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״Jüdisch« Kolksstrmme"

M. 24

den immer die nationaljüdische Forderung nach einer Kurie und Kataster als staatsschädigend hin- stellen, trotzdem aber es nicht scheuen Kataster und Ku- rie dort zu verlangen, wo es sich um ihre eigene Haut handelt.

Vor dem ״sacro egoiSmo" weichen selbst Befurch- tungen der staatlichen Raison.

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Scheinbar tyar der Stand der ostgalizischen Frage an der Pariser Friedenskonferenz in den letzten Tagen ein ziemlich unklarer, da die Polen sofort eine spezielle ostgalizische Delegation nach Paris mobilisierten. Uns Juden, würde ja dieser Umstand allein wenig küm- mern, wenn nicht die Tatsache, daß in dieser Delegation auch ein ״roter" Pole mosaischer Konfession als Mit- glied gesessen ist. Dr. Löwenberg, ein Mitglied der pol- nischen Sozialdemokratie, hat es für notwendig gefun- den, in die ostgalizische Frage aktiv einzugreifen und sich auf den Standpunkt der u l t r a-polnischen Lösung zu stellen. ׳

Löwenberg leistete den Polen wahrlich Scher- gendienste, seinem eigenen Volke aber fiel er verrate- risch in den Rücken.

Es muß allerdings tragikomisch wirken, daß zwei jüdische Sozialdemokraten in die große׳ politische Welt Reisen unternehmen, um die Ehre des polnischen Vol- kes, welches selbst sie ihre Verteidiger geradezu höhnisch als Fremde betrachtet, zu retten.

Dr. Liebermann, der Vertreter des jüdischen Pro- letariats in Przemysl, reist nach Paris, um die Po- grome zu dementieren, als ob die von den polnischen Pogromhelden gemordeten Juden, ihm, Dr. Max Lie- berrnann,, so ohne weiteres ganz fremd gewesen wären.

Dr. Heinrich Löwenberg reift wiederum nach Pa- ris, um Ostgalißien für Polen zu retten und bedenkt gar nicht, welchen Schaden er dadurch uns Juden an- stiftet, da die Ukrainer, der Großteil der ostgalizischen Bevölkerung, es nie,vergessen werden, daß unter jenen, die die Abtrennung Östgaliziens an ihren Erbfeind die Polen befürworteten, auch der Jude, Dr. Heinrich Löwenberg, wenn er auch sich selbst als Polen betrach- tet, gewesen ist.

Die Judenmassen lassen sich aber von diesen ver- einzelten Verrätern nicht irreleiten. Sie verbleiben fernerhin neutral und wollen auch weiterhin um die Anerkennung ihrer Nation, Zusicherung ihrer mationa- len Minderheitsrechte und Schaffung gesunder Lebens- bedtngungen kämpfen. Jwri.

Jüdischer Nationalsionismus.

Gewaltige Erfolge hat die jüdisch-nationale bezw. zionistische Bewegung in den letzten Jahren errungen. Vor dem Krieg von Optimisten für möglich, von Pes- simisten für eine Utopie gehalten, ist sie zur Wirklich- keit geworden, da viele Forderungen der national ge- sinnten Juden bereits bewilligt wurden, andere in kürzester Zeit durch den Friedensvertrag bestätigt und durch den Völkerbund gewährleistet sein werden.

So ist die Hauptforderung aller Nationaljuden nach Errichtung einer jüdischen Heimstätte in Palä- stina als Kultur- und Emigrationszentrum so viel, wie feststehend und schon rüsten sich hunderttausende

Juden aus den Ostländern zur Einwanderung und Kolonisation Palästinas. Ja, eS ist. noch schneller ge- gangen, als wir überhaupt gehofft haben und noch ist die Judenheit nicht genügend in ihren Ansichten ge- klärt und vorbereitet. Nebst den rein technischen und ökonomischen Fragen der.Besiedlung Palästinas ist ein Problem das bedeutend wichtigste, ein Problem, das vor der Besiedlung Palästinas unbedingt geklärt wer- den muß: die soziale Frage.

Auf welcher wirtschaftlichen Grundlage soll der neue Staat aufgebaut werden, auf kapitalistischer oder sozialistischer? Wohin der Kapitalismus die Mensch- heit gebracht hat, haben wir ja am eigenen Leibe ge- spürt. Ihm haben wir nicht nur indirekt diesen furcht- baren Weltkrieg zu verdanken, sondern er war im Frie- den schon das Hauptmotiv des Kampfes der einzelnen Menschen gegeneinander, des Kampfes um das tägliche Brot. %

Wir selbst wissen ja, daß der größte Teil des jüdi^ schen Volkes aus hungernden Proletariern besteht und daß das jüdische Proletariat nicht nur die Qualen ei- ner unterdrückten Klasse, sondern auch die einer ge- knechteten nationalen Minderheit überall erdulden ,muß. Sollen wir nun diese durch den Kapitalismus hcrvorgerufene Armut des arbeitenden Volkes auch in Palästina zulaffen, sollen wir zusehen, wie der heilige Boden unseres Stammlandes von einzelnen Kapitali- sten in Besitz genommen wird und diese auch über alle Produktionsmitteln unbeschränkt verfügen, oder wollen wir, daß alle unsere Brüder das gleiche Recht auf den Boden haben und daß jeder den seinem Fleiß und seiner Geschicklichkeit entschrechenden Arbeitsertrag einnehmen soll?

Nein, auf kapitalistischer Grundlage wollen und können wir nicht unser Palästina aufbauen, da die Not des jüdischen Volkes nicht in Palästina ihre Fort- setzung finden soll, sondern alle Juden, die dort als geschlossene Volkseinheit leben werden, volle politische und wirtschaftliche Freiheit finden sollen. Wenn also in unserem Emigrationszentrum nicht das System des Kapitalismus herrschen soll, müssen wir es auf sozialer Grundlage aufbauen. Einen freien Sozialismus müs- sen wir finden, der auf gerechter Verteilung des Ar- beitsertrages basiert und dabei volle Freiheit jedem einzelnen Individuum gewährleistet. Ist das nun der Marxismus in seinen zwei Hauptvertretern, der So- zialdemokratie und der kommunistischen Partei? Abge- sehen davon, daß bei der heutigen politischen Lage die Einführung einer Rätediktatur in Palästina unmög- lich wäre, brauchen wir nur zu sehen, was die Sozial- demokraten in allen Ländern, in denen sie zur Herr- schaft kamen, geleistet haben und was der Kommunis- mus in Ungarn und Rußland Gutes gebracht hat; er hat diese so reichen Länder vollständig zu Grunde ge- richtet, Ströme Blutes sind geflossen, Proletarierblu- tes, und die Lage des arbeitenden Volkes hat sich in nichts gebessert; am Hungertuch nagen diese Völker, die im Besitze der fruchtbarsten Gegenden von ganz Europa sind, nicht einmal die - politische Freiheit ist 'ihnen geblieben, die Diktatur des Proletariates bedeu- tete nicht die Herrschaft des Volkes, sondern den Ter- ror einiger Volksverhetzer. Doch schließlich ist es in diesem Falle ganz gegenstandslos, ob der Kommunis-

״Ist ganz überflüssig. Ich kenne ihn gut! Er ist zwar des Mordes verdächtig, aber diesmal kamen ihm andere zuvor."

״Vielleicht bist du der Sache nicht genau nachge- gangen?"

״Beide Mörder besitzen Merkmale. Der eine ging ohne Nase davon und der andere ohne den rechten Ohr- lappen. An dem ersten vergriff sich meine Tochter mit ihren Zähnen. Wer an den Zweiten seine Hand legte, weiß ich nicht, vielleicht tat es meine Frau."

Hnd der da?"

Mr Jude warf ihm einen Blick voll Haß und Ver- achtung zu:

״Das ist nicht der Mörder meiner Tochter und Frau!"

Der Richter ward verblüfft. Befahl er doch die An- klüger aufs Korn zu nehmen, da man geneigt war zu glauben, daß ihre Klageschrift bloß ein Akt von Ver- mutungen und Nachegedanken sei aber jetzt sah er, daß bi. fer Jude da die Schärfe des Vergehens wegen falscher Zeugenaussage Wohl kenne und kein Haß in der Welt imstande wäre, feirfcn strengen Rechtssinn auf Abwege zu bringen.

Er versank in Gedanken.

Der Untersuchungsrichter Wassilij Mironowitsch Karpow war. zwar kein ausgerufcner Antisemit, aber er gehörte auch nicht zur Gemeinschaft der Judengön­

ner. Er betrachtete die Juden stets mit einem eigenar- Ligen Mißtrauen.

Er wußte zu gut wie weit unhaltbar die Anklagen des Antisemiten gegen dieses Volk vom Gesichtspunkte der Vernunft und des Rechtes sind. Sein Verstand sagte es ihm ja, daß man gar kein Recht habe, einem bedeutenden Teil der Menschheit, der eine bestimmte Reihe von Generationen hindurch an einem Orte ge- baren und ausgewachsen, zu sagen: Ihr habet daran weder einen Anteil noch welche Crbansprüche, weil die Urahnen euerer Urväter hier nicht geboren worden sind. Er sah ein, daß wenn man so folgern würde, kein Wesen in der Welt dann irgend welches Recht auf Bürgschaft Nachweisen könnte.

Daß auch die ökonomischen Ursachen des Juden- Halles keinen festen Stützpunkt besitzen, wußte er eben- falls. Denn,׳ hätte man den Juden, die Wege zum schmachvollen Handel durch noch mehr ״Ukase" rrnd Verbote verräumt, und hätte man ihnen gleichzeitig die Möglichkeit geboten auf der Scholle festen Fuß zu fas- sen o, dann hätten sie sicherlich den Ackerbau ge- wählt, anstatt einem Wunder das'Leben verdanken zu müssen ... Er machte sich's zum allgemeinen^ Grund- satz keinen Unterschied zwischen Nationen gelten zu las- sen: Van zwei Uebeln wäklt man aewöhnlich das klei- n^re: Aber seiner Meinung nach haben die Menschen gar kein Recht den Juden den Handel aus der Hand zu reißen, da sie am Ende doch die fähigsten auf die-

״Hickl's Jüdischer BoMalender".

mus bezw. Marxismus das ״Heil" der Menschheit bringen wird oder nicht, da die Kommunisten ja selbst zugeben, daß der wahre Kommunismus erst dann kommen könne, wenn alle Menschen des ״Gemein- sinns" sich befleißen, was jetzt sicherlich nicht der Fall ist und wir sofort für unser Emigrationszentrum eine freie, soziale Wirtschaftsordnung brauchen.

Doch müssen wir lange nach einer geeigneten Wirtschaft suchen? In unserem eigenen Lager steht ja Franz Oppenheimer, der in seinen Werken eine großzügige Bodenreform dargelegt hat, eine Bodenre- form, die auf dem System der Produktionsgenossen- schaft basierend, auf dem gerechten Grundsatz aufge- baut ist, daß jedermann das gleiche Gebrauchsrecht auf den Boden besiht, der Boden aber, soweit er als Pro- duktionsmittel in Betracht kommt, Gemeineigentum aller Volksgenossen ist, sodaß mit ihm kein Mißbrauch vno seiten einzelner Privatpersonen betrieben werden, das heißt, nicht allzugroße Ländereien in die Hand einzelner weniger gelangen können, sondern nur so viel, als jeder selbst bebaun kann. Auf die Industrie und den Handel erweitert finden wir diese Anschauun- gen einer freien Wirtschaftsform in den Werken Theodor Hertzkas. Dieser stellt folgende Richtli- nicn für einen freien Sozialismus auf: Alle Produk- tionsmittel sollen sich im Besitze der Gesamtheit befin- den, womit nicht gesagt ist, daß das Privateigen- tum, soweit es nicht aus Produktionsmitteln besteht, aufgehoben werden soll, aus der bisherigen fälsch- lich frei genannten Konkurrenz soll eine freie und gleiche dadurch werden, daß jeder von der Gesamtheit die für seinen Betrieb notwendigen Produktionsmit- teln zinsenlos zugewiesen erhält; durch diese Maß- nahmen wird bewirkt, daß die einzelnen Arbeiter nur durch Fleiß, Tüchtigkeit und Erfindungsgabe mitein- ander konkurrieren können und den ihrer Geschicklich- keit entsprechenden Gewinn am Arbeitsertrag erhalten. Da die modern organisierte Arbeit besser durch Ar- beitsleistung und durch genössenschaftliche Arbeit mit immer weitergehender Heranziehung von technischen Hilfsmitteln geleistet werden kann, vertritt Hertzka in seinen sehr lesenswerten Schriften selbstverständlich das System der Produktivgenossenschaft. In jedem Be- trieb sind die geistig und manuell arbeitenden die ein- zigen Nutznießer, damit aber diese nicht, wie früher die Aktionäre, die Arbeiter einer anderen Gruppe auSbeu- ten können, besteht das System vollständiger Freizügig- keit: viele Arbeiter eines unergiebigen Betriebes tre- ten in einen ergiebigen ein; dadurch entsteht durch Un- terproduktion eine größere Nachfrage nach dem Artikek des unergiebigen Betriebes, wodurch bei Anwendung der freien Konkurrenz dessen Preis steigt und der Ar- beitsgewinn größer wird, während bei dem ergiebige- ren Betrieb' genau das Gegenteil eintritt, dies alles ohne Eingreifen einer höheren, Gewalt anwendenden Macht auf natiirliche Art. Dies wären in kurzen Zu- gen die Ideen Oppenheimers und Hertzkas und wird durch diese die Macht des Staates immer mehr einge- schränkt, sodaß die einzelnen Menschen auch Wirtschaft- lich frei sein würden, nicht nur politisch, wie bisher.

Auf diese Weise würde Palästina reich werden durch fruchtbare Arbeit aller Einwohner, Freude wür- de endlich einmal auch bei unserem Volke einkehren

sem Gebiete, ja die gewandtesten auf diesem Posten sind.

Er wußte, daß all' diese Pogrome, wovon die Ju- den soviel zu leiden haben, nicht wie andere versi- chern, ein Protest der Menge gegen das Semitenvolk, sondern einfach das Werk Einzelner sind, welche mit falschen Nachrichten und frechen Lügen die ungebildete Masse verraten. Und trotz alldem sind diese Lügen noch immer nicht im stände, den Mob dazu yufzureizen, bis man ihm nicht materielle Vorteile und Vexantwor- tungslosigkeit , verspricht . . . Und auf solche Weise könnte man auch dieses rohe Gesindel dazu,bringen, Pogrome auf seine eigenen Brüder zu machen.

Er wußte, daß es noch um vieles lächerlicher, sei Iludenmassakres ״der Religion zuliebe" wegen der Glaubensverschiedenheit zu veranstalten. Seines Er- achtens ist das Wenige Gute, das sich in der Religion vorfindet, allein der ethische Teil derselben und wo in aller Welt wäre denn eine Religion, die nicht über ein gewisses Quantum Ethik verfüge. Und umsomehr die iüdische Religion. Wenn die zivilisierte Welt es nicht verschmähte an den griechischen Freiheitskriegen teil- zunehmen, wenn Rußland selbst für die Bulgaren und Serben blutete, weil deren Vorfahren Religionsstifter oder Verkünder des Christentums waren, um wieviel mehr verdienen es die Juden vor Blutvergießen ge- schützt zu werden.