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6. Jahrgang. Freitag, den 10. Iw 5668 (7. August 1908).Ro. 31.

Inhalt des Hauptblattes.

Artikel: Hinter den Perioden. Pogrom- Inszenierung in der Bukowina. Eine Pseudo- dereinigung jüdischer Organisationen. Aus aller Welt. Feuilleton: Zwei Schnorrer oder Montecchi und Capuletti. Familiennach­richten.

Hinter den Periode«.

Bon Maxime Le Maitre.

(Schluß.)

Wie die Formationen und Lagerungen in der Natur in gewissen zeitlichen und räumlichen Distanzen immer wiederkehren, so kehren auch Er­scheinungen und Phänomene in der Geschichte wieder. Die hellenisch-römische Kulturidee, mochte sie sich in dieser oder jener Form offenbaren, hatte von jeher imperialistisch-exklusive Tendenzen verfolgt. Und diese Natur der Exklusivität kehrt bei den Erneuerern antiker Kulturideen ini 15. und 16. Jahrhundert wieder. Der Verfasser des U Principo" hat nicht weniger gegen alles gewütet, was nicht römisch war, wie der Römer­feind Luther gegen alles, was nicht protestan­tisch war. Und zum Judentum haben beide ein gemeinsames Verhältnis.

Im übrigen erinnert Luthers Verhältnis zum Judentum an Mohamed. Solange es demPro­pheten" daran gelegen war, zu den Juden gute Beziehungen zu unterhalten, damit sic den un­wissenden Arabern seine Entwendungen aus der Bibel nicht verraten, sang er immer ein gutmütiges Judenlied. Als er aber stark genug war und die Juden nicht mehr zu sürchten hatte, ward er zu ihrem wütendsten Feinde. Aehnlich erging es dem ehemaligen römischen Mönch und späteren Refor­mator Martin Luther.

Daß gerade der - Haß gegen Juden und Judentum im 15. und 16. Jahrhundert, d. h. in einer Zeit, in der die ganze Bildung der west­lichen Völker von jüdischen Elementen durchtränkt war, so hoch ging, hat seinen doppelten Grund. Ans der Seite der nordischen Kulturlinie wurde . zu jener Zeit viel gebibelt. Luther, Reuchlin und Erasnius gehören zu den vornehmsten Vertretern der biblischen Kultur im 15. und 16. Jahrhun­dert. Allein mich diebiblische" Reformation mußte, um sich nicht ganz zu cxtemporisieren und exlokalisieren, doch zu antik heidnischen Elementen znrückgreifen. Aristoteles war der Philosoph der deutschen Reformation und Melanchton der Ver­treter seiner Lehre, wie Plato der Philosoph der Renaissance war und Pico sein erfolgreicher Ver­künder.

Aus diesen zwei Grundmomenten jener Kultur baut sich jenes rniserable Verhältnis des 15. und 16. Jahrhunderts zum Judentum auf. uyd aus diesen! Verhältnis geht wieder der Versuch hervor, uns auszuschalten.

Luther haßte die Juden und zwar haßte er sie mit deutscher Gründlichkeit. Wie dieser

fromme Mann dazu kam? Mit seiner Liebe zur Bibel, mit seiner Uebersetzung und der dadurch erfolgten Popularisierung und Verbreitung der Bibel dünkte er sich selbst einSproß David's". Tie Juden sind nicht mehr die Besitzer des Hauses, ich bin's, wir sind es. Die Inden haben ihre Rolle ausgespielt, sie sind heute überflüssig. Was tut's, schlagt auf sie ein! Sie haben doch keine Existenzberechtigung. Es ist jedoch anzuneh­men, daß der partielle Haß der Träger der deut­schen Reformation gegen das Judentum nur ein Manöver war, ihre Entwendungen aus den Arse­nalen unserer Kulturgüter zu vertuschen und ans der anderen Seite sich nicht allzustark jüdisch zu engagieren. .....

' Jedoch wenn man den Schwerpunkt auf die reellen historischen Begebenheiten lenkt, scheint eines gewiß und sicher: Man suchte immer das Judentum gegen die Juden heit auszuspielen. Gerade im 15. und 16. Jahr- hunoert sah sich die westliche Christenheit veran­laßt, ihre Stellung zum Judentum genau zu prä­zisieren, zu präzisieren, aber nicht zu korri­gieren. Und die Präzision erfolgte in doppelter Weise. Die Männer der Renaissance sagten: die Inden sind unsere Feinde, das Judentum unser Gegner: denn wir sind die Träger des Hellenismus und die Verkünder der klassischen Antike Und Hellas-Rom hat von jeher den Gegen­satz zun: Judentum dargestellt. So sprach Machia- vclli, so sprach Äiavinini und so viele ihrer Zeitgenossen. Diese waren ehrliche Leute, denn sie zeigten uns ihre Karten.

Aber auf der nordisch-germanischen Kultur­linie lebten noch alte Traditionen fort, und im Geiste dieser Traditionen ward die Präzision ge­faßt: Die Juden sind nicht unsere Feinde, wir haben zu ihnen überhaupt kein Verhältnis und haben auch an ihnen kein Interesse; denn die Träger des Judentums sind wir. Wir haben die Bibel übersetzt und verbreitet, der Inhalt des Judentums ist durch uns Gemeingut geworden, ja wir haben sogar unserm Testament die Bibel vor- ansgeschickt. (Diese Tat Luthers bezeichnet Nietzsche als das größte literarische Verbrechen der Welt­literatur.) Und die Juden gleichen der Schale der Nuß, der man den Kern genommen hat. Also haben die Juden gar keine Existenzberech­tigung. Sie sind recht- und herrenlos. Und schlägt man aus sie ein, so ist es auch nicht schlimm. Die Rabiateren unter ihnen aber sprachen im Imperativ:Schlagt auf die Juden ein! Denn wer keine Existenzberechtigung hat, den brauchen wir nicht zu schonen."

Im 17. Jahrhundert kam das biblische Drama zur Blüte, und im 17. Jahrhundert hat der Judenmord seine Triumphe gefeiert. Man hat die Juden das Drama fühlen lassen.-

Im 18. Jahrhundert aber ertönen neue Melodien. Der selige Seneca lebt wieder auf, man ist zwar nicht humanistisch, aber man ist humanitär/ und man philantropiert um die Wette. Das Programm des Jahrhunderts sind Brüderlich­

keit und Gleichheit, Voltaire ist der Verkünder dieses Programms. Aber Voltaire unterscheidet sich nur von Pückler durch seinen französischen Esprit und eleganten Ausdruck. Aber Conder- cet sprach:A quoi nous bon le judaisme?" Diese Frage ist charakteristisch. Condercet war ein milder und gerechter Mann und nahm es ernst mit der Idee der Humanität und betrachtete die Propheten als die ersten Verkünder der großen Mcnschheitsideen. Allein das Judentum sei in­zwischen Gemeingut geworden und er selbst hielt sich für einen Träger dieses Gemeingutes. Und er betrachtete daher die Juden als überflüssige Menschen. Man könne uns höchstens bemitleiden, aber da wir überflüssige Menschen seien, können wir auf Recht und Gerechttgkeit kaum Anspruch erheben.

Der große französische Historiker Laurents be­zeichnet mit Recht das 18. Jahrhundert als eine Epoche der Wiedergeburt des Stoizismus; zwar waren es Ideen der Spät-Stoa, die im 18. Jahrhundert zur Wiedergeburt gelangt sind. Seneca und Marc-Aurel haben im 18. Jahrhundert ihre Auferstehung gefeiert. Der jüngst verstorbene Theologe Pfleiderer, sowie der schon genannte Laurents bczeichneten Seneca als das Bindeglied zwischen Judäa und Rom. Wie die Griechen fru- gen, ob Plato philosophierte oder ob Philon platonisierte, so frug man auch vielfach, ob Seneca mehr judaisiert oder stoisiert hat. Daß die römische Stoa, sowie die ganze Spät-Stoa überhaupt von jüdischen Elementen durchtränkt war, bezeugen nicht nur alle Historiker der Neuzeit, sondern be­zeugt in erster Reche chr Verhältnis zum Ur­christentum. Und man geht kaum fehl, wenn man behauptet, daß das 18. Jahrhundert ebensoviel von jüdischen Kulturelemcnten, zu denen es auf Umwegen, und zwar durch das Medium der Stoa, gekommen war, durchsetzt war, wie die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Und doch nicht trotzdem, sondern gerade deswegen betrachtete das Jahr­hundert der Aufklärung die Juden als Hommes superflus. Denn soweit das Judentum eine Lehre der Humanität ist, hielten sie sich selbst für Juden, und was nicht in ihren aufklärerischen Kram paßte, erklärten sie für unnütz und die Juden für überflüssig.

Herder, der feinsinnige Kenner der hebräi­schen Poesie, hat für die Juden keine andere Bezeichnmrg alsParasiten, die auf fremden Bo­den verpflanzt sind". Und Herder war doch ge­wiß ein Jdealmensch, Herder war doch die Hu­manität bluternst, die ganze Weltgeschichte ist doch für ihn nichts anderes als eine stufenweise Ent­wicklung zur Humanität? Wie ist beim milden Herder eine solche barbarische Ansicht zu er­klären?

Herder, der große Kenner des jüdischen Schrifttums, Herder, der Apostel der Humanität, betrachtete ebenfalls die Juden als überflüssige Menschen, als ein überflüssiges Volk, das keinen Teil des weltgeschichtlichen Ganzen mehr bildet und keinen Anteil an der allgemeinen Entwicklung; mehr. nimmt. Die Juden sind daher, wie die