Nr . 50 . ' - - ^ Skizze aus Sem russisch - jüdischen Lebcn ^ von Ben - Avigdor . Aus bem : Hebräischen übersetzt . : , Weh mir ! Ein Unglück ! " jammerte Leah ; jj/meine Fische ! Mein Schweiß nnd Blut ! Mente tnk , der einzige Hausrat ! " „ Stefan ! Kosma ! . Brasil ! " rief der Wächter ind winkte den Hausmeistern der nahen Häuser ; lugs waren die zur Stelle ; umringten die Verkäüse - - nnnen , schlugen , stießen und zerrten sie , und trieben sie in die nächste Sackgasse , wo sie . hart beieinander zu stehen kamen . Dieser Ort , wohin sich kein Mensch serirrte , war der von ihnen von Amtswegen zugewiesene Flüche , Klagen , Geschrei und Schimpfwörter kr¬ önten von allen Seiten , daß die Gasse erdröhnte . „ Mörder ! Das Geld gib uns zurück ! " „ Saufbold ! Daß Dich Gottes Fluch treffe ! " „ Daß Du zur Hölle fährst ! " . „ Daß Dich kein Arzt Heilen könne ! " . „ So laß mich doch die Fische zusammenlesen ! " „ Wir gehen ja , warum schlagt Ihr uns ! Mörder ! " „ O , mein Kopf ! " ' „ Mein Gesicht blutet ! " „ Meine Hand ! " „ Meine Schulter ist ganz zerschlagen ! " IV . « SB In diesem Augenblick kam der Viertelrichter zur - ^ Stelle . Der Wächter stellte sich in Positur und erhob ; xhie Rechte salutierend zur Mütze . ^ „ Was ist das für ein Lärm ? " fragte jener . K „ Die Fischerinnen habe ich verjagt ! " „ So ? Warum erst jetzt ? Warum . hast Du so - /lange gewartet ? " — „ Ich . . . ich . . . " stotterte Marecll und blickte . zur Erde , „ ich habe sie schon früher davon gejagt , aber ' sie kamen wieder . " „ Lüge nicht ! " totes ihn der Viertelrichter zurecht . „ Dü weißt , ich dulde keine Lüge . Bei mir kommst - Du mit der Wahrheit und der Gerechtigkeit am besten fort . Sie haben Dir gewiß , etwas zugesteckt . . . " m Mareell schwieg . vj ? . „ Nun , ich will Dich . ja nicht unglücklich machen . " Ich habe Dich früher öfter getvarnt , Marcell ; nimm Dich ' sit acht ! . . . Aber — mein Teil . . dabei blickte / ; tr ihn forschend an . „ Auf Ehre, " beteuerte Mareell , „ Magdalena , der Teufel hole sie , hat mir alles abgenommen . " . „ Was klingt denn da in Deiner Tasche ? " fragte > sder i Viertelrichter und schüttelte die Rockschöße des ^ Wächters . ag & Einige Kopeken habeil sie mir jetzt gegeben , das Wst alles, " antwortete Mareell beschämt , „ hier haben DSie es, " und er gab ihm dreißig Kopeken von seiner - Beute . fc . „ Höre , Marcell, " sagte der . Biertelrichter , indem vver das Geld in seine Tasche gleiten ließ , „ ich gehe / eben , um Mierels Handlung dort an der Ecke zu ^ schließen , da ihre Konzession schon seit drei Tagen zu / /Ende ist . Geh ' Du voran und laß es sie wissen , da ^ ^ mit sie diejenigen Waren fortschaffe , die sie zum / Verkauf nötig hat , bevor ich chinkomme . Ver¬ banden ? Du hast doch Oel im Kopfe . Die dumme . KJüdin weiß nicht , daß die Konzession schon seit einem / - Monate auf dem Amte liegt . Jeden Tag kommt sie / /gelaufen und macht mir den Kopf voll : Das Papier , / das Papier ! Laß sie laufen . Inzwischen wird sie / nicht undankbar sein . . . " j & S „ Gut , Herr , ich gehe schon ! " dabei winkte er / /Anton , ihm zu folgen . fM ! Bald darauf sah man in der Gasse eine Menge Man Männern , Frauen und Kindern , die damit be - waren , aus Mierels Handlung Eisenstäbe , lechkisten , Nägel zu entfernen , um sie in die bcnäch - rten Höfe und Handlungen zu tragen . Marcell und Anton halfen eifrig mit . Der Biertelrichter kam , und Er er merkte , daß die Arbeit noch nicht zu Ende war , Moandte er sich ab und rief : „ Schnell , macht ein Ende , enn der Viertelrichter kommt , das Gewölbe zu . ließen ! " Als ihm der Wächter xin Zeichen gab , das Werk vollendet sei , schritt er langsam und vitätisch auf das Gelvölbe zu , um seines Amtes zu ilten ; er drückte ein großes Siegel auf die Tür / ' erschloß sie und steckte den Schlüssel zu sich . Frankfurter Israelitisches Familienblatt . Mierel zeigte sich natürlÄh nicht undankbar ; ein Kassenschein verschwand in der Hand des Richters und Marcell ließ eine Menge blanker Münzen in seiner Tasche verschwinden , auch der hilfbereite Anton ging nicht leer aus . ^ „ Jetzt können wir nis Wirtshatts gehen ! " rief Anton , „ Dü hast nun hinreichend Geld , um uns ge¬ hörig die Gurgel zu befeuchten . Auch Imbiß hast Du schon . " „ Ja , aber l wenn der vermaledeite Richter mir nicht die dreißig Kopeken äbgenommen - hätte , so hätten wir noch mehr gehabt, " bedauerte Marcell . „ Glaubst Du , daß er mir heute zum ersten Mal den Streich spielt ? Er kommt , so oft es ihm beliebt und plündert mich pus , der Schuft . Der Teufel hole ihn mit meiner Magdalena zusammen ! " „ Ich werde mich auch um eilt Straßenwächter¬ amt bewerben, " sagte Anton , „ man kann es ja dabei zum reichet : Mann bringen ! " „ Bah , nicht alle Straßenwächter haben es gleich, " belehrte ihn Marecll , „ in den anderen Gassen , wo es keine jüdischen Verkäufer und Verkäuferinnen gibt , da fällt nichts ab . Die Juden sind ein einträgliches Material , eine loahre Milchkuh ; ich kann sie pressen , so viel ich Lust habe , intmer presse ich ' was heraus . Wer wird es mir verwehren ? Niemand . Gott , er¬ halte sie ; wären nicht diese schmierigen Jüdinnen und Juden , ich würde bei schmaler Kost leben . und Brannt¬ wein , den würde ich nicht einmal riechen . Wenn nur nicht dieser Hallunke , dieser Nimmersatt von einem Viertelrichter wäre , der mich aussaugt und beraubt , mdn könnte aufatmen . " Unter solchen Gesprächen tiahten sich die beiden Freunde dem Schanklokale , wo sie alsbald verschwanden . V . , Nach einer Viertelstunde kehrten die Fischweiber zurück und nahmen jede an ihrem Platze Aufstellung . Auch Leah war darunter . Aber sie hatte das Herz voll Kttmmer und Betrübnis , Welch ' einen bittern Tag hat sie hettte ! Die Krankheit des Mannes ist gefährlich . Jeder . Augenblick brachte ihr neues Leid . Die Losung heute ist kärglich ; sonst pflegte sie jeden Freitag einige Rubel zu verdienen , die für die ganze Woche reichten , und heute hatte sie keinen Heller . Sie und die Kinder sind hungrig ; hungrig , doch wenigstens gesund . . . . vor Hunger stirbt man nicht t . . aber er ? . . . Leahs Haare standen zu Berge . . . . Der Wein tut ihm so not und sie besitzt keinen Heller , um welchen zu kaufen . Dazu hat sie der Wächter so mißhandelt und beraubt . . . sechsundvierzig Kopeken , ein ganzes Vermögen , hat er ihr entrissen , einen Korb kleiner Fische ftuf die Erde verstreut und zertreten , die Bank , die letzte von ihrem Hausrat , zerschmettert . . . . nun hat sie nicht einmal , wo sie sich mit ihrer Ware hinsetzen konnte . Wer ioeiß , wie es , chrem Manne geht ! Vor zwei Stunden hat sie ihn so schwer krank zurückgelafsen . Er war eingeschlummert , nun ist er gewiß crlvacht und : hat nicht einmal eine Erquickung . Wie sehr möchte sie jetzt bei ihm sein ; aber wie kann sio mit leeren Händen heim kommen ? Und die Kinder , die des Brotes Harren ? . . . „ Was kostet ein Pfund von diesen Fischen ? " fragte eine junge , reichgekleidete Frau die Verkäuferitt , in - , dem sie auf einen ihrer Körbe zuschritt . „ Dreißig Kopeken ! " antwortete Leah voll Hofft nung , einen guten Fang zu tun , denn die Frau sah aus , daß sie mehrere Pfund kaufen könnte . „ Dreißig Kopeken ? " versetzte jene skeptisch , „ zwan¬ zig gebe ich . " „ Ich habe ja selber fünfundzwanzig Kopeken das Pfund bezahlt ; kann ich denn verlieren ? " ^ erwiderte Leah bitter . „ DaZ ist unmöglich , die Fische sind ja nicht ein - ' mal frisch, " . „ Wie können Sie das sagen , Madame ! " versetzte Leah vorwurfsvoll . „ Die Fische sind heute gefangen , sie sind nur erstarrt , sonst würden sie zappeln . " „ Nein , mehr als zwanzig bekommt Ihr nicht , sonst gehe . ich zu einer anderen . " Leah ward wütend - Sie , die reichen Damen leben in Ueberfluß und Wohlstand und begreifen nicht , was in der Seele einer armen Frau vorgeht . Sie sind ' herzlos und haben kein Erbarmen mit Kranken und Hungrigen . , . Wie sie unersättlich sind und von der Not der armen Leute sich bereichern wollen ! Würde sie verarmen , wenn sie ihr die elenden dreißig Kopeken bezahlt hätte ? Hat sic etwa mehr als billig gefordert ? . / . . Seite $ „ Wenn Ihr mir das Pfund für zwanzig Kopeken nicht geben wollt , so gehe ich zu einer anderen, " wiederholte die Frau . „ Mein ! bitter Masel * ) über Euch ! " gab Leah zornsprühend zurück . Äe Frau ward verwirrt und blickte sie erstaunt an ; ohne ein Wort zu sagen , ging sie davon . Augenblicklich entpfand Leah tiefe Reue und Be¬ schämung über ihren Schritt . „ Warum habe ich ihr geflucht ? Kann ich sie zwingen , mir den Preis zu zahlen , den ich wünsche ? Gott , welche Sünde habe ich begangen , einen Menschen zu beschämen . Was ist mit mir ? Ich vergesse ja , wessen Tochter und wessen Frau ich bin , und daß ich nicht den anderen Fischweibern ähnlich sein darf . . . Wird nicht , Gott behüte , mein Mann für mein Vergehen büßen . ? " Hätte ihr die Frau die Beleidigung zurückgegeben, , Leah wäre beruhigt gewesen . . . Aber jene gehörte offenbar zu denen , welche auf Beschimpsimgen nicht antworten , llnd dies bedrückte Leah um so mehr . Sie wollte ihr nach und sie um Verzeihung ' bitten , aber wie sie sich umwandte , ward sie andern Sinnes . Zippe , die Kinderlose , hatte ldie Käuferin herbeigerufen und bot ihre Fische , das Pfund zu zwanzig Kopeken ; schon begann sie die Ware ztq wiegen . Bei diesem Anblick stieg Leahs Erbttterung aufs höchste . Wie , diese Zippe , die keine Kinder zu ernähren hat , hat heute schon beinahe zwei Rubel ver¬ dient , und alles ist für sie zu wenig ; jetzt reißt sie ihr den ! Bissen aus dem Munde , ihrem kranken Hanne und ihren hungrigen Kindern ! „ Dü ! " stürzte sich Leah wütend auf ihre Revalin , „ Dü tvirst mir den Bissen aus dem Munde nehmen ? ! Du . . . " und sie begann ihre Gegnerin mit Faust¬ schlägen zu bearbeiten . Augenblicklich wurden die beiden von den übrigen Weibern umringt und auseinander gerissen . „ Leah ! " sagte zu ihr eine vertraute Freundin , „ was ist Dir heute ? Dü bist ja wie umgetauscht . Ich erkenne Dich nicht mehr ! Du machst Dich ja zum Spott der Leute ! " • ' „ Ich bin sehr unglücklich, " flüsterte Leah und ein Tränenstrom brach aus ihren Augen . Zippe nahm die Mißhandlung still hin , denn sie wußte , swie ! Leahs Gemüt heute verbittert war . Vielleicht hatte sie auch recht ? Leahs Leid ging ihr sehr zu Herzen . * ) Schicksal . ( Fortsetzung folgt . ) Literarische Chronik . ' Ein Schriftsteller - Jubiläum - Der bekannte hebräische Schriftsteller Dr . I . C . Katzen elson ( Buki ben Jogli ) in Petersburg , hat kürz¬ lich seinen 70 . Gebtrrtstag gefeiert . Aus diesem Anlaß wurde ein Jubiläumsausschuß gebildet , der neue Werke des Jubllars herausgebeu soll . Auch die Memoiren an deren Ausarbeitung Katzenelson beschäftigt ist , werden nächstens veröffentlicht werden . 78 Jahre „ Jewish Ehrtmiele " . Die bekannte bedeutendste jüdische Zeitung Englands „ Jewish Chronicle " feierte unlängst ihr 75jährigcs Be¬ stehen . Die Zeituug . ^ dic sich großen Ansehens erfteut und ziemlich einflußreich ist , gab zu Ehren beS Tages eine Jubiläumsnummer heraus , die einen Ueberblick über den Gang und das Werden der „ Jewish ' Chronicle " gibt . Die Nummer enthält außerdem Bildnisse berühmter jüdischer Männer Englands der letzten Dezennien . 2 » jähriger Todestag S . PiuSkerS . Vor einigen Wochen , am 20 . Kislew , waren 25 Jahre verflossen , seit dem Todestage Pinskers , des klassisch gewordenen , in deutscher Sprühe geschriebenen Zionisten - Werkes Autoemanzipatton , dessen Wahlspruch ist : Nimm dein Schicksal in deine eigne Hand und werde frei ! Literarische Notizen . Neue Zeitschrift « » . Eine neue jüdische Wochenschrift in russischer Sprache begann unter dem Namen „ Jewrejskaia Wjefti " ( jüdische Nachrichten ) zu erscheinen . * > Am 1 . Januar 1917 beginnt in Berlin eine tägliche jiddische Zeitung zu erscheinen . Die Leitung liegt nt den Händen des ftüheren Redaktetrrs des hebräischen Blattes „ Hasman " in Wilna M argul in . I Offenbaeber Druckluft - A wlage I Offanbash a . E Telefon 123 . ( Anachhiaa mitFrankfm t ) . I bewährteste Tapplshralnloai ] 0 ( 100,000 qm jShxfich ) ■ sowie undbertroflana Battan - u . Bettfadarnralnf - gong mittelst Druckluft nnd Wasssrdampf . Woche » - Sale « der . Samstag , den 30 , Dezember ( — 5 . Tewes ) . Sabbat - Anfang in Franksiirt a . M , 1 Uhr 10 Min . Sabbat - Ausgang in - Frankfurt a . Atz , 5 Uhr 25 Min . |