Seite 10.
Frankfurter Israelitischer Familienblatt.
Nr. 23.
Aus alter Wett.
Oesterreich-Ungar«.
Trieft, 15. Juni. Gegen den angesehenen Grotz- laufmanu Giuseppe M orpurgo wurde heute Mittag im israelitischen Wohltätigkeits- Verein ein Attentat verübt. Der vierzigjährige Markus H a n a aus Korfu erschien mit einem Levantiner, um Morpurgo um eine Unterstützung zu bitten. Unbemerkt trat dann Hana in ein Nebenzimmer und versetzte Morpurgo mit einem dreikantigen Dolche einen Stich i» die rechte Seite, woraus er mit seinem Komplizen flüchtete. Er wurde jedoch auf der Straße festgenom- men. Morpurgo, der schwer verwundet wurde, behauptet, daß er das Opfer eines gedungene» Mörders geworden, da er im Bcrlcumdungsprozcß gegen „II sole" als Zeuge anfgetreten sei.
Ans den Vereine«.
Frankfurt a. M. In der Zionistischen Verein i g u n g hielt Herr Ä. Reinhardt am Mittwoch, de» 8. Juni, einen Bortrag über „Orthodoxie und Zionismus — Oberrabbiner Roth 's Bros ch ü r e". Der Redner führte folgendes aus:
„Auf allen Gebiete» jüdischen Lebens, in jeder jüdischen Angelegenheit bemerken wir einen Arbeitseifer, getragen von jüdischem Selbstbewußtscin, wie es vor 10—20 Jahren auch von orthodoxester Seite nicht geträumt werden konnte.
Dies bemerken wir in bezug aus jüdische Kunst, Literatur und Wissenschaft. Und hier ist cs besonders die heilig- Sprache, die a u s s ch l i e tzl i ch d em Zionismus einen nie geahnte» Slufschwung zu verdanken hat. Man hatte sic schon begraben, und heute wird sie nicht nur von einigen Gelehrten, wie etwa die griechische oder lateinische, sondern von einem großen Teile. unseres Volkes gesprochen, geschrieben und gelesen, und dieser Teil wird immer größer, denn überall, wo zionistische Vereine gegründet werden, da entstehen auch meistens jüdische Sprachvereine, in denen erwachsene Herren und Damen die mühsame Arbeit der Tprachcrlcrnung pflegen.
Demgegenüber ist die bittere Gegnerschaft eines großen Teiles der Orthodoxie, namentlich der deutschen, schwer zu begreifen.
Aber nicht nur bei einigen Künstlern oder Schriftstellern zeigt der Zionismus seine guten Wirkungen, sondern überall, wo er die Herzen erobert, beinerkt man nichts mehr von der Laßheit und Lauheit allem Jüdischen gegenüber, von der falschen Schani, Jude zu sein, sondern mit Selbstbewußtscin und Stolz hebt man die Angehörigkeit zu diesem Volke hervor. Man gründet jüdische Studentenverbindungen, jüdische Gesangvereine, jüdische Turnvereine, wenn auch die offiziellen Vertreter mancher Gemeinden in Angst und Schrecken geraten.
. Das gejinnungstreue Judentum hat also dem Zionismus nur Dank zu schulden, denn der Zionismus hat' dem Judentum wieder Rückgrat verliehen, er hat gleichgilttgen Juden das Gefühl der Veranttvortung eingcprägt, und Elemente, die schon ganz abfallen wollten, vor diesem Schritt bewahrt. Freilich tonnte der Zionismus die Lebensanschauung solcher nicht mit eine in Schlage ändern. Aber die zionistischen Väter und Mütter werden ihren Kindern eine andere Erziehung gewähren, und wenn das der Zionismus erreicht, so hat er dem gcsctzestrencn Judenttim mehr geleistet, als der beste Rabbiner mit den besten Predigten."
Redner geht nun aus die Roth'sche Broschüre ein und resümiert nach folgenden Gesichtspunkten:
1. Die Orthodoxie wäre aus praktisch-vernünf- tigen Gründen verpflichtet, den Zionismus in jeder Weise zu fördern.
2. Zionismus und gesetzestrcues Jndcntnm stehen durchaus nicht im Widerspruche.
3. Die Gegengründe der Orthodoxen sind nicht stichhalttg.
ad 1. Der gemeinsame Feind der Zionisten und des gesetzestrenen Jndentumes ist, was man kurzweg die Assimilation nennt. Die zerstörende Wirkung dieser Bewegung innerhalb des gesetzestrenen Judentums ist gar nicht zu berechnen. Sie raubte unserem Volke Vergangenheit und Zukunft und mit der Gegenwart ist unsere nivellierende Zeit bald sertig geworden. Der Kamps war so gewaltig, daß die Orthodoxen die Hofsnung aufgaben, die von der Entnationalisierung Ergrisfenen jemals zurückzugewinnen und Trennung zlvischen Jtiden und Juden war die Formel, durch die man das Judentum zu retten suchte. Dabei sind selbst die Orthodoxen nicht ganz frei von Assimilation geblieben; auch bei ihnen findet man eine gewisse Scheu, und die Namen unserer heiligen Geschichte trifft man immer seltener in unserem Volke. Je größer nun das Gewicht ist, das man die>em Feinde entgegensetzen kann, desto eher ist seine Besiegung zu erwarten. Das hat sich schon bei ganz praktischen Fragen gezeigt, z. B. bei ltze- meindewahlen in Berlin, Wien, Köln wo Zionisten und Orthodoxe Schulter an Schulter gegen die Assimilation kämpften.
ad. 2. Das große benei thora mit in den ersten Reihen dieser Bewegung stehen, ist schon an sich ein Beweis dafür, daß Zionismus und Orthodoxie nicht im Widerspruche stehen. Außerdem sagt ja unser Programm unzweideutig, daß wir eine öffentlich- rechtlich-gesicherte Heimstätte in Palästina erstreben und die Gewinnung des heiligen Bodens 'gehört nach der Ansicht unserer Weisen zu den heiligsten und wichtigsten Mizwauth.
ad. 3. A. Einer der häufigsten Gründe, die gegen den Zionismus geltend gemacht werden, ist der: Ria» müsse mit Juden Zusammenarbeiten, die aus einem völlig unreligiösen Boden stehen. Darauf ist zu erwidern: Dieser Standpunkt ist nicht haltbar, er schließt das Nationalbewusstsein aus, denn nur ein geringer Teil unseres Volkes könnte an der Befreiung Mitarbeiten. Der Zionismus wäre dann wirk- lich eine Utopie. — Außerdem hat man diesen Standpunkt schon oft anfgegeben, besonders wenn es sich um Fragen des Geldbeutels handelte. Und der Zionismus ist vorwiegend eine lvirtschafttickie Frage: wenn auch Nationalitätsbewußtsein Voraussetzung des Zionismus ist, so ist doch die wirtschaftliche Notlage unseres Volkes das Fundament desselben. — Auch haben sich die Orthodoxen innerhalb des Zionismus zusaminengeschlossen und mit jeder nummerischen Vermehrung dieser Gruppe, ist die Heiligkeit unserer Thauro gewahrter, da im Zionisinus das Recht der Majorität gilt. — Schließlich kann man der Leitung dieser großen Bewegung auch nicht das geringste vorwerfen, das unser religiöses Empfinden verletzt hätte.
Ir. Man wirft dem Zionisinus ferner vor:
Der Zionisinus verlangt von seinen Bekenncrn nur Nationalitätsbewußtsein, setzt die Religion hintenan, als könnte es ein jüdisches Volk ohne jüdische Religion geben.
Es ist noch liicmals die Frage gewesen, ob es ein jüdisches Volk ohne jüdische Religion gäbe, sondern der gesetzestrcue Jtlde muß sich fragen: Gibt es eine jüdische Religion ohne jüdisches Volk, und die Frage muß absolut verneint werden. Wie schon ausgeführt, mußte ein Boden gefunden werden, aus dem sich das ganze Israel betätigen könnte und wenn dann das Ganze in seiner Majorität orthodox ist, so ist die Heiligkeit unsere Thauro für inuner gewahrt.
0. Ms letzten Einwurf widerlegte der Redner, daß der Genloh eine Tsck)uboh vorausgchen inüsse.
das; wir nicht eigenmächtig der göttlichen Voraus- sehung vorgreifen dürften.
Der Redner schließt:
Die Not unseres Volkes ist auf's Höchste gestiegen. Die traurigen materiellen Verhältnisse haben zum großen Teile das religiöse Leben er- schüttett. Im ein kemach ein Thauroh sagen schon unsere Weisen, nur der Zionismus kann unserem Volke ein dauerndes Kemach geben, denn alles andere hat schon versagt. Darum dürften die Orthodoxen nick;t mehr znrückstehen mitzuarbeiten an der Erlangung der öffentlich - rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina.
Dem Bortrage sck)lossen sich die Referate der Delegierten Fritz S o n d h e i in e r und D r. m e d. I. Meher über den Hamburger Delegierte n t a g an.
Briefkasten.
Druckfehlerberichtig u n g. In voriger Nummer, Seite 2, Stimmen über Oberrabbiner Roth's Broschüre, muß cs statt einen .Kontrakt zu unterschreiben, „schreiben lasse n" heißen.
M ülhause n. Betrag erhalten.
K M., b. Bar Mizwa: Samstag, den 31. Dezember' 1904, nach Frankfurter Brauch. Da der Geburtstag, 23. Tewes, aus diese» Samstag fällt, vielfach 8 Tage später.
Hamburg, (4. Stuf Ihr Schreiben teilen wir Ihnen mit, daß — wie ans Raschi, Tosfoth und vielen anderen Mesorschim hervorgeht — bei Kauf eines Hauses in Palästina am Schabbos es sich lediglich um Erwerbung eines Besitztums in Erez Jisroel handelt, und deswegen ist a u s n a h m s w e i s e bei dieser Mizivoh gegebenen Falls ein Verbot der Rabbonon („Sch'wuth") zu überschreiten erlaubt, damit das Land in jüdische Hände kommt. Der Riwosch sagt ausdrücklich, das; diese Ausnahme gemacht wird bei Jischnw Erez Jisroel, weil diese Mizwoh eine „Mizwoh Kelolith", d. h. für die Gesamtheit des jüdischen Volkes bestimmt ist. Auch der Ramo, Orach chajim Abschnitt 270, sagt, das; fast alle Rischaunim diese Mizwoh als bei weitem größte betrachtet haben. Der Ansicht des Sifri, das; diese Mizwoh alle anderen Mizwaus der Tauroh überwiegt, schließen sich der Ramban, der Taschbaz, der Raschbasch und viele andere Rischaunim an; siehe Peath Haschulchon Abschnitt I.
ü. Z. Nach einer Zusammenstellung des Vereins für jüdische Statistik gibt es gegenwärtig 10 597 000 Juden. Davon wohnen 5 082 000 in Rußland, dann folgt Oesterreich-Ungarn mit 1994 000, hierauf kommen die Vereinigten Staaten mit 1136 000, dann Deutschland niit 590 000, Rumänien mit 269 000, Afghanistan mit 184 000, England mit 179000, Marokko mit 150 000, die Mederlande mit 104 000, Frank- reick) mit 86 000, die Türkei mit 82 000, Palästina mit 78 000, Kaukasien mit 58 000, Algier mit 57 000, Messinien mit 50 000, Italien • mit 47 000, Tunis mit 45 000, Persien mit 35 000, Sibirien mit 34 000, Südafrika mit 30 000, Bulgarien mit 28 000, Aegypten mit 25 000, Indien init 22 000, Arabien mit 20,000, Kanada mit 16 000, die Schweiz mit 13 000, Belgien mit 12 000, Griechenland mit 8400 usw.
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Für die mir anlässlich meines Jubiläums so zahlreich erwiesenen Aufmerksamkeiten und Ehrungen ist mir nicht möglich, jedem Einzelnen zu danken! Ich spreche daher allen Denen, die mich erfreuten, auf diesem Wege meinen innigsten Dank aus!
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