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Benno Jaffe: Alfred Nossig's Skulpturen.

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langen, feinen Schlummer aufweichen und ihrem Be­sitzer kundthun, dass er ein schöpferischer Geist, ein Künstler ist.

Dieser Zusammenhang des einzelnen Künstlers mit dem Leben und der Kraft der Vorfahren bedingt auch den Zusammenhang der Künstler mit der Nation. Und bei dem jüdischen Künstler ist er sogar ein besonders wertvoller. Wenn es in der Wirklichkeit, wo sich hart im Räume die Sachen stosscn, wirklich für die Juden, die eine unerhört würde­lose Gegenwart durch­leben müssen, wenig Be­deutung hat, dass ihre Vorfahren einmal eine glanzvolle, nationale Zeit durchlebten, so kann die Kunst, allwo dicht bei einander die Gedanken wohnen, leicht zu einem unmittelbaren Zusammen­hange hinüberleiten. Ein wunderbares, beinahe metaphysisches Gefühl der Einheit über Zeit und Raum hinweg quillt auf. Der Anblick einer schö­nen Jüdin lässt in uns Bilder vom Orient auf­tauchen und Erinnerungen wach werden an Gestalten aus Bibelzeiten. Solch ein Zusammenhang, der in der Kunst möglich wird, giebt nun endlich dem Werke des jüdischen Künstlers eine grössere Würde und macht die Kunst aus einem nippes- mässigen, unterhaltenden Spiele zu einer ernsten, weihevollen Angelegen­heit.

Dieser Ernst durch­dringt auch die Schöpf­ungen des Bildhauers Alfred Aossi. einer an die grossen italienischen gemahnenden Universalitat auch Romandichter und Xationalökonom Hervorragendes geleistet hat. Dies giebt seinen Skulpturen eine über das Spezifische der besonderen Kunst, über das Artistische hinausreichende Bedeutung. Zwar wenn wir als die Signatur seiner Kunst ein ernstes kampferisches Gefühl ansehen, so fühlen wir so­gleich in einem feinen, leisen Instinkt mit, wie dieses den Künstler zur Bildhauerei hinüberführen konnte. Die Bildhauerei bedingt beinahe «ähnlich wie das Drama

SALOMO.

Skulptur von Alfred Hossig.

>', der übrigens in Renaissancezeiten als Dramatiker,

ein kämpferisches Element. Nur hatte der Grieche und noch mehr Michel Angelo jX der ganze Muskelberge herausarbeitete, vor allem den körperlich kämpfenden Menschen im Auge, und der Grieche wahrte den muskel­bewegten Gliedern, dem ganzen Charakter der griechi­schen Kunst gemäss, eine schöne und massvolle Form. Die Zartheit und helle Schönheit Thorwaldsen's oder z. B. die rosige, beinahe hellenische Anmut Eberlein's können so wenig gegen die Bedingungen der Bild­hauerkunst sprechen, wie etwa die dramatischen Dichtungen Goethe's ge­gen den Charakter des Dramas. Xossig's Kunst sucht mehr die geisti­gen Kämpfe darzustellen. Natürlich hat auch er die reine n stlerfreu<le an dem schön estalteten Menschenleibe. Wenn er, angeregt durch die Burg­theatervorstellung von Otto Ludwig'sMakka- bäern", einen Makkabäer darstellt, der in zorniger Empörung einen griechi­schen Altar umstürzen will, so wird ihn sicher­lich das Plastische des Aktionsmomentes am meisten erregt haben. Aber an den beiden Skulpturen, eiie in diesem riefte reproduziert sind, mögen wir mehr geistige Kämpfe erblicken. Der Ewige Jude", der, un­gleich den Vorstellungen vom leidenden Ahasver, voll energischer Kraft den sein Haupt über­ragenden ¥a nderstab setzt und in der Linken die Gcsetztafel trägt, zeigt eine ungeheuer durchfurchte Stirn. Und an dem höchst originellen Kopfe des Königs Salomo. bewundern wir wohl vornehmlich die Darstellung des geistigen Charakters. Dieses feine, spöttische, ja beinahe faunische Lächeln hat nichts von sonniger Heiter­keit der Lebensauffassung; es verrät die überlegene, mild-heitere Auflassung des Lebens, die ein Weiser aus ernsten Betrachtungen gewonnen hat, und von ernsten Kämpfen sprechen ja auch die seltsam grüble­rischen Augen des Königs. Eine rauhe Grösse der Auflassung erscheint uns als die hervorstechendste Eigenart des Bildhauers Alfred Xossio-.