitze der Bewegung trete , seine Arbeit also nicht , wie bisher , sich hauptsächlich auf Rußland be¬ schränke . Aber er lehnte stets ab , da er aus persönlichen Gründen Rußland nicht verlassen konnte und nicht glaubte , fern vom Haupt - |