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lästinäwerk im Augenblick der Gefähr ihre Sympathie a©gütf&ck&n. Wir erinnern nur an Ben- Tillet, den PM&derttert des Generalrates des Gewerkschaftskoh- gfessevder in einer unmittelbar nach den Ereignissen im Lande veranstalteten Versammlung in London erklärtem „Ich betrachte die Errichtung eines jüdischen Nätionalheims in Palästina als eines der wichtigsten Ergebnisse des Weltkrieges. Wir alle können viel vom jüdischen Aufbau in Palästina lernen, und ich habe das Gefühl, daß es für Großbritannien' von Vorteil ist, daß man ihm die Rückbringung des Judentums nach Palästina anvertraut hat... Ich bin überzeugt, daß die Arbeiterregierung alles, was in ihrer Macht steht, tun wird, um den "Juden bei der Verwirklichung ihrer Ziele zu helfen, den Arabern natürlich vollkommene Rechtsgleichheit garantierend.
Gewiß: keine Regel ist ohne Ausnahme, und so mußten wohl in der sozialistischen Publizistik auch gegnerische Stimmen laut werden: daß diese gerade von Oesterreich ausgingen, erweckt unser Bedauern. Aber auch Karl Kautskys antizionistischer Artikel ist
.in seiner Wirkung belehrend: wir blieben in seiner Abwehr nicht allein, Eduard Bernstein, Huysman und vor allem der Führer der sozialistischen Internationale, Vandervelde, ließen es sich' nicht nehmen, Karl Kautsky zu antworten. Wir müssen auf den Abdruck
. dieser Antikritiken verzichten-, verweisen aber auf die von unserer Organisation herauszugebende, demnächst erscheinende Sammelschrift über die Ereignisse in Palästina, in welcher Vanderveldes Polemik abgedruckt sein wird. Nur seine Erwiderung, auf den Vorwurf, der Zionismus sei ein Werkzeug des britischen Imperialismus, sei angeführt: „Im Gegenteil, wer das Werk gesehen hat, wird bezeugen', daß . . . die englischen Behörden nicht immer dies Gleichgewicht angestrebt haben und die Gleichgewichtsstörung immer zugunsten: der Araber und niemals der Juden ausfiel."
-.. Wir Poalezionisten haben unserer Sache gedient, als-die Internationale uns noch nicht anerkannt hat; wir,, wissen, daß die Freundschaft des internationalen Sozialismüs zum Palästinawerk Ergebnis unserer Aufklärungsarbeit ist. Wenn wir also in diesem Ueber- blick die. wichtigsten Zeugnisse der. Solidarität des internationalen Sozialismus mit dem proletarischen Zionismus zusammengetragen haben, so ist es nicht darum-,, um den autoritären Beweis für die Vereinbarkeit-von Zionismus und .Sozialismus zu erbringen: wir wollen nur allen unseren Freunden, die durch die Isolierung des proletarischen: Zionismus in Oesterreich bedrückt sind zum Bewußtsein bringen, daß in. allen . im weltpolitischen Geschehen entscheidenden Ländern 1 , das arbeitende Erez Israel auf die moralische Unterstützung der Sozialdemokratie rechnen kann.
Politisches aus Palästina.
(Vorn unserem Berichterstatter —risch.)
Seit den Unruhen muß ein . jeder Briet aus, Palästina über „Politik" berichten; denn das Interesse aller im Heiligen Lande wendet sich heute den politischen Geschehnissen, zu. Freilich 1 darf man nicht mit ■ europäischen-Maßstäben zu uns ins Land kommen; Politik im Kopfe eines analphabetischen Fellachen oder Beduinen auf der einen Seite und eines weltfremden Vertreters des alten Jischuws aut der anderen spiegelt sich doch irgendwie anders als im Kopfe eines Europäers. Interessiert sind sie jedoch alle: und jeder hat sich' eine politische Meinung angeeignet, oder aufdrängen lassen'.
Diese Politisierung des Landes findet ihren „greifbaren"' Ausdruck in dem beängstigenden Anwachsen der Tagespresse —• und zwar hüben wie drüben. Freilich spielt dabei eine nicht geringe Rolle ein sanfter nachhelfender Druck der aktiven Politiker und sonsti
gen 'Geschäftemacher (die beiden Begriffe liegen hier einander näher als nur irgendwo).
Wir waren längste Zeit stolz, die einzigen Besitzer von Tageszeitungen zu sein; heute haben wir dazu keine Ursache mehr. Seit den Augustunruhen sind vier arabische Wochenschriften zu Tageszeitungen aus-
febaut worden. Wie sie bei dem» geringen iesekundigen 'ublikum bestehen können, bleibt ein Geheimnis, das wohl erst hinter den Kulissen der arabischen Exekutive seine Klärung finden könnte. Man dar! aber trotz der Analphabeten die Macht der Presse nicht unterschätzen. In jedem Dorfe gibt es zumindest einen, den Schreiber oder den Lehrer, der den andächtig Lauschenden vorliest. Gedrucktes Wort hat bei den Primitiven suggestive Wirkung; der Fellache nimmt es viel kritikloser aut als ein Gebildeter.
Aber, auch aut der jüdischen Seite ist man nicht müßig geblieben. Es sind — wie man leicht nachweisen kann, zum großen Teil aus Konkur- renzgründen — zwei neue Presseprodukte hinzugekommen. Doar-Hajöm und Haaretz geben je ein Abendblatt heraus. Wir haben also in .unserem, an Kultur so reichlich gesegnetem Lande einen stattlichen Hain von 6 Tageszeitungen. Davar, Haaretz 1 und 2, Doar-Hajom 1 und 2 und schließlich das ebenfalls fast ausschließlich von Juden gelesene „Pa- Iestine Bulletin". Für den kleinen jischuw eine zu reichliche Kost. Was nun den Inhalt der Politik im Lande anbelangt, so besteht auch hier, ähnlich wie in Oesterreich, ihr Hauptziel in der Normalisierung der Verhältnisse, der Pazifizierung des Landes. Welche sind nun 1 die Mittel, die vorgeschlagen werden?
iD.ie einzigen, die mehr oder minder positive Vorschläge brachten, sind die Leute um den Brith-Schalom.
Wir kennen freilich keine einheitliche, klar formulierte Forderung dieses Bundes, es gibt viele Meinungen einzelner Mitglieder, die von einander ziemlich stark abweichen. Alle Vorschläge des Brith-Schalom werden vom weitaus größten Teil des Jischuws mit großer Leidenschaft bekämpft, man scheut dabei auch vor persönlichen Angriffen nicht zurück. Am deutlichsten zeigten sich das bei der Eröffnungsfeier der
Vorschlag, mit dem man; sich ernstlich' auseinander^ setzen muß, den vor allem der europäische Demokrat auf den ersten Blick als selbstverständlich' annehmen würde. \ 1
Es wurde schon einmal in diesem Briefe gesagt, daß es keinen Sinn hat, westliche Maßstäbe für Palästina anzuwenden. Nicht bloß das Dezimalmaßsystem verliert hier seine Geltung,, sondern auch europäische politische Maßstäbe gelten hier nicht.
Es sei hier vorweggenommen, daß der ganze Vorschlag vorläufig akademischen Charakter trägt. Es ist höchst zweifelhaft, ob die Araber einem Parlament mit Kautelen zustimmen würden. Eine Einwilligung, würde eigentlich die Erreichung ihres Zweckes •— nämlich die Beseitigung der Balfour-Deklaration — nur verhindern. (Daß übrigens ein Parlament mit. „Einschränkungen" zu einem Scheinparlament herabsinken wür.de, weil es tatsächlich' nicht die einzige und höchste gesetzgebende Körperschaft wäre, sei hier bloß erwähnt.)
Wenn aber dieser Vorschlag sogar angenommen werden würde, würde er noch' lange nicht die jüdische Kolonisation und den Aufbau des Landes verbürgen — ein Parlament hat Mittel und Wege genug, um das zu verhindern, Beschlüsse über Zoll, Steuern usw. können jede Kolonisationserlaubnis de facto unwirksam machen.
Wir dürfen aber ruhig unseren jüdischen Standpunkt verlassen und von einer objektiven Warte die Richtigkeit unserer ablehnenden Haltung zur Frage der Parlamentseinführung prüfen.
Ein Parlament hat nur dann Sinn, wenn es , die Volksmeinurig widerspiegelt und das Volksinteresse vertritt. Beides aber würde heute in Palästina nicht der Fall sein. Der Fellache würde denjenigen - wählen, den zu wählen ihm der Effendi, bzw. der von ihm bestochene Scheich, heißt. Und seine „Vertreter", die reichen Effendis werden wohl nur ihre eigenen Interesse vertreten. Es würde eine höhere Bühne für. arabische Notabeln-Familienpolitik geschaffen werden. Beispiele hierfür bieten die „Parlamente" der umliegenden arabischen Länder (Schulbeispiel das benachbarte Transjordanien), aber auch' die Städtparla-
Unüversität während der Ansprache des Kanzlers mente Palästinas dürfen zur Illustration herangezogen Dr. Magnes, der bekanntlich von seinen Schülern (werden.
ausgepfiffen wurde. Seine Rede war wohl politisch 1 , Gerade als .Sozialist muß man gegen die Er-
an sich aber völlig harmlos; die Demonstration, 'die gar nicht am Platze war und mir ein schlechtes Licht auf eine zionistische Persönlichkeit, die gleichsam das Signal zum Skandal gab und einen Teil der Herren Studenten wirft, richtete, sich 1 freilich mehr gegen' die Ausführungen des Kanzlers in einigen amerikanischen Zeitungen. ' • . cj^s» '* . \ ;
Dr. Mägpe's' schlägt* .die? 'Beseitigung der Balfour- Deklaratioti vor und trägt 'sich mit verschwommenen romantischen Gedanken herum, wie Herrschaft der drei Religionen im Lande, geistiges Zentrum der Juden un!d vergißt dabei 'das Volk und seine wirtschaftliche Not.
Diese Gedanken führen zum alten Gegensatz zwischen der Herzl- und Achäd-Hoamschen Konzeption des Zionismus und zuiv Frage, ob eine Kultur, die weder mit dem Lande/ noch unmittelbar mit dem Volke verbunden, ist,, auf. einem Nichts aufgebaut werden kann. Doch 1 dieses Problem möge hier unerörtert bleiben.
Freilich 1 bildet Magnes mit seiner Ansicht nur einen Pol, so weit gehen die anderen im Brith-Schalom nicht. Sie halten an den Prinzipien der Balfour-Deklaration fest. Sie wollen -bloß die Forderung der arabischen .Exekutive nach Errichtung eines Parlaments erfüllt wissen. Es sollen aber vorher .den Juden gewisse Garantien geboten werden, die eine, Einwanderung iund Kolonisation sichern würden. Das ist ein
richtung eines Parlamentes in diesem Zeitpunkte seine Stimme erheben. Der Fellache und arabische Arbeiter sind nicht klassenbewußt, sie leben in ihrem/ Elend dumpf dahin. Die Effendis haben ihr gutes Interesse, sie in diesem Zustande zu erhalten. Ihnen ist in der jüdischen Kolonisation, die auch' ein arabisches Proletariat schafft, ein mächtiger Feind erwachsen, darum bekämpfen sie diese, es ist eigentlich, ein Kampf um ihre Vormachtstellung. Darin ist' nicht zuletzt die Ursache zu den Augustvorgängen zu suchen. Wie eine soziale Gesetzgebung dieser Herren Abgeordneten ausschauen würde, davon kann sich' ein Europäer kaum eine Vorstellung machen.
Als Beispiel für ihre reaktionäre Politik möge folgender Fall dienen. Die Jenisalemer Arbeiterorganisation' und die jüdische Kaufmannschaft verlangten vom Oberkommissär die Festsetzung einer Geschäftsspen> stunde. Der Oberkommissär beantragte im Stadtrat, in dessen Kompetenz eine derartige Verordnung fällt, einen entsprechenden Beschluß zu fassen. Die arabischen Stadtväter weigerten sich jedoch, eine Sperrstunde zu verordnen, sie meinten, jeder möge nur seinen Laden schließen, wann es ihm beliebt. Wer darunter wohl leidet? Der Arbeiter und Angestellte, der bis 8 oder gar 9 Uhr abends im Laden bleiben muß. Das geht aber diese Herren nichts an.
Zuerst muß der arabische Arbeiter aufgeklärt werden, er muß sich seiner Lage, Klasse und Aufgabe
Chanukkahlichter und Klassenbewußtsein in der Leopoldstadt
Von Klara Blum. " Die Floßgasse streckt sich grau und naß durch den Dezembermorgen. Die paar Menschen, die man trifft, laufen mürrisch fröstelnd an einem vorbei. Und doch hat sie schon manchmal ganz anders ausgesehen, die. arme Floßgasse, etwas Behagliches hat sie oft an sich 1 'gehabt, etwas Koscheres. Küchenduft kam von irgendwo dahergeweh't, da und dort standen in Gruppen Juden und „dillten" sich 1 gemächlich in der trägen Mittagsstunde wie nur in irgend einer Judengasse des Ostens. Aber heute, um' diese Zeit, hat die gute koschere Floßgasse ein vergrämtes, nüchternes Großstadtgesicht. Ein Haus nur, die alte Schul, summt leise wie ein Bienenstock, murmelt fortwährend, als ob sie eine eigene Stimme hätte, klagend und eintönig ihre Gebete. Und durch die angelaufenen Fensterscheiben der Milchhalle schimmert zart, wie Baumgeäst, ein Ghanukkahieuchter. Dem Karmelitermarkt zu, .hört man/die aufgeregte Stimme einer Marktfrau : „Bei mir wet Ihr nischt pojlert kin Mezijes."
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, Auf dem Karmelitermarkt, die jüdische Volksküche hat zwei Arten von Besuchern 1 , die dort ihr 60-Groschen-Mittag verzehren. Arbeiter und Arme schlechtweg. Man unterscheidet sie auf den' ersten $li£k, obwohl die Arbeiter oft nicht besser gekleidet sj[nä' als die änderen.' Aber sie sind 1 gekennzeichnet
durch den Zusammenhang, der zwischen ihnen herrscht, die Art, wie sie .einander zurufen, zusammenstehen, zusammengehen. Die Armen haben alle irgend einen. Zug von Seltsamkeit, Einsamkeit. Man findet Schnorrertypen unter ihnen, wie aus den Büchern Mendele Mocher Sforims Sonderlinge, Outsider des Proletariats.
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„Ich 1 bin organisierter Sozialdemokrat", sagt der alte Flickschuster, „und wenn Vetter Mordch'e deswegen schimpft, so weiß ich was ihm zu antworten. Ein armer Mann 1 ist ein Sklave,, sage ich ihm,, und ein Sklave muß nach der. Befreiung! streben, sonst verdient er die ärgste Strafe, sage ich' ihm." Und 1 , bibelfest, zitiert er sofort :den Vers vom Sklaven, der die Freiheit verschmäht „Aber", fügt er hinzu, „für meine Kinder, sie sollen leben, bin ich weiter nur der alte Jid, der nichts versteht. Ein schweres Geschäft ist das mit meinen Kindern, gesund sollen sie sein. Chaim ist bei den Kommunisten, Dwojrele ist eppes eine Anarchistin, Chancie geht mit ihrem langen Bocher in den Schbmer und Leibale, 12 Jahre ist er alt, bis h'undertzwanzig, Leibale schreit: „Ihr mit eurer Politik seid alle blöd, die Hauptsache ist ein schönes Fußballmatch."
„Und dann", fährt er fort, „verstehen Sie Freilein, ich bin ein guter Sozialist, aber muß ich mir darum meine Jüdischkeit abgewöhnen, es ist mir so wohl in meiner Jüdischkeit. Jörn Kippur, habe ich gefastet, wie mein Vater un:d mein Großvater, so soll
ich leben, ich hab' einfach keinen Appetit gehabt. Und jetzt habe ich Chanuka gehalten, wie es bei rheiner Mutter zu Hause war, ich habe die Lichter gebenscht, so süß und schön haben sie gebrannt und geknistert, die kleinen Lichter. Die Kinder haben mich 1 ausgelacht, .der Vater, haben sie gesagt, ist ein koscherer Sozialdemokrat. Nun frage ich Sie, Sie sind doch 1 ein gebildetes Freilein, kann man denn nicht ein guter Sozialdemokrat sein und doch Lichter bensehen?"
Die Antwort fällt min schwer. „Wenn Sie nur selbst Lichter benschen, macht das gewiß nichts", sage ich schließlich'. „Nur wenn Sie die Kinder nicht ihren eigenen Weg gehen lassen, wenn Sie sie zwingen wollen fromm zu sein, dann sind Sie kein guter Sozialdemokrat."
„Gott soll mich behüten", wehrt er lachend ab. „Ich 1 werde meine Kinder zwingen? Das war einmal. Heute kommandieren sie mich."
Auf meiner Zunge liegt die Antwort: „Es hätte eben auch früher nicht geschehen dürfen. Jetzt nehmen sie Rache." — Aber ich schweige lieber. Sonst verwirre ich ihn vielleicht noch mehr.
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Chanukkahleuchter im Hause der jüdischen Kinderfreunde. Neunarmiges Silbergeäst brennt .schlank und stolz über vielen, vielen kleinen Köpfen von- jüdischen' Proletarierkindern. Aengstlich'e Begeisterung ist in den kleinen Gesichtern, denn gut verstehen sie schon die brennende Sprache der Chanükkalichter.