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Heft 8
- 4 ~ #*>
August
1901
LUDWIG JAKOBOWSKI.*)
Einige Gedenkworte von Dr. Theodor Lessing.
Dem jungen frischen farbenhellen Leben, Dem reichen Frühling, dem kein Herbst gegeben, Ihm lasset uns zum Totenopfer zollen Den abgeknickten Zweig, den blütenvollen.
Uhland.
Ich weiss, ich träume im Grabe Schon viele Tausend Jahre, Heut senken sie mir zur Seite Ein Mädchen mit sonnigem Haare.
Da spür' ich den Hauch von Rosen,
Von dunkelpurpurroten . . .
Das duftet leise herüber
Wie stiller Gruss von der Toten.
. . . Ich habe Jakobowski nie gesehen. Er besuchte mich vor sechs Wochen in Hannover, im Hause meiner Mutter, aber wir verfehlten uns. Brieflich standen wir seit vielen Jahren in Verbindung. — Ich schätzte den Künstler und liebte den Menschen, und er war vielleicht der einzige unter den Jüngeren, Mitstrebenden, der mich genau kannte und anerkannte mit der vornehmen Neidlosigkeit seines schönen, kindlichen Herzens ....
Aus den Büchern Jakobowski's erfahren wir nicht viel von äusseren Lebensumständen, nur von Kämpfen seines blitzenden Geistes und seines zarten Gemütes, in denen er siegreich war. Bis das Haus bald fertig war und der Tod kam.
In den Lexikas steht, dass er zu Strelno geboren sei, in der Provinz Posen, Januar 1868. Seine Eltern zogen nach Berlin, als er vier Jahre alt war. Er besuchte die Luisenstädtische Realschule.
Seine Kindheit und Jugend war sehr schwer. Davon bekam er jene tiefe Innigkeit mit, die in Menschen wächst, welche oft und lange auf sich selbst zurückgeworfen sind. Jede Dichtung war Sieg oder Ueber-
1.
Heute wütet ein furchtbarer Sturm. Er rüttelt am Hause und vor meinem Fenster fliegen Staub und Rauch in mächtigen Säulen. Wir sind froh, dass wir daheim sind, am grossen Tische sitzen und uns noch festhalten an warmen Händen ...
Heute thaten sie Ludwig Jakobowski in die Erde. Er war 32 Jahre alt und starb am Nervenfieher nach achttägigem Leiden, so berichten die Zeitungen.
In ein paar Tagen wird die Neuigkeit begraben sein in der tiefen Grausamkeit unseres Lebens, mit aller heissen Fülle von Willen und Plänen und ungeborenen Werken . . .
Ob er Ruhe in der schrecklichen Erde hat?
Man glaubt, er müsse wieder zu uns, zum Lichte wollen, als kleines Tier oder als Epheuranke oder als irgend etwas nach Sonne Hungriges und Lichtlustiges.
Er schrieb, es werde ihm nicht Ruhe lassen, wenn nach tausend Jahren ein blondes schönes Mädchen in seiner.Nähe versenkt werde:
*) Dieser Essay- wurde im Dezember 1900 unmittelbar unter dem Eindruck der Nachricht vom Tode Ludwig Jakobowski's geschrieben. Inzwischen sind noch mehrere neuere Arbeiten über den Dichter veröffentlicht worden, insbesondere ein Essay von Herrn Prof. Friedrich in Potsdam. Meine Analyse wird indessen durch alle diese Schriften nicht berührt, da ich Werke der Dichter nicht, als Literarhistoriker, sondern als Charakterologe betrachte . . . Ich zögerte, meine Arbeit drucken zu lassen, da sie aus Kreisen, die dem Dichter nahe standen, Widerspruch erfuhr. Doch bin ich mir bewusst, durch bedingungslose und scharfe Psychologie nur zu. ehren. Diejenigen Momente des Lebens aber, die nur ungern berührt,werden, Abstammung, Jugend, Umgebung, sind für den intimen Psychologen am wichtigsten ....