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REVUE
HERAUSGEBER: ROBERT STRICKER
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Redaktion und Verwaltung: Wien, IX., Universitätsstraße 6—8 Telephon: A25 -2 -82 — Erscheint jeden Freitag
Jahrgang 4
Freitag, den 3. Jänner 1930 TU tj ^ % f Ü O
Nr. 120
Das geistige Frankreich für den Zionismus
Seite 5
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Alle im redaktionellen Teil befindlichen entgeltlichen Notizen sind durch ei n beigefü gtes E be zeichnet_
Arme jüdische Kinder!
Abraham Goldenberg aus Jassy schießt... Jettchen. Stromberg aus Los Angeles stickt Sowjetsterne.
Der neunzehnjährige Abraham Goldenberg bat auf den rumänischen Innenminister geschossen. Dem Untersuchungsrichter sagte er, er sei Kommunist und habe seine Genossin Chaje Lipschtitz rächen wollen. Dieses Judenmädchen ist einige Wochen früher verhaftet wprdep und nach vierzigtägigein Hungerstreik im Kerker gestorben. t)er Beschluß, ihr jammervolles Ende zu rächen, wurde vom „Komitee junger Kommunisten" in Jassy gefaßt. Das Komitee bestand aus drei Juden, Salomon, Goldenberg und Wiegler, und einem Russen. Sie handelten nach Befehlen aus Moskau. Sie sind jetzt eingesperrt und mit ihnen einige Dutzend Verdächtiger. Fast ausschließlich Juden. Vom Gang der Untersuchung hört man nichts. Nur eines! Viele der Verhafteten sind grauenhaft gefoltert worden. Da die Leute, welche jetzt Rumänien regieren, als Fortschrittsmänner ans Ruder gekommen sind und weiter gelten wollen, wurden einige der Folterknechte, einige Offiziere und Beamte, disziplinarisch bestraft. Nicht hart. Versetzt, „strafweise" beurlaubt. Die jungen Juden werden «am Galgen, an der Mauer rasch erledigt sein oder im Kerker dahinschwinden.
Im Lande der Freiheit, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die neunzehnjährige Lehrerin Jettchen Stromberg war Leiterin eines Sommerlagers für Arbeiterkinder bei Los Angeles in Kalifornien. Ihr halfen Jennie Wolfsohn, Emma Schneidermann, Esther Karpiloff und Bella Mintz, auch ein junger Mann, Isidor Berkowitz. Jettchen und ihre Freunde erzählten den Kindern vom kommunistischen Paradies in Rußland. Alle Menschen satt und frei, keine Tyrannen, nur gute, freundliche Genossen. Sie schenkten den amerikanischen Kindern rote Fähnchen, bemalt und bestickt mit Hammer, Sichel und Sowjetstern, und ließen sie jeden Tag für Väterchen Lenin und Stalin beten.
„Ith gelobe Treue der roten Sowjetfahne.
Der Sache, für die sie weht.
Ein Ziel hat unser Leben:
Freiheit fürs Arbeitsvolk!"
In Amerika hat man für solche Liedchen und Fähnchen noch weniger Humor übrig als in Rumänien. Jettchen und ihre Freundinnen kamen vors Gericht. Der amerikanische Dichter Upton S i n- clai r war bei der Verhandlung. Er schreibt:
„Jettchen ist nach meiner Schätzung kaum anderthalb Meter hoch. Ich müßte mich sehr irren, wenn sie mehr als fünfzig Kilogramm wiegt. Sie ist auf eine geradezu altmodische. Art zierlich und zart, ein Modell, das einen Miniaturenmaler entzücken würde. Und aus ihr spricht eine unbeirrbare Redlichkeit und Wahrhaftigkeit, die manche veranlaßt haben, sie als Jeanne d'Arc, als heilige Jungfrau von Los Angeles zu preisen. Jetzt wird sie die sozialen Probleme nicht mehr auf der Universität von Kalifornien, sondern in einer anderen, praktischen Schule: in der Frauenabteilung des Gefängnisses
San Quentin, mitten unter Mörderinnen, Kupplerinnen, Königinnen des Alkoholschmuggels und Hochstaplerinnen!"
Jettchen und ihre Freundinnen wurden für schuldig erkannt, und zwar „der Empörung gegen die geregelte Staatsmacht". Jettchen bekam e 1 f Jahre Kerker zugesprochen, ihre Genossinnen fünf Jahre und weniger. Von Folterungen verlautet nichts^ In Amerika arbeitet mali nicht mit Peitschen und glühenden Stangen. Dort hat man das Verhör „dritten Grades".
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Arme Judenkinderl Doppelt und dreifach unglücklich. Kann mau sie retten, vor der Kugel, dem Galgen, vor dem Verfaulen im Kerker? Und wenn man sie rettet, werden sie dann glücklich sein? Jetzt leben sie und leiden und spotten der Qual, solange der arme schwache Körper mitkann. Das Bewußtsein, der großen Sache, der größten Sache zu dienen, läßt sie der Marter obsiegen. „Freiheit fürs Arbeitsvolk" singen die Kinderchen Jettchen Strombergs. Der ,Ton dringUdurch KtAkermauerji. Rette sie, mache sie. frei —< und sie werden dir nicht danken. Sie werden erkennen, daß sie für Lug und Trug gekämpft haben, daß das große Befreiungswerk in Schande und Schmutz versunken ist. In die alte Schande, in den alten Schmutz. Statt der schwarzen
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Henkersknechte, rote. Statt der schwarzen Soldateska die rote. Wer gegen Petersburg ein freies Wort sagte, kam nach Sibirien oder in den Kerker unter Wasser und Eis. Wer gegen Moskau ein freies Wort sagt, kommt nach Sibirien oder in den Kerker verfiel der schwarzen Inquisition, jetzt verfällt er der roten. Früher hungerte das Volk, und Großfürsten und Diplomaten schwelgten im Ausland. Jetzt hungert das Volk, und Kommissäre prassen in den Luxushotels von London, Paris, Berlin und Nizza. Unter den schwarzen Stiefeln blutdürstiger Generäle krümmte sich ein Volk. Unter den Galoschen und Gamaschen „Volksbeauftragter" krümmt sich ein Volk. Dafür hat Abraham Goldenberg geschossen, dafür- hat Jettchen Stromberg Fähnchen gestickt. Dafür wird Abraham Goldehberg hängen» dafür wird Jettchen, die Zierliche, im Kerker ver-, gehen, dafür ist Chaje Ltpschütz im Gefängnis verhungert. Dafür sinken die Kinderchen in Jassy und Los Angeles: „Treue der roten Spwjetfahne.. .**
Robert Stricker.
Die Exzesse in Rumänien.
Sokolow kann nicht nach Jassy. — Die Regierung auf Seite der Ruhestörer.
Der Numerus clausus.
Die rumänische Regierung hat in einer offiziösen Mitteilung über die Ehrungen des in Rumänien weilenden Präsidenten der Zionistischen Organisation, des Herrn Sokolow. versichert, sie habe durch ihre Staatsmänner ihre Sympathie und die Sympathien des Volkes für den Zionismus und das Judentum zum Ausdruck bringen lassen. Als diese Mitteilung der Presse zuging, weilte Herr Sokolow gerade in Kischinew, der durch die Kruschewan-Pogrome zur Berühmtheit gelaugten Stadt. Dort nun, wo sich der Unterschied zwischen Zarismus und rumänischer Verwaltung hätte demonstrativ zeigen müssen, ließ der Generalprokurator im Auftrag der Regierung Herrn Sokolow ersuchen, die beabsichtigte Fahrt nach Jassy zu unterlassen, da die Regierung seine persönliche Sicherheit nicht verbürgen könne. In Jassy veranstalteten die Studenten Straßenkundgebungen unter der Devise „Tod Sokolow! Tod den Juden!" Die Regierung kapitulierte vor ihnen. Sie hatte dann in Bukarest wieder Gelegenheit, die Sympathien für das Judentum zu dokumentieren, indem sie ein Theaterstück vom Repertoire absetzen ließ, gegen das die Studenten mit Krawallen und Stinkbomben demonstriert hatten, weil in dem Stück eine jüdische Künstlerin auftritt. Es sind also an den Sympathiebezeigungen zwei Elemente beteiligt: die Regierung, die aus der vergangenen Studentengeneration kommt, und die Hörer, die die zukünftigen Regierungsmänner sein werden. Das ist ein klägliches Bild, von dem sich nur der Senat der Jassyer Universität abhebt, der Krawallstudenten bestraft und das Memorandum über den Numerus clausus als groben Verstoß gegen jedwede Kultur abgewiesen hat. — Die vorliegenden Meldungen besagen:
Krawalle im Bukarester
Nationaltheater.
In Gegenwart des französischen Gesandten.
Bukarest, 21. Dezember. Gestern abends kam es im Nationaltheater bei der Aufführung des Stückes „Die Liebe wacht" von Robert F1 e u r s zu einem gewaltigen Skandal. Der Vorstellung wohnten Minister Miha-
lache, Unterstaatssekretär Mirto, der französische Gesandte P u a u x und zahlreiche andere Persönlichkeiten bei. Eine Gruppe von Studenten begann beim Erscheinen der Schauspielerin K a n n e r auf der Bühne — sie spielte die Hauptrolle in diesem Stücke — mit den Rufen „Juden hinaus" Skandal zu machen und die Vorstellung zu stören. Der französische Gesandte Puaux verließ entrüstet sofort seine Loge Die ausgepfiffene Schauspielerin, die als eine der hervorragendsten Künstlerinnen in Bukarest gilt, ist Jüdin, und das war der Grund, daß die Studenten gegen sie Stellung nahmen. Die Polizei erschien sehr spät und entfernte die Ruhestörer aus dem Saale. Kaum wurde die Aufführung fortgesetzt, als auch schon die Studenten wieder in den S a a l eindrangen und mehrere Stinkbomben zur Explosion brachten. Dann wurde der Saal noch einmal geräumt. Auch das Publikum mußte den Saal für einige Minuten verlassen, damit er gelüftet werden könne. Die Vorstellung wurde dann fortgesetzt.
Am 24. Dezember erschien eine Abordnung der Studenten beim Direktor Rebreanu und verlangte die Absetzung des Stückes. Der Direktor wandte sich an das Innenministerium, welches die Weisung erteilte, das Stück abzusetzen. „Dimineata" bemerkt dazu: „Die Studenten kommandieren und die Behörden gehorchen!"
Sokolows Reise.
Kischinew, 26. Dezember. „Unser Zeit" meldet: „Die Jassyer zionistische Organisation wurde vom General- prokuror dahin informiert, daß er erfahren habe, die cuzistischen Studenten hätten beschlossen, gegen Sokolow zu demonstrieren und daßderPblizeipräfekt nicht in der Lage sei, die Garantie für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu übet- nehmen. Ferner ließ der Präfekt mitteilen, die Zentralregierung habe den Wunsch geäußert, Herr Sokolow möge von einem Besuch in Jassy absehen."
Ferner meldet das Blatt, daß die cuzistischen Studenten in Jassy unter der Parole „jos Sokolow,
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