Ost und SUst

Illustriert« IHonatsscbrift für Modernes Judentum

Herausgegeben unter Mitwirkung von .

Dr. S. Bernfeld, M. Buber, Dr. Heinrich Meyer Cohn, Dr. Moses Gaster (London), Prof. Dr. Ludwig Geiger, Robert Jaffe, Prof. Dr. D. Joseph, Prof. Dr. M. Lazarus, Dr. Rudolph Lothar, S. Lublinski, Dr. Max Nordau (Paris), Dr. Alfred Nossig, Prof. Dr. Martin Philippsohn, Nahida Remy, Dr. J. Sadger, Dr. Ernst Tuch, Prof. Dr.

Otto Warburg u. a.

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Nachdruck nur mit voller Quellenangabe gestattet. 1901

OST UND WEST".

Iii unseren Tagen vollzieht sich eine bemerkenswerte Umwandlung. Aus dem Gewirr der von aussen hereingetragenen Tendenzen, die das ver­flossene Jahrhundert hindurch das Judentum erfüllten, hebt sich ein lange übersehenes Element, die spezifisch-jüdische Kulturnuance, immer deutlicher hervor und fordert sein Recht auf Entwickelung. Das altjüdische Leben, das lange verschmäht und erniedrigt gewesen, erhebt sich, hüllt sich in die Gewänder der neuen Zeit und steigt langsamen, aber sicheren Schrittes die Stufen zum Throne empor. Noch zeugen erst vereinzelte Werke von der verjüngten Schöpferkraft, aber jeder Tag bringt uns neue Zeichen ihres Wirkens auf allen Gebieten. Unsere Zeitschrift will sich in den Dienst dieses neuen Geistes stellen, dem die Zukunft des Judentums angehört. Sie will dazu beitragen, an allen Orten die Regungen eines erneuten Lebens zu ver­einen, zu pflegen und zum Ausdruck zu bringen.

Darum soll es vornehmlich unsere Aufgabe sein, allen grossen historischen Problemen des Judentums nahezutreten und sie, unbefangen von traditioneller Schablone und mutloser Phrasenhaftigkeit, einer Lösung entgegenzuführen. Vor allem aber soll die lebendige- Entwickelung unserer Gegenwart berück­sichtigt werden. In unserer Zeitschrift soll die Kenntnis des lebendigen Judentums gepflegt werden, eine Wissenschaft, die ihren Gegenstand nicht als totes Material behandelt, etwa wie man Leichen seziert, sondern sich mit ihm. durch die innigsten und lebensvollsten Bande verknüpft weiss, und in den Kräften der Vergangenheit schon die Werke der Zukunft mit dem Herzen erkennt; eine jüdische Kunst und Dichtung, die nicht bloss zufällig von Juden stammt und im besten Falle vielleicht im Vorübergehen ein Blättchen biblischen Stoffes erhascht, sondern eine, in der die Volksseele schluchzt und singt, eine, die in Inhalt und Form die Art und das Schicksal, unseres Stammes gestalten will.

So wollen wir auch jüdisches Leben preisen, nicht wie es heute ist, sondern wie es sein soll und schon zu werden beginnt. Wir verstehen darunter ein selbstbewusstes, innerlich gefestigtes und geheiligtes, treues und fruchtbares jüdisches Leben, das auf dem Boden eines schönen Menschen-